Gregor Gysi in Hof Charmeoffensive für den Frieden

Gregor Gysi spricht am Dienstagabend am Hofer Kugelbrunnen. Ukraine-Krieg, Rüstungspolitik, soziale Gerechtigkeit – in einer straffen Rede mit rhetorischer Wucht präsentiert das linke Urgestein bekannte Standpunkte.

 
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„Dieser demütigende Vorgang, das Mikro herunterzustellen.“ Wohlwollendes Lachen. Nach einem Satz hat er seine knapp 100 Zuhörer. Gregor Gysi, 74, Linke-Abgeordneter im Bundestag, hat am Dienstagabend am Hofer Kugelbrunnen gesprochen. In seiner Partei in die zweite Reihe getreten, präsentiert er sich rhetorisch weiter brillant wie inhaltlich engagiert. 25 Minuten gewährt der Grande linker Politik in Deutschland dem Kreisverband Oberfranken Ost um den Vorsitzenden Janson Damasceno da Costa e Silva , der zu dieser Kundgebung vor dem eigentlichen Termin in der Freiheitshalle eingeladen hat: Dort wird Gregor Gysi zwei Stunden später aus seiner Autobiografie lesen.

Eine maßgeschneiderte Rede hat „der Gregor“, wie ihn die Umstehenden nennen, nicht nach Hof mitgebracht. Übel nimmt ihm das freilich niemand, auch nicht als Gysi „den Hofer Oberbürgermeister“ erwähnt. Ein „Woohoo“ ist das Echo, nachdem der letzte Satz verklungen ist. Hauptsache, Gysi ist da und unterstützt den Kreisverband. Und das tut er mit bekannten Positionen: die Fehler der NATO in den letzten Jahrzehnten, die Putins Krieg gegen die Ukraine jedoch keineswegs legitimierten, die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand, die Rückkehr zur Diplomatie und einer neuen Friedensordnung – alles nichts Neues. Und doch: Dem Rhetoriker Gysi kann sich kaum einer entziehen. So plaudert, wettert und charmebolzt sich der Berliner im dunklen Wintermantel durch seinen Vortrag, den er längst nicht mehr ablesen muss. Spontanes mischt sich homogen unter. Janson Damasceno wird später zufrieden sein. Ein typischer Gysi-Auftritt. Geliefert wie bestellt.

Die Bundesregierung nimmt er sich mit großem Genuss und rednerischer Finesse vor. Die Logik hinter der Aufrüstung verstehe er nicht, denn: Wenn Schweden und Finnland den Weg in die NATO suchen, um nicht von Russland angegriffen werden zu können, dann braucht es keine Aufrüstung. Schließlich träte auch dann der Bündnisfall ein, wenn Deutschland angegriffen würde. „Und bei einem Dritten Weltkrieg bleibt doch sowieso nichts von uns übrig. Da müssen wir nicht vorher noch die 100 Milliarden verplempern.“

Die linken Themen, sie liegen in diesen Zeiten auf der Straße. Bislang aber konnte Die Linke davon nicht merklich profitieren und an Bedeutung gewinnen. Unglücklich, dass seine Partei gerade „nicht im besten Zustand ist“, wie Gysi einräumt. Aber, er wolle „zusammen mit Sahra“, deutlich betont, den Weg aus dieser Krise finden und die Partei stabilisieren. Wie, das sagt er an diesem Dienstag nicht.

Wenig Verständnis bringt Gysi für Klimaaktivisten auf, die sich an alles Mögliche klebten. Selbst ist er nicht mit der Bahn angereist, wie er es sich eigentlich grundsätzlich vorgenommen hatte. „Ich komme aus Frankfurt an der Oder. Da ist die Verbindung viel zu kompliziert“, sagt Gysi später am Rande der Veranstaltung. Er ist in Hof und der hiesigen ÖPNV-Realität angekommen.

„Menschen entlasten. Preise deckeln. Übergewinne besteuern“, so die Überschrift für die Kundgebung. Gysi widmet sich dem kurz. So solle die Bundesregierung lieber die Übergewinnsteuer von den Unternehmen abschöpfen, um denen zu helfen, die das Geld brauchen. Und die Bürger? Die sollen protestieren gehen, wenn sie nicht mehr bezahlen können. „Das Land ist reich genug.“

Apropos Protest: Als Politiker, der seit Jahrzehnten dafür kämpft, dass sich Ost und West in Deutschland auf allen Ebenen annähern, ist Gregor Gysi ein Experte für all die vielen Befindlichkeiten, die das Verhältnis zwischen „drüben“ und „hier“ nach wie vor trüben. Eine Sache aber kann auch er sich nicht erklären: „Warum wähnen sich so viele Menschen aus dem Osten Deutschlands heute in einer Diktatur? Das verstehe ich auch nicht“, sagt Gysi. Das, was den Betreffenden aufstoße, seien eher Störungen der Demokratie. „Die haben vergessen, wie es in einer Diktatur zugeht.“

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