Fall Peggy jährt sich Auch nach 20 Jahren ist kein Mörder überführt

red/
Auch nach 20 Jahren konnte der Mörder von Peggy nicht überführt werden. Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Der zugleich geheimnisvolle und skandalumwitterte Fall Peggy hat die Menschen lange aufgewühlt. Offiziell sind die Ermittlungen beendet. Womöglich wird man nie erfahren, wer das Mädchen vor 20 Jahren umgebracht hat. Oder gibt es noch Chancen zur Aufklärung?

 
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Lichtenberg - Was genau an jenem 7. Mai 2001 im Städtchen Lichtenberg in Oberfranken geschehen ist, weiß nur der Mörder. Aber wer der Mörder ist, wissen die Ermittler nicht. Oder zumindest haben sie nicht genug Beweise, um ihn zu überführen. Der Fall Peggy bleibt geheimnisvoll, skandalumwittert - und ungelöst. Vor 20 Jahren verschwand das damals neun Jahre alte Mädchen zunächst spurlos. Erst 15 Jahre später wurden ihre Gebeine gefunden.

Es ist ein Fall mit teils irren Wendungen, einer der spektakulärsten Kriminalfälle in Deutschland. Es gab einen verurteilten Täter, der im Zuge eines Wiederaufnahmeverfahrens wieder frei kam. Eine DNA-Spur am Leichenfundort rückte den Fall sogar zeitweise mit den Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle NSU zusammen, was sich dann als Panne der Kriminaltechnik herausstellte. Die DNA des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt war durch einen verunreinigten Zollstock an Peggys Fundort gelangt. Immer wenn man im Fall Peggy glaubte, es ist schon verworren genug, kam es noch schlimmer.

Akten sind seit Herbst geschlossen

Seit vergangenen Herbst sind die Akten geschlossen; der Fall Peggy ist ein „Cold Case“, ein ungeklärter Fall. Offiziell will die Staatsanwaltschaft in Bayreuth sich nicht äußern. Man ermittle derzeit ja nicht, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Aber: Wenn es neue Erkenntnisse, Beweismittel oder Zeugen gebe, dann könne man die Ermittlungen jederzeit wieder aufnehmen.

Denn Mord verjährt nicht. „Wenn auch noch so viele Jahre vergehen: Mord bleibt Mord“, sagt der renommierte Kriminologe und Psychologe Rudolf Egg. Es gebe also noch Hoffnung, dass der, der verantwortlich für den Tod des Mädchens ist, noch ermittelt wird.

Wer aus welchem Grund Peggy umgebracht haben könnte - dazu existieren zig Mutmaßungen, Verdächtigungen, Gerüchte und auch Tathergangshypothesen der Polizei. Oder in Zahlen: 6400 Ermittlungsspuren, 3600 Vernehmungen, 250 Gutachten, 450 Aktenordner.

Polizei unter Druck

Peggy verschwindet am 7. Mai auf dem Heimweg von der Schule. Es beginnen umfangreiche Suchaktionen und Ermittlungen, die die Polizei auch bis nach Tschechien und in die Türkei führen. Doch vergeblich. Das öffentliche Interesse an dem Fall ist riesig, das Foto von der Schülerin mit den mittelblonden Haaren und den leuchtend blauen Augen kennen viele Menschen im Land. Die Polizei gerät unter Druck. Ein Mädchen verschwindet am helllichten Tag. Und es soll keine heiße Spur geben, keinen Verdacht, keine Leiche? 

Ein geistig eingeschränkter Mann aus Lichtenberg rückt in den Fokus der Ermittler. Hat er Peggy umgebracht, um den sexuellen Missbrauch an ihr zu vertuschen? Spuren gibt es keine. Aber der Mann legt ein Geständnis ab. Das hat er zwar später widerrufen, das Landgericht Hof verurteilt ihn 2004 aber trotzdem. Schließlich kommt es zu einem Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Bayreuth. Der Mann wird 2014 freigesprochen, aus Mangel an Beweisen.

2012 werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Die Polizei lässt mitten in Lichtenberg tagelang ein Anwesen durchsuchen und sogar den Garten umgraben und später auf dem Friedhof ein Grab ausheben. Entscheidend voran bringt das die Ermittlungen nicht. Aber in Lichtenberg herrscht wieder Aufregung.

2016 kam Bewegung in den Fall

Für die kleine Stadt im Frankenwald war der Fall Peggy mit all seinen Irrungen und Wirrungen jahrelang eine Hypothek. Viele waren sauer auf die Polizei wegen der angeblichen Ermittlungspannen oder auch auf die Journalisten, die regelmäßig in den Ort kamen. Aber seit dem Verschwinden des Mädchens ist viel Zeit vergangen.

Der heutige Bürgermeister, Kristan von Waldenfels, war 2001 gerade einmal ein Jahr alt. Viele junge Menschen wie er oder zugezogene Bürger haben keinen Bezug mehr zu dem Thema. „Der Fall spielt im Alltag der Menschen hier keine Rolle mehr. Es war natürlich eine Tragödie, das soll nicht heruntergespielt werden“, sagt von Waldenfels. In den Anfangsjahren habe der Fall unglaublich viele Menschen beschäftigt. Für Lichtenberg gehe es aber inzwischen um die Zukunft: Der Ort habe das Potenzial, ein echter Magnet für den Tourismus und für junge Familien zu werden.

Neue Bewegung in den Fall Peggy kommt 2016, als ein Pilzsammler in einem Wald an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen Gebeine findet - sie gehören zu Peggys Leichnam. Doch das wirft etliche weitere Fragen auf: War die Gegend - immerhin nur 20 Kilometer von Lichtenberg entfernt - damals nicht abgesucht worden? War Peggy hier umgekommen oder hier nur die Leiche abgelegt worden? Gibt es noch Spuren, die zum Täter führen? Wie genau starb Peggy? 

Leiche und Fundort werden akribisch untersucht. Die Spuren führen zu einem Mann, der früher in Lichtenberg gelebt hatte. Er räumt ein, dass er Peggy im Mai 2001 mit seinem Auto in den Wald gebracht hat. Er bestreitet jedoch, das Mädchen getötet zu haben. Er habe das leblose Kind damals von einem Bekannten an einer Bushaltestelle übernommen. Später widerruft er dieses Teilgeständnis und erklärt, er sei unter Druck gesetzt worden.

„Es wurden zwar zahlreiche Indizien ermittelt“, betonen Staatsanwaltschaft und Polizei im Herbst 2020. Aber die Ermittlungsergebnisse reichen nicht für eine Anklage. Der Fall Peggy bleibt ein Rätsel.

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