Der 54-jährige Schulleiter hatte den dramaturgisch schwersten Part der drei Anwärter übernehmen müssen. Er vertritt mit der AfD eine Partei, die ganz anders als gemäßigt kann und gerne mal schwer rechts unterwegs ist und absichtsvoll polarisiert. Und Kögler musste dem Slogan „Deutschland. Aber normal.“ folgen, demnach selbst normal wirken. Und: Der Kirchenlamitzer hat geliefert. Dass er mit dem thüringischen Zündler Björn Höcke nicht kann, hat er wiederholt klargemacht. Bürgerlich, konservativ – das ist die Marke Gerd Kögler. Schüler, denen Anstand und Fleiß wieder anerzogen werden soll, ein Hoch auf die traute Familie und leiser, aber konturierter Argwohn gegenüber Geflüchteten und dem Fremden – damit ging Kögler auf Verkaufstour. Auf Linie mit der AfD, aber normal, eben nur ein bisschen provozieren. Der Lehrer zeigte sich leger, als Musikus und Kapellmeister, als einer der die sprichwörtliche Erdung der Hochfranken ins überurbane Berlin exportieren will. Dass das propagierte „Normal“ der Alternative für Deutschland beigefarbene Couchgarnituren, Pullunder, Gartenzwerge, kurzum Biederkeit zum Inhalt hat, kam Kögler entgegen. Nicht anything goes – der brave Mann als Identifikationsfigur, das kann der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Kreistag Wunsiedel. Er steht aber auch stramm neben dem Linksruck-Plakat der CSU, nicht ohne zu bemerken, dass es den Sozialismus von CSU bis SED nicht geben darf. Da zitiert er in den sozialen Medien schon mal Wahlwerbespots der AfD wortwörtlich, wenn es darum geht, dass die Welt verrückt geworden sei. Gerd Kögler fängt Protestwähler auf, Menschen, für die sich die Welt zu schnell dreht.
Er ist der Mann am Grill, der gerne ein Bier trinkt und es sich im Gewohnten gemütlich macht. Wechsel? Politisch ja – damit sich die Zukunft nicht verändert. Gerd Kögler hat Beschwichtigungen verkauft, war Tröster der Zweifelnden. War er darin glaubwürdig? Eher ja.
Jörg Nürnberger: der Tribun
Ob SPD-Mann Jörg Nürnberger nach Selbitz oder Klaus Adelt nach Tröstau geguckt hat? Der 54-jährige Jörg Nürnberger aus dem Fichtelgebirge und der Landtagsabgeordnete Klaus Adelt sind jedenfalls wahlkampftechnisch rote Zwillinge, eine Kopie in Rot. Ihr Credo: Sei einfach, nicht simpel. Im Dialekt Sachpolitik kompetent erklären können, das ist die Staatskunst der Originale – oder deren Imitatoren. Nürnberger hat in den vergangenen Wochen Schweres leisten müssen, um das Bild seiner Person bei den Wählern zu justieren. Der Jörg zu sein, der im Wirtshaus oder am Wochenmarkt niederschwellig abzupassen ist, sich als Sozi von nebenan um die Leut’ kümmert, das kann er und hat es auch mehrfach bewiesen. Die Rubrik Kulinarisches, zum Beispiel, hat er auf Facebook abgearbeitet. Knödel verbinden. Nur bodenständig sein ist aber auch nicht wahlzettelfüllend. Immerhin steckt der Jurist in Prag im Business. Die Kompetenzkarte hat er ausgespielt, wenn es um politische Sattelfestigkeit ging – und zum Glück fast frei von Schwurbelei. Ansonsten war er im Wahlkampf nur Anzugträger, wenn es sein musste. Der Nürnbergers Jörg, manchmal hart an der Grenze zum Klischee. Auf der eigenen Homepage zu konstatieren „Ich stehe mit beiden Beinen im wirklichen Leben“ klingt da fast schon wie eine Verteidigung gegen einen verborgenen Vorwurf. Aber er hat sich auch als strammer Genosse verkauft: mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft, mehr Geld für Arbeit, Bürgergeld. Der Tröstauer hat sich mit seinem Wahlkampf in die SPD-Reihen hinter Scholz gestellt, die roter sind, als es die Schröder-Mannschaft war.
Mit Platz 19 auf der Landesliste hatte Jörg Nürnberger eine schwierige Position, die er unverkrampft besetzt hat. Seine Rolle des Volkstribuns hat der Genosse mit fränkischer Nonchalance ausgefüllt.