Das Ukraine-Tagebuch Ukraine-Tagebuch

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus ist seit Wochen bei seiner Tochter Sofia und der deren Mutter in der Ukraine. Von dort schildert schildert er uns regelmäßig, wie sich das Leben im Krieg täglich verändert.

 
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Thomas Simmler.Foto:privat Foto:  

„Gibt es Normalität im Krieg? Ja und nein. Nein natürlich deshalb, weil jeden Moment eine russische Bombe auf einen fallen kann und du tot bist. Ja, weil der Mensch ohne Alltag verrückt wird. Deshalb sitzen die Leute in unserer Stadt jetzt vor den Cafes in der Sonne und versuchen für ein paar Minuten zu vergessen, was hier passiert.

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Vor dem Rekrutierungsbüro stehen derweil junge Männer Schlange. Alles Freiwillige. Auch in der Nachbarschaft hat sich jeder gemeldet. Die einen sind jetzt Soldaten, ein anderer Arzt beim Militär. Die Identifikation mit dem Land, der Heimat und den eigenen Soldaten ist überwältigend.

Dass im nahen Saporischschja, wo das Atomkraftwerk steht, Kinder von Bomben getroffen wurden, habe ich nur aus deutschen Medien gehört. Ich selbst konnte über unserer Stadt noch keine russischen Flugzeuge sehen, aber weit sind die Russen nicht. Luftalarm gibt es immer wieder. Nach vier Wochen Krieg regt sich keiner mehr auf. Gestern ging es los, als wir zu Fuß auf dem Heimweg waren. Niemand rannte los. Die Menschen sind einfach im gleichen Tempo weitergegangen. Die Einkaufsmärkte haben mal dies, mal jenes. Ich mache es immer so: Ich suche nie etwas Bestimmtes, sondern schau’, was es gerade gibt. Heute hab ich Cognac gekauft, obwohl ich den eigentlich gar nicht mag. Und nach drei Wochen gab es erstmals Pfefferminzbonbons. Die zu lutschen, das beruhigt meine Nerven. Ich hab gleich mehrere Packungen gekauft. Man weiß ja nie...

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit mehreren Wochen in der Südost-Ukraine auf. Das Atomkraftwerk Saporischschja, das größte Europas, ist keine zehn Kilometer entfernt. Es ist inzwischen unter Kontrolle der Russen.