Fiese Masche Die Tricks der Betrüger am Telefon

Uwe Faerber

Die Polizei will Ganoven das Handwerk legen, die mit Anrufen Geld ergaunern. Die Maschen sind sehr sehr geschickt, in Oberfranken machten sie im vergangenen Jahr 800 000 Euro Beute. Kommunen sollen bei der Vorbeugung helfen – und Kinder.

 
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Immer mehr Menschen werden Opfer von Betrügern am Telefon. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Bei Callcenter-Betrügereien gibt es unterschiedliche Maschen. Eine heißt „Schockanruf“ – und die geht so: 10 Uhr morgens klingelt das Telefon und Frau Ute S. erhält die dramatische Nachricht: Enkelin Stefanie habe soeben eine Frau überfahren. Im Hintergrund hört sie eine aufgelöste Person weinen, scheinbar die Enkelin. Frau S. ist schockiert, zumal die Enkelin laut anrufendem Staatsanwalt die sofortige Inhaftierung erwartet.

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Doch „Polizist“ und „Staatsanwalt“, zwischen denen die Frau S. hin- und her verbunden wird, kennen eine „Lösung“: 20 000-Euro-Kaution – und die Enkelin bliebe auf freiem Fuß. Allerdings müsse sofort gezahlt werden, und reden dürfe Frau S. keinesfalls über den Vorfall. Frau S. ist überrumpelt – und zahlt.

Laut Polizeipräsidium Oberfranken hat sich dieser Fall (mit geändertem Namen) am 28. Juli im Landkreis Hof abgespielt – und solche Fälle häufen sich: Demnach hat es 2020 im Regierungsbezirk 40 Schockanrufe gegeben, im Vorjahr waren es bereits 693. „Und rund 150 dieser Anrufe waren ,erfolgreich’ – die Schadenssumme beträgt rund 800 000 Euro“, sagt Katrin Kneidinger, die Präventionsbeauftragte der oberfränkischen Polizei. Die Zahl der Opfer und die Höhe des Schadens dürften höher liegen, da manche Anzeige bei der Polizei aus Scham unterbleibe. Zur Wahrheit gehört auch, dass viele der Geschädigten ältere Semester sind und dass Oberfranken nun mal ein hohes Durchschnittsalter aufweist.

Fakt ist: Die Telefonbetrüger überziehen die oberfränkischen Kommunen weiterhin mit ihren dreisten Attacken. Nach Erkenntnissen der Polizei handelt es sich um Banden, also um organisierte Kriminalität – ausgeführt von Leuten, die perfekt Deutsch sprechen, und von Callcentern im (südosteuropäischen) Ausland aus agieren. Weil viele der Angerufenen sofort auflegen, haben die Telefonbetrüger oft keinen Erfolg. Doch in Einzelfällen erbeuten sie hohe Summen.

Neben dem Schockanruf oder „Enkeltrick“ setzen die Betrüger auf Gewinnversprechen (Sie haben 8000 Euro gewonnen!“) oder geben sich als falsche Amtsträger aus („Hier spricht die Polizei: In Ihrer Straße wurden Einbrecher festgenommen“). „Immer handelt es sich um Betrug, immer geht es darum, unbescholtenen Menschen ihr sauer verdientes Geld abzunehmen“, sagt Kriminaldirektor Jürgen Schlee, Chef der Kriminalpolizeiinspektion Hof. Nach seinen Worten gelingt es den Tätern durch geschickte Gesprächsführung, ihr Gegenüber in eine psychische Ausnahmesituation zu versetzen.

Das funktioniere ebenfalls bei der neuesten Masche, dem WhatsApp-Betrug. Hier ein Beispiel, wie die Betrüger einen solchen Nachrichtenwechsel anleiern:

Die vermeintliche Tochter schreibt per Messenger-Dienst an die Mutter: „Ich habe eine neue Handynummer. Die alte kannst du löschen.“ Mutter fragt: „Wie geht es Dir?“ Tochter: „Nicht so gut. Ich habe Bauch- und Kopfschmerzen. Ich bin daheim. Kannst Du mir einen Gefallen tun?“ Mutter: „Natürlich.“Tochter: „Ich kann mich mit meinem Telefon gerade nicht bei der Bank einloggen. Kannst Du eine Rechnung von 650 Euro für mich überweisen. Ich schicke Dir die Bankverbindungsdaten.“ Mutter: „Ich mache das!“

Laut Kriminaldirektor Schlee ist auch in diesem Fall das Geld weg. „Unser Ansatz ist es deshalb, den Tunnelblick der Opfer im entscheidenden Moment zu weiten – durch kleine Aufsteller, die neben dem eigenen Telefon stehen können.“ Solche Aufsteller gibt es in jeder Dienststelle der oberfränkischen Polizei. Nach einer ersten Kooperation der Kripo Coburg mit dem Landratsamt Kronach und dazugehörigen Kommunen sichert nun die Oberbürgermeisterin von Hof, Eva Döhla, ihre Unterstützung zu. „Das sind niederträchtige Betrügereien – aber man kann was dagegen tun?“, sagte sie gestern in einem Pressegespräch gemeinsam mit Vertretern der Polizei, bei der die Aufsteller und Info-Flyer präsentiert wurden. Die Verantwortlichen hoffen, dass viele Städte, Märkte und Gemeinden Oberfrankens diese „Instrumente für die eigenen vier Wände“ verteilen – zum Mitnehmen aus den Verwaltungen oder als Beilage in den Amtsblättern.

Im vergangenen Jahr hatte die Polizei Banken mit Kuverts ausgestattet – für größere Geldbeträge. Der Aufdruck warnte vor Übergabe des Geldes an Dritte, bei denen es sich um Betrüger handeln könnte. Zehn Betrügereien seien dadurch verhindert worden. Nach eigener Aussage will die Polizei auch in den sozialen Netzwerken aktiv werden, um die Jugend zu erreichen. Die Aktion heißt: #NichtMit MeinemOpa/MeinerOma.

Die Polizei wird nach den Ferien zudem Schulen besuchen, um die Schüler für das Thema zu interessieren. „Die Jungen und Mädchen haben eine Verantwortung für ihre Großeltern“, sagt Präventionspolizistin Kneidinger. „Ganz praktisch gesehen: Es geht auch um ihr Erbe.“