Digitale Kopie der Stadt Bild für Bild wächst Münchbergs Zwilling

Autos mit Kamera wie hier in Köln kennt man von Google Street View, für den digitalen Zwilling erfasst eine Fürther Firma nun die Kernstadt von Münchberg. Foto: IMAGO/Manngold

Virtuell durch die Stadt laufen und am Bildschirm einen leeren Laden einrichten – das und vieles mehr ermöglicht bald die digitale Kopie von Münchberg. Sie soll Kulcity greifbar machen.

 
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Ein Auto mit Rundumkamera fährt demnächst durch Münchberg. Es nutzt die letzten Spätsommertage mit Blättern an den Bäumen, um die Kernstadt in Bildern zu erfassen. Der Grund dafür heißt Kulcity.

Was ist Kulcity? Wer das Münchberger Innenstadt-Projekt beschreiben will, braucht viele Worte und doch kann der Gesprächspartner am Ende nur erahnen, wie die Genussstadt einst aussehen wird und welches Potenzial in der Idee steckt. Der Digitale Zwilling soll sie nun greifbar machen. Künftig kann jeder wie in einem Computerspiel durch die Stadt laufen. Läden, die heute leer stehen, sollen virtuell begehbar sein. Für sie gibt es dann verschiedene Varianten, wie man sie einrichten und gestalten könnte. Dazu kommt das Fachwerkhaisla, das zur Kulcity-Zentrale umgebaut werden soll. Ein Rundgang auf dem Bildschirm macht die Vision, die bereits Planer für das historische Haus entworfen haben, erlebbar.

Ein Jahr lang hat Münchberg auf die Zusage für die Förderung gewartet, seit Mitte September ist der Bescheid da: Vom europäischen Fonds für regionale Entwicklung in Bayern bekommt die Stadt 225 000 Euro, 25 000 Euro muss sie selbst bezahlen. Den Digitalen Zwilling erstellt die Firma Geovisual Interactive aus Fürth und startet in dieser oder der nächsten Woche mit den Aufnahmen von Häuserzeilen. Wo das Auto mit der 360-Grad-Kamera unterwegs sein wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. „Wir werden uns hauptsächlich auf die Kernstadt beschränken“, meint Ina Hajcenko. Seit August ist sie als Kulcity-Managerin tätig. Probleme wegen des Datenschutzes seien nicht zu befürchten, weil Bilder nicht im Original ins Netz gelangen, sondern als Mustervorlage dienen.

Ziel Nummer eins des Zwillings ist die Belebung der Innenstadt, nicht bespielte Plätze will man reaktivieren. Dennoch sollen schon im ersten Schritt nicht nur Leerstände von innen erfasst werden, sondern auch bestehende Geschäfte mit ihrem Angebot und eventuell einer Verlinkung auf ihre Internetseite. Vorausgesetzt, die Eigentümer sind einverstanden. „In den Folgeschritten ist hier auch immer eine Erweiterung möglich.“

Der Zwilling soll Kulcity viel nachvollziehbarer machen und die Bürger bei der Entwicklung mitnehmen. „Wir sehen ihn als wichtige Hilfestellung.“ Zumal man bei der Bekanntmachung schon weiter sein wollte. Corona wirkte wie ein Bremsklotz, sichtbare Kulcity-Events, um die Idee zu verbreiten und weiterzuspinnen, waren nicht möglich.

Auch der Genossenschafts-Gedanke hängt in der Warteschleife. Lange hat man überlegt, welches Betreibermodell Kulcity bekommen soll. Die Wahl fiel auf eine Genossenschaft. Bürger, Händler, Gewerbetreibende, Vereine – jeder soll Anteile zeichnen können. Die aufwendige Vorarbeit mit Business- und Finanzplan ist erledigt, der Genossenschaftsverband hat grünes Licht gegeben, doch der richtige Moment für einen Start steht noch aus. „Man muss ehrlich sagen, Kulcity ist noch nicht greifbar genug“, findet auch die Managerin. Das sei aber die Voraussetzung, um genug Mitstreiter zu finden. Deshalb sei der Zwilling nun so wichtig. „Bei so einem vielfältigen Projekt muss man Prioritäten setzen.“

Bis Ende Juni 2023 soll das digitale Münchberg stehen und Leerstände wie etwa die Häuser Lindenstraße 11 und 16 virtuell erlebbar sein. Richtig fertig wird der Zwilling jedoch nie, weil man ihn immer weiter ergänzen und anpassen möchte. So kann er auch für andere Projekte nützlich sein, etwa wenn es um das geplante neue Schulzentrum geht, um das Schoedel-Areal oder schlicht um Sanierungen, die man zuvor virtuell visualisieren kann. Die Simulation kann den Stadträten Entscheidungen erleichtern – als positiver Nebeneffekt sozusagen.

Weshalb es ein Jahr gedauert hat, bis der Förderbescheid kam, erklärt sich Hajcenko zum einen damit, dass viele Kommunen durch Corona Geld brauchen, aber auch die Besonderheit des Projekts könne ein Grund sein. Da es sich um EU-Mittel handelt, war der Vorgang komplexer. Umso größer ist nun die Freude bei Bürgermeister Christian Zuber, den Förderbescheid in Händen zu halten: „Der Zwilling erlaubt uns, die Bürger bei allen Vorhaben besser einzubinden.“

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