Expertentipps bei Vorhofflimmern Was tun, wenn das Herz stolpert?

Regine Warth
Die Katheterablation gilt als erfolgversprechende Therapie bei Vorhofflimmern: Störflächen im Herz werden gezielt mit Kathetern verödet: Blick in ein Herzkatheterlabor. Foto: pa/obs Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V./PETER HIMSEL

Bei fast jedem Menschen gerät das Herz ein- oder mehrmals im Leben aus dem Takt. Anlässlich der bundesweiten Herzwochen 2022 klären Experten der Deutschen Herzstiftung, mit welchen Stolperern man leben kann und gegen welche medizinisch vorgegangen werden sollte.

 
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Ein Muskel, ungefähr so groß wie eine Faust: Das ist unser Herz. Was aber, wenn das Herz schwach wird, wenn es rast, flimmert, aus dem Takt kommt oder ganz den Dienst versagt? Die Deutsche Herzstiftung gibt anlässlich ihrer jährlichen Informationskampagne „Herzwochen“ im November bei unserer Leseraktion Antworten auf alltägliche, manchmal auch ungewöhnliche Fragen rund um das Thema Herzrhythmusstörungen.

Ich bin Mitte 40 und habe etwa zweimal im Jahr Vorhofflimmern, was mir aber zu schaffen macht. Muss ich mich therapieren lassen?

Grundsätzlich ist es sinnvoll, das Vorhofflimmern abklären zu lassen, rät der Kardiologe Raffi Bekeredjian, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Auch wenn die zeitlichen Abstände, in denen die Herzrhythmusstörung auftritt, noch groß sind, könne dabei auch über therapeutische Maßnahmen nachgedacht werden – gemäß dem Standpunkt: Je stärker das Vorhofflimmern die Lebensqualität beeinträchtigt, umso früher sollte mit einer Behandlung begonnen werden. „Studien haben gezeigt, dass eine Therapie, die darauf zielt, den gesunden Herzrhythmus wiederherzustellen, dem Patienten in der frühen Phase der Erkrankung einen Vorteil erbringen kann“, sagt der Chefarzt der Abteilung Kardiologie am Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart. Empfehlenswert sei dabei die sogenannte Katheterablation: Dabei werden die elektrischen Störfelder in den Vorhöfen, die das Herz aus dem Takt bringen, mithilfe von Kathetern gezielt verödet. „Gerade bei Jüngeren ist die Erfolgsquote dieser Therapieform besonders hoch“, so Bekeredjian.

Mein Herz ist eine Baustelle: Eine Herzklappe schließt nicht mehr richtig, zudem belastet mich ein Vorhofflimmern. Welches Leiden soll ich zuerst angehen?

Ratsam ist es, die Herzklappenerkrankung als Erstes anzugehen, sagt der Kardiologe Raffi Bekeredjian. Eine undichte Segelklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer etwa – der sogenannten Mitralklappe – führt dazu, dass ein Teil des Blutes wieder zurück in die Lunge fließt. „Das führt nicht nur zu Atemnot bei den Betroffenen, sondern kann auch ein Vorhofflimmern begünstigen“, erklärt der Kardiologe. Wird die Herzklappe hingegen repariert, hat dies automatisch positive Effekte auf das Vorhofflimmern: „Es kann sein, dass das Vorhofflimmern seltener auftritt und sich eventuell so weit abschwächt, dass es besser zu therapieren ist.“

Ich habe mein Vorhofflimmern mithilfe einer Ablation therapieren lassen. Doch die Herzrhythmusstörungen sind wieder aufgetaucht. Lohnt sich ein erneuter Eingriff?

Ungefähr drei Monate nach der ersten Ablationsprozedur ist klar, ob es gelungen ist, das Vorhofflimmern zu beseitigen, heißt es seitens der Deutschen Herzstiftung. Kommt es doch wieder zu Herzrhythmusstörungen, treten die Anfälle weniger häufig auf, was als Teilerfolg gewertet werden kann. Laut Erfahrungswerten kann eine weitere Ablation das Vorhofflimmern meist vollständig beseitigen. „Doch hier ist die Entscheidung höchst individuell und hängt von der Schwere der Symptome sowie von den Erfahrungen der ersten Prozedur ab“, sagt Udo Sechtem vom wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. „Ein zweiter Eingriff könnte sinnvoll sein, wenn der Betroffene erneut unter ausgeprägten Symptomen der Herzrhythmusstörung leidet“, sagt der Kardiologe vom Cardiologicum Stuttgart, einem Zentrum für Herz- und Gefäßmedizin. Wenn nach der dritten Ablation Vorhofflimmern weiter besteht, muss man das Scheitern der Ablationstherapie eingestehen.

