Nur Augenblicke später überkamen sie die Emotionen. Unter Tränen sagte Petrillo: "Behandelt Transgender-Menschen nicht schlecht. Wir leiden. Es gibt Menschen, die sich umbringen. Das ist nicht in Ordnung. Wir tun niemandem etwas." Danach brach sie das Gespräch ab.
Aufregung schon bei Olympia
Solche Debatten kommen nicht zum ersten Mal auf. 2016 trat in Rio de Janeiro mit der Niederländerin Ingrid van Kranen eine transsexuelle Athletin im Para-Diskuswurf an. Bei den Olympischen Spielen zuletzt in Paris standen die Kämpfe der Boxerinnen Imane Khelif aus Algerien und Lin Yi-ting (28) aus Taiwan im Blickpunkt. Die Diskussionen gingen weit über die Frage des sportlich fairen Wettkampfs hinaus und erfassten auch höchste politische Kreise. In der gesellschaftspolitisch aufgeheizten Stimmung erfuhren beide Athletinnen im Internet viele Anfeindungen.
Das Internationale Olympische Komitee bezeichnete vorgenommene Geschlechter-Tests der International Boxing Association als eine "willkürliche Entscheidung ohne ordnungsgemäßes Verfahren" und ließ Khelif und Lin teilnehmen, weil sie als Frauen geboren worden seien und über Jahre als Frauen an Wettbewerben teilgenommen hatten. Die IBA hatte zuvor "Wettbewerbsvorteile" erkannt und die beiden ausgeschlossen.
Als positives Beispiel vorangehen
Petrillo ist nun die erste offene Trans-Paralympicsteilnehmerin. Auf die Unterstützung ihrer Frau kann sie indes zählen. Trotzdem hatte es die Neapolitanerin laut eigener Aussage nicht leicht. Durch ihre Qualifikation für die Paralympics möchte sie als positives Beispiel vorangehen. "Ich träume von einer Zukunft, in der es keine Kinder, Mädchen, Teenager mehr gibt, die gezwungen sind, sich zu verstecken, Angst zu haben, sich nicht so ausdrücken zu können, wie sie sind: in der Familie, in der Gesellschaft, bei alltäglichen Aktivitäten."
Am Freitagvormittag wird sie erneut am Start stehen. Doch schon allein durch ihren Premieren-Auftritt sei ihr etwas Historisches geglückt, so Petrillo. "Ich möchte nichts mehr über Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Transgender-Personen hören. Ich habe es geschafft. Wenn ich es schaffen kann, kann es jeder schaffen."