Der Wahlkampf der Hochfranken-Kandidaten Berlin, Berlin, wir wollen nach Berlin

In vier Jahren wieder: Wahlkampf, Wahlkampf, Wahlkampf. Foto: Florian Miedl

Die Wahl ist gelaufen. Jetzt zeigt sich, wer die Wahlkampfkunst beherrscht hat. Die Kandidaten von CSU, SPD und AfD: drei Wahlkämpfer, drei Charaktere. Wie haben sie sich verkauft?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Hof - Jede Wahl ist eine Quittung. Eine, die man manchmal gerne annimmt – oder sie als Mahnung, vielleicht Ablehnung, versteht. Drei der hochfränkischen Bundestagskandidaten wollen, dass auf der Quittung „Anvertraut: ein Mandat. Ihre Wähler.“ steht. Drei, die realistische Chancen haben, die nächsten vier Jahre in Berlin zu verbringen: Hans-Peter Friedrich (CSU), Gerd Kögler (AfD) und Jörg Nürnberger (SPD). Der Wahlkampf hat alle gefordert, jeder hat ein Profil ins Schaufenster gestellt. Manchmal mehr, manchmal weniger ungeschminkt.

Hans-Peter Friedrich: der Profi

Mit 64 Jahren, über 20 Jahren im Parlament und zig Wahlkämpfen musste Hans-Peter Friedrich keiner mehr erzählen, wie man Wähler fängt. Exakt das ist eine Falle, in die der Christsoziale aber nicht getappt ist. Heruntergenudelte Routine, scheinbare Selbstverständlichkeit, ein dahingelächeltes „Das kriegen wir schon wieder hin mit der Wahl“ macht Bürger müde und ganz schnell abspenstig. Friedrich hat aufgepasst und war Profi genug, seine staatsmännische Expertise (die seine Stammwähler suchen) mit dem Frankenwäldlerhabitus (er lebt inzwischen übrigens in Wunsiedel) zu paaren. Im Wahlkreisgespräch hat es der Vizepräsident des Bundestages nie verpasst, rechtzeitig die Krawatte abzulegen, bevor ihn die Kamera vor Bierbrauereien, Kindergärten oder in grünster Natur ( und immer mit Bürger) erwischt. Der Abgeordnete ist auch wieder hemdsärmelig gewandert. Seine Mission, wo immer er auftauchte: Fortschritt, Veränderung, wo immer nötig, ja – doch nie über die Köpfe hinweg. Grüne Energie, CO2-Abgabe? Wichtig, aber bitte mit Augenmaß. Er schimpfte auf übertriebene Bürokratie: Kommt immer an. Genderte „demonstrativ“ und aus Prinzip niemals: Kommt bei denen an, die die AfD als Alternative sähen. Angst vor der Zukunft, so seine Botschaft, müsse keiner haben, solange man konservativ wählt. Da schwang das Schreckgespenst „Linksruck“ immer mit. Verrücktheiten aus der Box des Lastenfahrrades? Nicht mit Hans-Peter Friedrich. Nicht mit dem erfahrenen Parlamentarier, dem Bundestagsvize und ehemaligen Bundesinnenminister. Da klappte im Wahlkampf das verbale Schulterklopfen – „Ich will das regeln (und kann es)“.

Ein Staatsmann in Wandersocken, fast wie einst der Konservative Karl Carstens. Er war wieder gut beraten.