Bei mir wurde ein Vorhofflimmern festgestellt, ich habe aber keine großen Beschwerden. Genügt es, ASS einzunehmen, um mich vor einem Schlaganfall zu schützen, oder braucht es umfassendere Medikamente?

Acetylsalicylsäure, kurz ASS genannt, ist keine Alternative zu gerinnungshemmenden Medikamenten, warnt die Deutsche Herzstiftung. ASS ist ein sogenannter Thrombozyten-Aggregationshemmer: Diese Wirkstoffe wirken auf die Blutplättchen – Thrombozyten genannt – und verhindern, dass diese aneinanderhaften. „Dieser Wirkmechanismus ist jedoch deutlich schwächer und reicht nicht aus, um vor einem Schlaganfall effektiv zu schützen“, sagt Thomas Nordt vom wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten am Klinikum Stuttgart rät, je nach Schlaganfallrisiko, die Gerinnungshemmer für Vorhofflimmern einzunehmen.

Durch einen Zufallsbefund wurde bei mir ein Vorhofflimmern entdeckt. Mein Arzt rät mir zu einer Ablation, dabei habe ich gar keine Beschwerden. Muss das dann sein?

Es laufen derzeit Studien, in denen untersucht wird, inwiefern Patienten mit Vorhofflimmern, die beschwerdefrei sind, von einer frühen Ablationstherapie profitieren. Solange Ergebnisse ausstehen, ist nach heutigem Kenntnisstand eine Ablation in diesem Fall nicht angeraten, sagt der Kardiologe Thomas Nordt. Da reicht eine Therapie mit Gerinnungshemmern – je nach Risiko – vorerst aus. Auch sein Kollege Udo Sechtem stimmt zu: „Man kann davon ausgehen, dass der Unterschied im klinischen Verlauf zwischen Rhythmuskontrolle und der Gabe von Gerinnungshemmern gering sein dürfte.“

Meine Katheterablation war erfolgreich, ich verspüre kein Vorhofflimmern mehr – kann ich jetzt auch auf die Einnahme von Gerinnungshemmern verzichten?

Nein, sagt Thomas Nordt vom wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Die vorliegenden klinischen Studien zeigen, dass selbst bei Patienten mit Vorhofflimmern, deren Katheterablation erfolgreich war, die Gefahr eines Schlaganfalls weiter bestehen bleibt. „Es gibt Vermutungen , dass es dennoch Phasen gibt, in denen die Herzrhythmusstörung unbemerkt auftritt“, sagt Nordt. Daher bleibe die Gabe von blutverdünnenden Medikamenten weiter erforderlich.

Ich habe Vorhofflimmern, das ich zwar nicht spüre, aber das laut ärztlichem Befund die Pumpfunktion meines Herzens stark beeinträchtigt. Was raten Sie mir?

Nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es ratsam, das Vorhofflimmern mit Hilfe einer Rhythmustherapie, bevorzugt mit einer Ablation zu behandeln, sagt der Kardiologe Thomas Nordt vom wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung.

Turbulenzen im Herz

Vorhofflimmern
Nach Schätzungen leiden in Deutschland 1,5 bis zwei Millionen Menschen an Vorhofflimmern. Bei dieser Herzrhythmusstörung können ausgeprägte Beschwerden auftreten wie unregelmäßiger und beschleunigter Puls, Unruhegefühl, Luftnot bei Belastung, Schwindel, Schmerzen in de Brust und teils auch kurzzeitige Bewusstlosigkeit. Bei Vorhofflimmern ist die Gefahr eines Schlaganfalls erhöht.

Hilfe
Der Ratgeber der Deutschen Herzstiftung „Zurück in den Takt: Vor den schweren Folgen von Vorhofflimmern bewahren“ informiert über Risikovorsorge, Ursachen, Diagnose und Therapie von Vorhofflimmern. Der Band kann kostenfrei per Telefon 0 69 / 9 55 12 84 00 angefordert werden und im Netz unter www.herzstiftung.de.

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