Doppelmord von Mistelbach Das Blutbad hinter geschlossenen Türen

Manfred Scherer
Großes Medieninteresse gab es zum Prozessauftakt im Bayreuther Schwurgerichtssaal. Foto: Manfred Scherer

Der große Medienrummel zum Prozessauftakt gibt Hinweise: Warum der mutmaßliche Doppelmord von Mistelbach nicht öffentlich verhandelt wird und wie diese Verhandlung verlaufen könnte.

 
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Ein Blutbad, das Felix S. am 9. Januar angerichtet haben soll. Im Schlafzimmer von Antje und Stefan S. soll er seinen schlafenden und somit wehr- und arglosen Opfer eine „Vielzahl von Messerstichen“ versetzt haben. Das Arztehepaar starb durch Verbluten. Die Details des mutmaßlichen Doppelmordes werden erst mit der Anklageverlesung durch Oberstaatsanwalt Daniel Götz bekannt. Götz nennt zwei Mordmerkmale: Heimtücke und niedere Beweggründe. Was könnte dies für mögliche rechtliche Folgen haben? Für Hannah S., die aus Hass ihre Eltern habe tot sehen wollen, eine höchste Jugendstrafe von zehn Jahren. Die älteste Tochter der Getöteten war zum Tatzeitpunkt 16 Jahre und sieben Monate jung und somit Jugendliche.

Gilt Felix S. schon als Erwachsener?

Für Felix S. stellt sich die Lage so dar: Er war im Januar 18 Jahre und einen Monat alt, somit Heranwachsender. Dies macht im Prozess eine Prüfung notwendig, ob Felix nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht behandelt wird. Und bringt eine Ausnahmeregel ins Spiel: Paragraf 105 des Jugendgerichtsgesetzes besagt, dass im Fall von Mord bei Heranwachsenden, die als Jugendliche eingestuft werden, eine Höchststrafe von 15 Jahren in Betracht kommt. Es ist ein Detail dieses ersten Prozesstages gegen das junge Liebespaar, dass die Vorsitzende Andrea Deyerling darauf hinweist, dass Felix, der junge Mann, der von zu Hause rausgeflogen war und der bei den Eltern seiner Freundin Aufnahme gefunden hatte, nach einem vorläufigen Gutachten wohl eher einem Jugendlichen gleichzustellen ist.

Wie schwer die Tat aufgrund der bisherigen Ermittlungen einzuschätzen ist, zeigt ein weiterer Hinweis der Vorsitzenden: gegen Felix könnte in einem Urteil die Sicherungsverwahrung vorbehalten werden, das heißt: bei der nächsten schweren Straftat nach einer Haftentlassung könnte er weggesperrt werden. Doch vorerst geht es in dem Prozess um den Schutz junger Menschen – ja, auch um den Schutz der Angeklagten. Um den Schutz vor der Öffentlichkeit.

Notruf bereits gewählt

Da stehen zuallererst zwei Jugendliche im Mittelpunkt, die gar nicht anwesend sind: Der heute 15-jährige Bruder und die zwölfjährige Schwester von Hannah S. Sie sind mittelbare Tatzeugen dafür, dass ihre älteste Schwester möglicherweise die treibende Kraft des Blutbades sein könnte: Während Felix im Keller den gemeinsamen Tatplan in die Tat umgesetzt haben soll, soll sie ihre Geschwister davon abgehalten haben, Hilfe zu rufen, ja, sie soll gar ein bereits begonnenes Telefonat mit dem Notruf beendet haben.

Die zwei Geschwister sollen als Zeugen aussagen, möglicherweise ihre Schwester belasten – das geht nach Ansicht aller Prozessbeteiligten nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch die Angeklagten sollen geschützt werden: Vor Stigmatisierung für alle Zeiten, letztlich vor dem Gedächtnis des Internets, wo heutzutage Presseartikel über derartige Prozesse abgespeichert und auch dann abrufbar sind, wenn ein jugendlicher Verurteilter eines Tages wieder auf freien Fuß kommt. Nicht identifizierende Berichterstattung sei unmöglich, befindet die Jugendkammer, schon allein aufgrund der Tatumstände und der Familienkonstellation von Angeklagten und Opfern.

Müssen die Geschwister aussagen?

Der Verlauf des Prozesses könnte so aussehen: Nachdem die Türen des Schwurgerichtssaals geschlossen wurden, haben sich die Angeklagten der Ankündigung ihrer Verteidiger zufolge am Mittwochnachmittag zu den Vorwürfen geäußert. Über ihr Leben berichtet, über ihre Beziehung zueinander, über die Zeit, nachdem Felix S. bei seiner Freundin einziehen durfte. Sollten die Angeklagten Geständnisse abgelegt haben, die sich mit der Anklage decken, dürfte das Gericht prüfen, ob die Vernehmung der zwei jüngeren Geschwister erforderlich ist. Werden die Geschwister vernommen, dann werden die Angeklagten nicht anwesend sein – sie sollen die Aussagen per Video in einen separaten Raum übertragen bekommen. Danach kommt die Befragung verschiedenster Zeugen: Polizisten, die als Erste am Tatort waren, Sanitäter, Notarzt, Ermittler, denen Felix S. die Tat nach der Festnahme gestanden haben soll. Gerichtsmediziner werden die Obduktionsberichte vortragen, zur Todesursache Stellung nehmen.

Wichtig für die Angeklagten sind die Gutachten des für den Prozess bestellten Psychiaters. Dabei geht es zum einen um die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt. Die Frage, ob es sich tatsächlich um einen eiskalten Mord handelte oder ob die jungen Leute glaubten, keinen anderen Ausweg zu wissen. Im Fall von Hannah gibt es einen Hinweis auf eine angeknackste Psyche – er steht im Antrag ihres Verteidigers: Die junge Frau sei in psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlung, wegen möglicher Suizidgefahr in einer videoüberwachten Zelle untergebracht. Und im Fall von Felix? Es wird diskutiert werden, wie labil er war oder ist, um für seine Freundin eine derartige Tat zu begehen. Die Bluttat habe ein weit über Bayreuth hinausgehendes öffentliches Interesse hervorgerufen, sagte die Gerichtsvorsitzende. Zu sehen war dies am Mittwoch: So viele Medienvertreter, aber auch Zuhörer gab es seit Langem nicht im Schwurgerichtssaal. Das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit solle dadurch gewährleistet werden, dass der Pressesprecher des Landgerichts am Prozess teilnehmen darf und bei Bedarf Mitteilungen herausgibt.

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