Die biologische Vielfalt sehen Experten schon seit längerem im Abwärtstrend: So warnt der Weltbiodiversitätsrat (IPBES), dass etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten in wenigen Jahrzehnten aussterben könnten. Dem Expertengremium zufolge spielen unsere Ernährungssysteme hier eine wesentliche Rolle. Sie sind für 70 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt auf dem Land und für 50 Prozent in Flüssen und Seen verantwortlich.
Vegetarische und vegane Ernährung senken Fußabdruck deutlich
Neben dem Ist-Zustand gliedert die WWF-Erhebung aber auch auf, wie eine veränderte Ernährungsweise der Deutschen der biologischen Vielfalt zu Gute kommen könnte. Bei einer flexitarischen Ernährung, die einen begrenzten Konsum von tierischen Produkten umfasst, könnte unser Biodiversitäts-Fußabdruck insgesamt weltweit um 18 Prozent verringert werden - bei konsequenter vegetarischer Ernährung um ganze 46 Prozent, bei einer veganen Ernährung um 49 Prozent.
Von einem entsprechenden Umdenken beim Speiseplan würde demnach die Natur in Brasilien besonders stark profitieren - vor allem, weil dann wesentlich weniger Fläche für den Anbau von Soja als Futtermittel benötigt würde.
Ob Biene, Braunkehlchen oder Schmetterlinge in Deutschland, Orang-Utan in Malaysia oder Ameisenbär und Jaguar in Brasilien - die Arten, die durch bewusstere Ernährung geschützt werden könnten, sind zahlreich, betont Expertin Dräger. "Insofern ist das Potenzial groß, einen Beitrag zum Schutz der Lebensräume zu leisten, wenn man den Konsum tierischer Produkte reduziert. Und gleichermaßen dient es auch der eigenen Gesundheit." Die Studie solle also ein Bewusstsein dafür schaffen, was der eigene Lebensmittelkonsum bewirken könne.
Kennzeichnung von Klimafreundlichkeit hilft
Eine neue Studie eines Teams rund um Ann-Katrin Betz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg legt nahe, dass Menschen im Restaurant eher zu klimafreundlichem Essen greifen, wenn es in der Speisekarte auch als solches gekennzeichnet ist, ihnen der Nutzen für die Umwelt durch ihr Konsumverhalten also bewusst gemacht wird.
In der im Fachmagazin "Plos Climate" veröffentlichten Erhebung wählten 256 Menschen aus verschiedenen hypothetischen Menüs. Es zeigte sich, dass sie mehr klimafreundliche Gerichte wählten, wenn die Kohlenstoffkennzeichnung vorhanden war und wenn die Komponenten eher aus emissionsarmen Optionen bestanden.
"Vor allem anfangen"
Dennoch: Auf die Schulter der Verbraucher allein könne man die Last nicht legen, betont Dräger. "Hier sind Politik und Wirtschaft gefragt." Konkret fordert der WWF auf Basis seiner Ergebnisse etwa von der Bundesregierung eine Ernährungsstrategie bis 2023 und den Weg hin zu einer Nachhaltigkeitssteuer. "Wir sehen derzeit, dass zum Teil pflanzliche Lebensmittel oder Fleischersatzprodukte teurer sind als Fleisch selbst", kritisiert Dräger. Zudem müsse der heimische Anbau von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten ausgebaut werden.
Antje Risius, die an der Universität Göttingen zu nachhaltigen Ernährungsstilen forscht, fasst zusammen, was jede und jeder Einzelne zum Schutz der Biodiversität tun muss - und was Politik und Wirtschaft: "Vor allem anfangen." Entscheidend sei die effiziente Nutzung der Ressourcen. Eine pflanzlich orientierte Ausrichtung der Ernährung ermögliche es, gesundheitliche, wirtschaftliche und Umwelt-Aspekte zu vereinen.
Das bedeute aber für die Verbraucher, dass Informationen und Produkte verfügbar gemacht werden müssten. "Hierbei sind natürlich diejenigen zunächst gefragt, die die Rahmenbedingungen setzen - also Politik und Wirtschaft", sagt Risius. Faire Rahmenbedingungen für eine entsprechende Anpassung der Ernährungsgewohnheiten zu schaffen, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.