Darf die Polizei in Bayern damit tatsächlich mehr als anderswo?
Ja. Andere Länder erlauben ihrer Polizei bei entsprechenden Gefahrenszenarien nur wenige Einzelmaßnahmen, nur informationeller Art oder nur für den Kampf gegen Terrorismus. Bayern hat mit dem Artikel 11a im PAG zudem eine sogenannte Generalklausel geschaffen - für alle nicht voraussehbaren Szenarien, die nicht speziell geregelt sind. "Die überwiegende Zahl der Bundesländer ist diesen Schritt nicht gegangen", sagt Rechtsprofessor Barczak.
Warum könnte das problematisch sein?
Das Konzept der drohenden Gefahr ist zwar in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgesegnet worden - aber damals für den Bereich der Terrorbekämpfung im Streit um die Überwachungsbefugnisse des Bundeskriminalamts.
"Einige Länder - allen voran Bayern - haben das Konzept in der Folge jedoch in ihr Polizeirecht übernommen, auf operative Befugnisse erweitert und auf die Verhinderung vergleichsweise weniger schwerer Straftaten erstreckt", sagt Barczak. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit sei das "überaus problematisch".
Tatsächlich geht es in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof ins juristische Detail - unter anderem, ob eine "drohende Gefahr" gleichzusetzen ist mit einer "konkretisierten Gefahr" - oder ob genau dies nicht zulässig ist.
Warum will die Staatsregierung so viele Freiheiten für die Polizei?
Die CSU-geführte Staatsregierung brüstet sich oft damit, Bayern sei im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders sicher. Ohne eine Generalklausel wie Artikel 11a fürchtet das Innenministerium nach eigenen Angaben eine "Schutzlücke". Die Polizei könnte "dann unter Umständen nicht oder nicht mehr rechtzeitig handeln und die bevorstehende, „drohende“ Gefahr abwehren", sagte ein Sprecher.
Warum sind SPD und Grüne dagegen?
Horst Arnold von der SPD sieht die Gefahr, dass Bayerns Bürgerinnen und Bürger durch zu weitreichende Polizei-Befugnisse unter Generalverdacht gestellt werden. "Rechtsstaat bedeutet: Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger – auch vor Übergriffen des Staates", sagt der Landtagsabgeordnete. Klarere Vorschriften seien auch im Interesse der bayerischen Polizei. Schließlich müssten die Ermittler ihr Eingreifen immer auch rechtlich begründen können.
SPD und Grüne argumentieren vor Gericht zudem, durch die weitreichenden Befugnisse könne es zu überlappenden Aufgabenbereichen von Polizei und Verfassungsschutz kommen.
Was würde passieren, wenn das Gericht die Regel kippt?
Dann müsste die Staatsregierung höchstwahrscheinlich beim Polizeiaufgabengesetz nachbessern und einen neuen Entwurf vorlegen - der dann relativ umfassende Änderungen bringen müsste. Sollte der Verfassungsgerichtshof das Konzept der drohenden Gefahr im Artikel 11a PAG für rechtswidrig erachten, hätte das nämlich auch Auswirkungen auf weitere Vorschriften in dem Gesetz, in denen der Begriff erwähnt wird.
Für wahrscheinlicher halten Beobachter aber, dass der bayerische Verfassungsgerichtshof der Argumentation der Staatsregierung folgt. Der SPD-Abgeordnete Arnold hofft dann auf eine andere Instanz: Beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat er ebenfalls schon eine Beschwerde gegen das Gesetz eingelegt.