Eigener Inhalt Ene, mene, Maut

Wolfgang Plank

Sinnlos, europafeindlich - aber sie wird wohl kommen. Dabei gäbe es gerade jetzt die große Chance für kluge Änderungen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wenn man in Deutschland eine Niederlage gegen Österreich oder die Niederlande herbeisehnt, ist klar: Um Fußball kann es ganz sicher nicht gehen. Und nein: Die beiden haben sich nicht verbündet, um das Runde ins Eckige zu bringen – es geht ihnen darum, das Runde nicht auf die Scheibe kommen zu lassen. Sie haben Deutschland wegen der Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Demnächst wird das Urteil fallen.

Im Grunde muss Angela Merkel hoffen, dass die Nachbarn nicht scheitern. Wenn nämlich doch, dürfte man sie ungestraft eine Lügnerin nennen. "Mit mir", hatte sie im Wahlkampf 2013 gelobt, "wird es keine Pkw-Maut geben". Vor Millionen Zeugen im TV-Duell mit Peer Steinbrück. Den Status des Wortbruchs hat die Regierungschefin ohnehin schon erreicht. Kaum wieder im Amt, lautete der Kanzlerin neues Bekenntnis: "Um es ganz klar zu sagen, sie steht im Koalitionsvertrag, und sie wird kommen."

Betrieben hat sie ein Mann. Jeden einzelnen Tag seiner Amtszeit. Und darum konnte sich Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt selbstverständlich nicht um das Diesel-Desaster kümmern, nicht um den Berlin-Flughafen – und schon gar nicht darum, wie der Verkehr von morgen aussehen könnte. Dass schnelles Internet in vielen Gegenden noch immer ein Fremdwort ist, fiel auch in sein Ressort. Aber wann hätte er sich dem Thema widmen sollen? Immer war Maut.

Dass sämtliche Experten und auch das Umweltbundesamt sie in dieser Form für falsch halten? Egal. Dass die EU auf streckenabhängige Modelle drängt? Sei’s drum. Dass am Ende ein Draufzahlgeschäft bleibt? Geschenkt. Wenn nur die CSU endlich Rache nehmen kann für das Österreich-Pickerl.

Aber war da nicht was? Etwas Gewaltiges, Völkerverbindendes? Wird Europa nicht dauernd – und gerade jetzt, vor der Wahl zum EU-Parlament, besonders laut – als Werk des Friedens und grenzenloser Freiheit gepriesen? Ja schon, hatte die CSU seinerzeit der GroKo diktiert. Aber deswegen müsse man doch am Schlagbaum nicht auf Eintritt verzichten.

Zu Beginn wollte Brüssel Deutschland wegen der Maut noch vor dem EuGH verklagen. Doch nach diversen Kuhhandeln war davon keine Rede mehr. Diskriminierung von Ausländern, weil Inländer nichts bezahlen? So streng wollte die EU-Kommission das dann doch nicht sehen. Da mussten schon Österreich und die Niederlande klagen. Der Generalanwalt des EuGH indes liegt genau auf Kommissions-Linie. Halter von deutschen und ausländischen Fahrzeugen könne man gar nicht miteinander vergleichen, sagt er. Es steht zu befürchten, dass das Gericht ihm folgt – wie gerne in derlei Fällen.

Warum nur konnte es überhaupt soweit kommen? Angeblich waren doch fast alle irgendwie dagegen. Die simple Antwort: Weil keiner, pardon, genug Arsch in der Hose hatte, um zu sagen: "Das ist ziemlicher Quatsch, was wir da gerade machen." Stattdessen kursierten Positionspapiere, nicht bindende Entschließungsanträge und jede Menge Eigentlich-müsste-man-Appelle. Am Ende alles fristlos, formlos – und selbstverständlich zwecklos.

Erst verließen sich alle darauf, die EU-Kommission werde die Maut stoppen. Denkste. Dann dachte man, sie würde im Bundestag scheitern. Von wegen. Schließlich hofften alle außer der CSU auf Beerdigung im Bundesrat. Hat nicht geklappt, weil Thüringen umgefallen ist. Gegen ein hübsches Salär. Und nun? Bleiben in der Tat nur mehr die Nachbarländer.

Dabei bestünde die große Chance, noch einmal nachzudenken. Warum statt fruchtloser CO2-Debatten nicht tatsächlich eine Maut? Eine intelligente – also das Gegenteil der Seehofer-Dobrindt-Idee. Auf allen Straßen und für jeden gefahrenen Kilometer. Im Gegenzug: Weg mit Kfz-Steuer – und der unseligen Ökosteuer, die zum größten Teil in die Rentenkasse fließt.

Klug wäre eine Maut, deren Höhe sich nach Tageszeit und aktueller Verkehrslage richtet. Je mehr Stau, desto teurer. Womöglich würden die Menschen andere Routen wählen oder ihr Auto tatsächlich auch mal stehen lassen. Bei einer Abgabe, die als Teil der Kfz-Steuer ohnehin entrichtet wird, verpufft jede Idee von Verkehrslenkung.

Im Gegensatz zur Lkw-Maut, die der Bund einstreicht und eben gerade nicht wie versprochen zusätzlich für den Straßen-Erhalt verwendet, könnte man Teilerlöse einer Pkw-Maut zweckgebunden in die Kassen von Städten und Gemeinden leiten. Damit ließen sich Ausbau oder Bezuschussung des öffentlichen Nahverkehrs bezahlen oder Modelle für Carsharing. Und ein sozialer Ausgleich für Pendler, die keine andere Chance haben als das Auto, wäre ganz sicher auch drin.

Und wenn doch die Dobrindt-Maut kommt? Dann gehört im politischen Berlin ein Schild aufgehängt. Groß und unübersehbar. Mit einem Zitat des großen Erich Kästner. Der wusste schon 1933 und schrieb es in ein Kinderbuch: "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."