Einsamkeit schmerzt. Corona hat viele Menschen in Deutschland vereinsamen lassen, darunter auch Jüngere. Das Problem besteht nach dem Ende der Pandemie weiter – und verschärft sich sogar.
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Jeder Dritte im Alter zwischen 18 und 53 Jahren fühlt sich einer aktuellen Studie zufolge zumindest teilweise einsam. Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) am Mittwoch (29. Mai) in Wiesbaden mitteilte, ist Einsamkeit in Deutschland nicht nur bei älteren Menschen, sondern seit der Pandemie auch bei jüngeren Erwachsenen unter 30 Jahren weit verbreitet.
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Die Untersuchung basiert auf mehreren sozialwissenschaftlichen Datensätzen zur Zeitspanne von 2005 bis zum Winter 2022/2023.
Gefühl der Einsamkeit nimmt deutlich zu
Demnach hat das Gefühl der Einsamkeit vor allem in den zurückliegenden fünf Jahren in Deutschland signifikant zugenommen: Während von 2005 bis 2017 der Anteil der Einsamen im jungen und mittleren Erwachsenenalter recht stabil zwischen 14 und 17 Prozent lag, stieg er mit Beginn der Coronapandemie im Jahr 2020 sprunghaft auf knapp 41 Prozent an.
Ein Jahr später lag er dann sogar fast bei 47 Prozent. Analysen aus dem Winter 2022/2023 zufolge sank das Gefühl der Einsamkeit zwar wieder auf 36 Prozent. Es liegt damit aber noch deutlich über dem Niveau vor der Pandemie.
Trend zur Chronifizierung
„Spätestens seit der Coronapandemie ist sichtbar geworden, dass auch viele jüngere Menschen unter Einsamkeit leiden, selbst wenn sie nicht alleine leben“, erläutert die BiB-Soziologin Sabine Diabaté. Obwohl die Kontaktbeschränkungen der Vergangenheit angehören, seien bis Anfang 2023 nur wenig soziale Nachholeffekte zu sehen: „In der postpandemischen Phase besteht die Einsamkeit auf hohem Niveau fort. Es zeigt sich eine Tendenz zur Chronifizierung“, warnt Diabaté.
Nach Aussagen der Forscher sind die gesundheitlichen Folgen einer chronischen Einsamkeit in vielerlei Hinsicht problematisch. Einsame hätten häufiger Schlafprobleme, ein höheres Risiko für koronare Herzerkrankungen oder Schlaganfälle und eine reduzierte Immunabwehr. Sie seien auch anfälliger für Suchterkrankungen.
Ferner hätten einsame Menschen ein höheres Risiko, sich zu isolieren und möglicherweise politisch oder religiös zu radikalisieren. „Damit kann eine zunehmende Einsamkeit in der Bevölkerung auch ein Risiko für die Demokratie bedeuten, weil sie den inneren, sozialen Zusammenhalt gefährden kann“, erklärt BiB-Forschungsdirektor Martin Bujard.
Der Psychiater Arno Deister, Ex-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), sieht einen Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit. „Wenn das Alleinsein gewollt ist, kann es für Menschen durchaus positiv sein.“
Einsamkeit hingegen bezeichnet den ungewollten Verlust von Beziehungen. Wenn Alleinsein dazu führe, dass Beziehungen fehlten, dann könne das bestimmte Erkrankungen zwar einerseits begünstigen, erklärt Deister weiter.„Andererseits ist es etwa ein Symptom von Depressionen, dass sich Menschen zurückziehen.“
Stabile soziale Beziehungen sind der beste Schutz
Dass sich Einsamkeit negativ auf die psychische Gesundheit auswirke, sei hinreichend erforscht, stellt der Psychologie-Professor Jürgen Margraf von der Universität Bochum fest. „Stabile und vertrauensvolle soziale Beziehungen sind der beste Schutz für die psychische und auch körperliche Gesundheit.“
Margraf sieht vor allem gesellschaftliche Veränderungen, die das Alleinleben und somit auch das Potenzial für Einsamkeit begünstigten. Und er macht konkrete Handlungsvorschläge: „Man muss dafür sorgen, dass die Menschen sich begegnen, miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen.“ Dabei sei jeder Einzelne gefragt: „Wenn wir unsere Einkäufe nun auch noch ins Internet verlagern, haben wir ein massives Problem.“