Zugleich arbeite man im Justizministerium an Plänen zur vorzeitigen Entlassung von Häftlingen, berichtete die „Times“ weiter. Beginnen könnten diese Freilassungen „nächste Woche schon“.
Die Regierung wolle dieses Wochenende außerdem neue Richtlinien erstellen, die dazu führen sollen, dass Strafen von weniger als einem Jahr Haft seltener verhängt und die Betreffenden stattdessen zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden. Das würde zum Beispiel Personen den Gang ins Gefängnis ersparen, die wegen Diebstahls, Drogenhandels, Autofahrens in betrunkenem Zustand oder Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt wurden.
Die Opposition attackiert den Justizminister
Oppositionspolitiker zeigten sich entrüstet über die angeblichen Pläne. „Das Gefängniswesen ist in komplettem Chaos“, erklärte die Labour Party. Die Regierung selbst wehrt sich wiederum gegen den Vorwurf, das Problem seit Jahren ignoriert zu haben. Justizminister Chalk macht seinerseits die Covid-Pandemie und den jüngsten Anwaltsstreik für die „schwere Belastung“ der Gefängnisse verantwortlich.
Tatsächlich war die Zahl der Insassen aber schon vor Beginn der Pandemie dramatisch gestiegen. Die Zahl der Untersuchungshäftlinge ist so groß, weil die Justiz nicht mit den anstehenden Verhandlungen nicht nachkommt. Der Verband der Gefängnisdirektoren sieht ein zusätzliches Problem im Verhalten einer Regierung, die Strafen seit Jahren immer mehr verschärft und verlängert habe, um in der Öffentlichkeit Härte zu demonstrieren.
Gefängnisgebäude sind in marodem Zustand
Ebenfalls in Erinnerung gebracht hat die neue Krise den teils katastrophalen Zustand vieler Gefängnisse in Wales und in England. Ein Fünftel aller Gefangenen ist in völlig überfüllten Anstalten untergebracht. Im Gefängnis Wandsworth in Süd-London zum Beispiel sollten höchstens 900 Gefangene untergebracht sein. Tatsächlich sind es jetzt aber 1600. Das Gefängnis Pentonville in Nord-London war einmal für 450 Gefangene gebaut worden. Dort sitzen inzwischen 1200 hinter Gittern.
Von Ratten, bröckelndem Beton und akutem Mangel an Wachpersonal berichtet die Aufsichtsbehörde für Gefängnisse, von denen viele noch aus viktorianischen Zeiten stammen. Erst im Vormonat hatte Charlie Taylor, der Chef-Inspekteur für Gefängnisse, erklärt, jedes zehnte englische Gefängnis sei „völlig ungeeignet“ und „sollte geschlossen werden“. Dieses Jahr hatte deshalb ein Gericht in Karlsruhe sich geweigert, der Auslieferung eines Untersuchungshäftlings nach England zuzustimmen.