Die alleinerziehende Mutter verließ die Heimat und die große erweiterte Familie, die sie jahrelang finanziell und tatkräftig unterstützt hatte. In München hat sie einen Arzt gefunden, der Magomed behandelt. Vor wenigen Monaten hat er ihn operiert und ihm einen Buckel auf dem Rücken entfernt. Einen zweiten hat Magomed noch vorne auf der Brust.
Echte Chancen, in Deutschland zu bleiben, hat die Familie trotz allem nicht: „Krankheit ist kein Asylgrund“, erklärt Sozialpädagogin Carolin Köppel von der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie Hochfranken. Sie kümmert sich schon seit längerer Zeit um die Familie. „Wegen einer medizinischen Behandlung kann eine freiwillige Rückkehr in das Heimatland nicht aufgeschoben werden.“ Denn auch vor Ort in Tschetschenien sei eine medizinische Behandlung gewährleistet, wenn auch nicht nach deutschen Standards.
Ständige Angst
Verschiedene Behörden unterstützen laut Köppel die Familie Achmadov im Rahmen der Gesetze und Verordnungen – etwa das Sozialamt, das bei Fragen zur medizinischen Behandlung von Magomed eingeschaltet war.
Zu der ständigen Sorge um die Gesundheit des Sohnes kommt also die Angst, jederzeit nach Hause geschickt werden zu können. Radima Achmadova befürchtet zudem, dass Magomed sich in der Enge der Unterkunft sich mit Corona anstecken könnte: „Sein Immunsystem ist geschwächt“, sagt sie.
Die Lebensbedingungen in der GU seien für einen schwerkranken Jungen unzumutbar: „In der Dusche und Toilette ist es dreckig und eiskalt. Magomed konnte sich schon zwei Wochen lang nicht duschen, weil wir nicht wollen, dass er sich erkältet“, berichtet die Mutter.
Auch die Gefahr, sich bei Mitbewohnern mit Covid-19 anzustecken, hängt wie ein Damoklesschwert über den Menschen. „Die Bedingungen sind unhygienisch“, sagt Amina Ismailova. „Alle fassen dieselbe Türklinke an, niemand trägt eine Maske.“
Dieser äußerst enge und unausweichliche Kontakt zu den Mitbewohnern im „Heim“ wirke sich negativ auf die psychische Gesundheit aus – „selbst auf die der starken und gesunden Menschen“. Für einen kranken Jungen sei das Leben in der Unterkunft eine Qual. Nicht zuletzt der Weg zur Schule ist für den zwölfjährigen Fünftklässler eine Herausforderung. Unterwegs muss er Pausen machen – oder er verpasst den Unterricht sogar komplett.
„Ich gehe gern zur Schule. Ich habe dort meine Freunde“, erzählt Magomed, der sich für eine Viertelstunde aus dem Bett gequält hat, um am Gespräch teilzunehmen.
Der Weg zur Schule ist eine Qual
Auf die Frage, wie es ihm gehe, winkt er ab: „Es geht schon.“ Dann legt er sich wieder ins Bett, er hat in der Nacht mal wieder schlecht geschlafen. Nachts plagen ihn oft Schmerzen. Denn sein Bett ist alt und unbequem und für den geschundenen Körper völlig ungeeignet. Weil er wegen der Schmerzen nachts oft unruhig ist und dadurch seine zwei kleineren Schwestern wachhält, gehen die Kinder unausgeschlafen zur Schule.
Die Mutter ist um den Sohn besorgt, gleichzeitig aber stolz auf ihn: „Er ist schlau und dolmetscht für mich, weil ich kein Deutsch kann“, sagt sie. Vor allem während der Quarantäne habe aber der Junge seine Freunde in der Schule vermisst, denn in der Asylunterkunft leben keine Jungs in seinem Alter. „Er langweilt sich, spielt Playstation mit Erwachsenen. Eigentlich will er nur noch nach Hause. Aber das geht nicht.“