Forschungsprojekt Historie der Sinti in Oberfranken im Fokus

red
An den Gräbern in Münchberg: Bürgermeister Christian Zuber (Zweiter von links), rechts daneben Regionalbischöfin Dorothea Greiner, Erich Schneeberger, Vorsitzender des Verbandes der Sinti und Roma; von rechts: Dekan Wolfgang Oertel, Egon Siebert, Pfarrer Martin Becher und der Geschäftsführer des Landesverbands, Markus Metz. Foto: /Dekanat

Auf dem Münchberger Friedhof befinden sich Gräber von Angehörigen der Sinti. Ein Besuch der Grabstätten war Teil eines Forschungsprojektes.

 
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Am südwestlichen Rand des Münchberger Friedhofs befinden sich zwölf aufwendig gestaltete Gräber: Hier sind Überlebende des Holocausts bestattet, die der nationalen Minderheit der deutschen Sinti angehörten. Über diese Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist in Münchberg und ganz Oberfranken kaum etwas bekannt. Nun hatten das Evangelische Bildungswerk (EBW) und die Kirchengemeinde Münchberg alle Interessierten dazu eingeladen, bei einem öffentlichen Rundgang diese Grabstätten zu besuchen. Darüber informiert eine Pressemitteilung von Dekan Wolfgang Oertel.

Rundgang auf dem Friedhof

Bei dem Treffen begrüßte Oertel über 30 Teilnehmer. Er machte die Wichtigkeit der Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit für die Schuld an den Sinti und Roma deutlich.

Den Rundgang begleitete Egon Siebert. Er ist der frühere Vorsitzende des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Bayern, und informierte über die hier Bestatteten. Unter den Verstorbenen befinden sich auch einige seiner Angehörigen, und so konnte er auf sehr einfühlsame Weise über das Leben und die Verfolgungsschicksale der Familien berichten. Markus Metz, langjähriger Mitarbeiter des Landesverbandes, ergänzte Sieberts Ausführungen. Metz hatte unter anderem die Entschädigungsverfahren einiger der Familien begleitet.

Auch etliche Teilnehmer steuerten immer wieder Erzählungen bei, da die Verstorbenen oder deren Nachkommen vielen Münchbergern präsent waren, sei es als Nachbarn oder als bekannter Musiker. Es gab viele interessierte Nachfragen, die Siebert und Metz gerne beantworteten.

Gespräch im Gemeindehaus

Im Anschluss folgten viele der Zuhörer der Einladung ins evangelische Gemeindehaus. Dort fand der zweite Teil der Veranstaltung statt in Form eines Gesprächs mit den beiden Projektmitarbeitern Nicole Janka (Evangelisches Bildungs- und Tagungszentrum Bad Alexandersbad, EBZ) und Thomas Höhne (Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Bayern). Moderator war Martin Becher, Geschäftsführer des Bayerischen Bündnisses für Toleranz mit Sitz am EBZ Bad Alexandersbad. Die historische Bedeutung des Münchberger Schützenhauses für die deutschen Sinti war für fast alle im Raum eine große Überraschung. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden mehrere Sinti-Familien, die in Münchberg lebten, beim Schützenhaus „festgeschrieben“, das heißt, sie durften den Ort nicht mehr verlassen. Im Jahr 1943 wurden sie vom Schützenhaus über Nürnberg nach Auschwitz deportiert und fanden dort bis auf wenige Überlebende den Tod. Im nächsten Jahr jährt sich das Ereignis zum 80. Mal.

Projekt „Antiziganismus in Oberfranken – Aufarbeiten, Gedenken und Vermitteln“

In einem mehrjährigen Kooperationsprojekt des Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrums (EBZ) Bad Alexandersbad und des Verbands der Deutschen Sinti und Roma, Landesverband Bayern, soll neben der Münchberger Historie auch die der Orte Rattelsdorf, Bad Berneck und der Zigeunermühle bei Weißenstadt erforscht werden. Die beiden letztgenannten Orte beziehen sich auf antiziganistische Vorfälle, die bereits in der Frühen Neuzeit stattfanden. Der Name „Zigeunermühle“ lässt sich beispielsweise auf das Jahr 1632 zurückführen, in dem mehrere Menschen vor den Toren von Weißenstadt ermordet wurden.

Exemplarisch wurden diese vier Orte in Oberfranken ausgewählt, da in ihnen bisher nicht oder nur unzureichend an die Geschehnisse erinnert wird. Über eine zeitgemäße und partizipative Auseinandersetzung mit der Verfolgungsgeschichte von Sinti und Roma soll ein Wandel der regionalen Erinnerungskultur herbeigeführt werden. Das Vorhaben steht unter den Maximen „Aufarbeiten, Gedenken und Vermitteln“.

„Aufarbeiten“: Dies bezeichnet die Erforschung der Vorfälle durch qualifizierte Historiker, vor allem unterstützt durch das Institut für fränkische Landesgeschichte in Thurnau.

„Gedenken“: Das Gedenken als Aufgabe bedeutet, die Erinnerung an die Opfer zu bewahren. Im Vordergrund steht die Errichtung von Gedenkzeichen für die im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma. Durch öffentliche Markierungen und Infotafeln soll darüber hinausgehend auch über antiziganistische Verbrechen in der Frühen Neuzeit informiert und aufgeklärt werden.

„Vermitteln“: Das Vermitteln geschieht durch projektbegleitende Bildungsformate, vor allem auch in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort.

Begleitet wird das Projekt durch einen Projektbeirat, in dem unter anderem Regionalbischöfin Dorothea Greiner und der Münchberger Bürgermeister Christian Zuber vertreten sind sowie Bezirksheimatpfleger Günter Dippold.

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