Duty-Free-Shop im Schiff Vor 25 Jahren: Aus für die Butterfahrten

Michael Ossenkopp

Seit 1952 hatten Ausflugsschiffe Fahrten über die deutsche Zollgrenze angeboten. Seit dem 1. Juli 1999 sind diese sogenannten Butterfahrten laut EU unzulässig. Ein florierender Geschäftszweig brach ein.

 
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Gute Stimmung 1999 bei der letzten Butterfahrt der Harekin I, bevor die neuen EU-Richtlinien greifen. Foto: imago/Hans Blossey

Bereits am 7. Juli 1981 hatte der Europäische Gerichtshof die Abgabenfreiheit auf den umgangssprachlich als „Butterschiff“ bezeichneten Schiffen auf Nord- und Ostsee mit dem Recht für unvereinbar erklärt. Bis 1. Juli 1999 war es dennoch weiter möglich, während eines Tagesausflugs ins Ausland Waren im Duty-free-Shop preiswert einzukaufen und abgabenfrei nach Deutschland einzuführen, ähnlich wie auf einem Flughafen. Im Inneren der Schiffe gab es Selbstbedienungsläden, beliebt waren Tabak, Spirituosen und Parfüm sowie die damals in Dänemark im Vergleich zu Deutschland günstige Butter. Die avancierte zur Namensgeberin der extrem billigen Fahrten.

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Schon einige Jahre vor der Abschaffung der Butterfahrten waren auf Druck der deutschen Wirtschaft erschwerende Bestimmungen erlassen worden. Doch mehrere Versuche, die Subventionen ganz abzuschaffen, waren an Protesten von Reedern, Busunternehmern, Gewerkschaften und Politikern gescheitert. Bevor die Ausflügler einkaufen durften, mussten die Schiffe im Ausland angelegt haben.

Rentner schätzten die aufgeräumte Gesellschaft an Bord

So entstand die kuriose Situation, dass der Skipper den nächstgelegenen dänischen oder polnischen Hafen ansteuerte, dort aber lediglich ein ausgeworfenes Tau um einen Poller am Kai geschlungen und sofort wieder gelöst wurde. Damit hatte das Schiff formal angelegt, erfüllte die zollrechtlichen Vorgaben und konnte zurückfahren.

Zahlreiche Rentnerinnen und Rentner schätzten vor allem die Gesellschaft, die sich zum Teil zu eingeschworenen Gruppen entwickelte. Besonders Unternehmungslustige fuhren mehrmals in der Woche hinaus, um den ganzen Tag für wenig Geld in geselliger Runde unterwegs zu sein. Die Schnäppchenjagd an Bord war nur eine Zugabe.

Butterfahrten begannen an der Flensburger Förde

Die Geschichte der Butterfahrten begann an der Flensburger Förde. Auf der einen Seite der schmalen Meeresbucht an der Ostsee liegt die deutsche Küste mit Flensburg, auf der anderen Seite das dänische Kollund. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Sperrzone in diesem Gebiet aufgehoben wurde, durften deutsche Schiffe wieder am Nordufer Dänemarks ankern. Der Unternehmer Orla Werner Rasmussen aus Sønderburg charterte 1952 ein altes Passagierschiff und bot Fahrten übers Meer nach Deutschland an. Mit verplombten Kisten voller Flaschen verließ sein Schiff täglich das dänische Hoheitsgebiet. An Bord verkaufte man – außerhalb der Zollgrenze – steuerfrei den Alkohol.

Rasmussen war jedoch kein Reeder und besaß nicht die erforderliche Lizenz, deshalb ging er eine Kooperation mit der alteingesessenen, deutschen Förde-Reederei aus Flensburg ein. Fünfmal am Tag fuhren die beiden Schiffe Forelle und Libelle eine Verbindung von Flensburg ins dänische Kollund und zurück. Die kurze Fahrt dauerte lediglich 20 Minuten und kostete 70 Pfennig, inklusive Rückfahrt 1,10 D-Mark – Kinder zahlten die Hälfte.

Manche Gäste blieben gleich sitzen

Die Aufmerksamkeit für die „kürzeste Schiffsroute ins Ausland“ nahm schnell zu und zog nicht nur einkaufswillige Bewohner der Region an. Rasmussen wollte das lukrative Geschäft nicht allein den Deutschen überlassen und gründete die Hansa-Linie. Die Dänen konsumierten den preiswerten „Snaps“ an Bord, einige Gäste blieben gleich auf den hin- und herpendelnden „Spritdampfern“ sitzen und vergnügten sich.

Die Deutschen erwartete in Kollund ein Laden, der nicht nur Butter zu einem Drittel des deutschen Preises anbot. Anfang der 1950er Jahre war trotz des Wirtschaftsaufschwungs die Arbeitslosenzahl in der Bundesrepublik noch immer recht hoch. Nach und nach entdeckte die Bevölkerung aus dem Umland die Preisvorteile des zollfreien Einkaufs, bald kamen auch aus Hamburg, Bremen und Hannover ganze Familien und Reisegruppen.

Schiffe wurden abgewrackt oder fanden neue Einsatzorte

Der deutsche Einzelhandel in der Region protestierte gegen die Konkurrenz. Die „Flensburger Zeitung“ berichtete am 18. September 1958, dass an Bord der Hansa-Linie „amerikanische Zigaretten und andere begehrte Artikel“ verkauft würden: „Das Geschäft dieser Linie liegt nicht in der Personenbeförderung, sondern in dem Kantinenverkauf an Bord. So soll an dem dortigen Verkaufspreis für eine Schachtel Zigaretten der Verdienst 50 Prozent betragen.“ Die Zahl der Fahrgäste war 1958 innerhalb eines Jahres von knapp 70 000 auf mehr als 530 000 gestiegen.

Betroffen von der Neuregelung 1999 waren vor allem die Ostseefähren. Der steuerfreie Verkauf an Bord hatte mitunter bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes ausgemacht. Nach Verbot der Butterfahrten verloren viele Angestellte ihren Arbeitsplatz. Die Schiffe wurden abgewrackt oder fanden neue Einsatzorte in Südosteuropa, Nordafrika und im Nahen Osten. Andere hat man modernisiert und setzt sie als Fähre oder im Liniendienst ein. Auch heute bedienen Schiffe die typischen Butterfahrt-Routen von früher.

Das Prinzip Duty-free-Shop

Europa
 Ein Duty-free-Shop (englisch Duty-free ‚abgabenfrei‘) ist ein Warenhaus zwischen zwei Zollstellen (nach der Passkontrolle an Flughäfen oder auf Fähren), das Waren anbietet, auf die weder Zoll noch Umsatzsteuer oder Verbrauchsteuern erhoben werden. Bei Reisen innerhalb der EU darf seit dem 1. Juli 1999 nicht mehr steuerfrei eingekauft werden.

Steuern
Trotzdem gewähren Duty-free-Anbieter heute den Kunden den gleichen Preis wie auf Reisen außerhalb der EU; die entsprechenden Läden heißen Travel Value. Die Steuerlast trägt der Händler.