„Wichtig dabei ist, dass man sich einen ruhigen Moment dafür sucht und sich als Kind klarmacht: Meine Eltern haben damals auch versucht, das alles so gut wie möglich hinzukriegen“, sagt Birgit Ertl. Dass dabei auch mal Fehler passieren würden, sei ganz normal. „Hier sehe ich auch eine große Chance von Großeltern, den eigenen Kindern den Druck zu nehmen, den es heute gibt, immer alles richtig machen zu müssen“, so Ertl. Mit einer größeren Lebenserfahrung zeige sich, dass das ohnehin nicht möglich sei. „Großeltern haben die Möglichkeit, mehr Ruhe und Gelassenheit in eine Familie zu bringen“, sagt Birgit Ertl.
„Früher hätte es das nicht gegeben!“
Umgekehrt stellen aber auch die Großeltern nicht selten den Erziehungsstil ihrer Kinder infrage. „Die Kompetenz und die Verantwortung dafür liegt eindeutig bei den Eltern des Kindes“, sagt Birgit Ertl. Und man kann es ihnen auch bei Erziehungsfragen nicht abnehmen, ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln.
François Höpflinger beobachtet aber, dass Werteunterschiede in der Erziehung zwischen Jung und Alt oft gar nicht so groß seien, wie viele es annehmen würden, und autoritäre Erziehungsstile weitgehend verschwunden seien. „Viele ältere Menschen sind heute sehr offen, auch neue Werte anzunehmen, wenn sie dies in der Familie erleben“, sagt François Höpflinger.
„Könnt ihr heute vielleicht die Kinder nehmen?“
„Vielen Großeltern fällt es schwer, auf diese Frage auch mal mit ,Nein‘ zu antworten“, beobachtet Birgit Ertl. Für viele Kinder sei es selbstverständlich, dass ihre Eltern für sie immer da seien. Viele Großeltern wiederum hätten ein schlechtes Gewissen, wenn ihnen der Kaffeeklatsch mit der Freundin oder der Kinobesuch wichtiger sei als in dieser Zeit die Enkel zu betreuen.
„Wenn Großeltern regelmäßig in die Betreuung eingebunden werden sollen, ist es aber ganz wichtig darüber zu reden, in welchem Umfang das passiert“, sagt Birgit Ertl. Und dass Großeltern auch klar signalisieren: Das und das kann ich leisten – und das kann und möchte ich nicht. François Höpflinger verweist auf Studien, die zeigen, dass es sich negativ auf die psychische Gesundheit von Großeltern auswirkt, wenn diese mehr als zweimal pro Woche fix in die Betreuung von Enkelkindern eingeplant sind.
„Grundsätzlich aber fühlen sich Großeltern, die sich um ihre Enkelkinder kümmern, mindestens zwei Jahre jünger, als sie tatsächlich sind. Auch dazu gibt es Studien“, sagt François Höpflinger. Und kennt auch das Gegenteil, nämlich dass es Familien gibt, in denen Großeltern gern mehr beitragen würden.
Info
Umgangsrechte Großeltern
In manchen Familien führen Streit oder Scheidung dazu, dass Oma und Opa keinen Kontakt mehr zu ihren Enkelkindern haben dürfen. Im Familienrecht gibt es das so genannte Umgangsrecht. Es sieht nicht nur einen Kontakt zu den Eltern für das Kind vor, sondern auch für Verwandte oder andere Personen, die in einer engen sozial-familiären Beziehung zum Kind stehen. Dient der Umgang mit den Großeltern eindeutig dem Kindswohl, haben diese ein Recht darauf, welches sie vor dem örtlichen Familiengericht auch einklagen können. Herrscht aber beispielsweise ein Streit zwischen Eltern und Großeltern, der das Kind in Loyalitätskonflikte bringen würde, wäre dies ein Grund, das Umgangsrecht zu verweigern. MAR