Gerd Kögler: der Normalo

Der 54-jährige Schulleiter hatte den dramaturgisch schwersten Part der drei Anwärter übernehmen müssen. Er vertritt mit der AfD eine Partei, die ganz anders als gemäßigt kann und gerne mal schwer rechts unterwegs ist und absichtsvoll polarisiert. Und Kögler musste dem Slogan „Deutschland. Aber normal.“ folgen, demnach selbst normal wirken. Und: Der Kirchenlamitzer hat geliefert. Dass er mit dem thüringischen Zündler Björn Höcke nicht kann, hat er wiederholt klargemacht. Bürgerlich, konservativ – das ist die Marke Gerd Kögler. Schüler, denen Anstand und Fleiß wieder anerzogen werden soll, ein Hoch auf die traute Familie und leiser, aber konturierter Argwohn gegenüber Geflüchteten und dem Fremden – damit ging Kögler auf Verkaufstour. Auf Linie mit der AfD, aber normal, eben nur ein bisschen provozieren. Der Lehrer zeigte sich leger, als Musikus und Kapellmeister, als einer der die sprichwörtliche Erdung der Hochfranken ins überurbane Berlin exportieren will. Dass das propagierte „Normal“ der Alternative für Deutschland beigefarbene Couchgarnituren, Pullunder, Gartenzwerge, kurzum Biederkeit zum Inhalt hat, kam Kögler entgegen. Nicht anything goes – der brave Mann als Identifikationsfigur, das kann der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Kreistag Wunsiedel. Er steht aber auch stramm neben dem Linksruck-Plakat der CSU, nicht ohne zu bemerken, dass es den Sozialismus von CSU bis SED nicht geben darf. Da zitiert er in den sozialen Medien schon mal Wahlwerbespots der AfD wortwörtlich, wenn es darum geht, dass die Welt verrückt geworden sei. Gerd Kögler fängt Protestwähler auf, Menschen, für die sich die Welt zu schnell dreht.

Er ist der Mann am Grill, der gerne ein Bier trinkt und es sich im Gewohnten gemütlich macht. Wechsel? Politisch ja – damit sich die Zukunft nicht verändert. Gerd Kögler hat Beschwichtigungen verkauft, war Tröster der Zweifelnden. War er darin glaubwürdig? Eher ja.

Jörg Nürnberger: der Tribun

Ob SPD-Mann Jörg Nürnberger nach Selbitz oder Klaus Adelt nach Tröstau geguckt hat? Der 54-jährige Jörg Nürnberger aus dem Fichtelgebirge und der Landtagsabgeordnete Klaus Adelt sind jedenfalls wahlkampftechnisch rote Zwillinge, eine Kopie in Rot. Ihr Credo: Sei einfach, nicht simpel. Im Dialekt Sachpolitik kompetent erklären können, das ist die Staatskunst der Originale – oder deren Imitatoren. Nürnberger hat in den vergangenen Wochen Schweres leisten müssen, um das Bild seiner Person bei den Wählern zu justieren. Der Jörg zu sein, der im Wirtshaus oder am Wochenmarkt niederschwellig abzupassen ist, sich als Sozi von nebenan um die Leut’ kümmert, das kann er und hat es auch mehrfach bewiesen. Die Rubrik Kulinarisches, zum Beispiel, hat er auf Facebook abgearbeitet. Knödel verbinden. Nur bodenständig sein ist aber auch nicht wahlzettelfüllend. Immerhin steckt der Jurist in Prag im Business. Die Kompetenzkarte hat er ausgespielt, wenn es um politische Sattelfestigkeit ging – und zum Glück fast frei von Schwurbelei. Ansonsten war er im Wahlkampf nur Anzugträger, wenn es sein musste. Der Nürnbergers Jörg, manchmal hart an der Grenze zum Klischee. Auf der eigenen Homepage zu konstatieren „Ich stehe mit beiden Beinen im wirklichen Leben“ klingt da fast schon wie eine Verteidigung gegen einen verborgenen Vorwurf. Aber er hat sich auch als strammer Genosse verkauft: mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft, mehr Geld für Arbeit, Bürgergeld. Der Tröstauer hat sich mit seinem Wahlkampf in die SPD-Reihen hinter Scholz gestellt, die roter sind, als es die Schröder-Mannschaft war.

Mit Platz 19 auf der Landesliste hatte Jörg Nürnberger eine schwierige Position, die er unverkrampft besetzt hat. Seine Rolle des Volkstribuns hat der Genosse mit fränkischer Nonchalance ausgefüllt.

Autor

Bilder