Grundsteuer Eine Reform mit Sprengkraft

Christopher Michael
Je nach Größe der Wohnfläche kann es mitunter teuer werden. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Grundstücksbesitzer erhalten demnächst Post vom Finanzministerium: Anlass ist die Grundsteuerreform. Entgegen anderslautender Beteuerungen aus der Politik kann es für einige Bürger teurer werden.

 
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München/Berlin - Das Jahr schreibt sich 1964: Martin Luther King erhält den Friedens-Nobelpreis, Nikita Chruschtschow wird als Parteiführer der Kommunistischen Partei in der Sowjetunion abgesetzt und die Beatles stehen mit fünf Singles auf den Plätzen eins bis fünf der US-Charts. Gefühlte Äonen ist das her.

Und es ist das Jahr, in dem in der Bundesrepublik Deutschland zum letzten Mal die Immobilienwerte aller Grundstücke ermittelt wurden, um darauf aufbauend die anfallende Grundsteuer zu bemessen. Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR reicht der Zeitpunkt der letzten Feststellung sogar zurück bis ins Dritte Reich – zum 1. Januar 1935, als das einheitliche Grundsteuerrecht eingeführt wurde.

Seither ist nicht nur weltgeschichtlich viel passiert, sondern auch die Immobilienwerte haben sich stark verändert. Zu stark, um diese noch als Basis für die heutige Grundsteuerberechnung heranzuziehen, beschied zuletzt das Bundesverfassungsgericht 2018 in einem wegweisenden Urteil. Eigentlich hätten diese sogenannten Einheitswerte in einem Turnus von sechs Jahren neu berechnet werden sollen, um darin auch die gestiegenen Preise für ortsübliche Vergleichsmieten mit zu berücksichtigen, weil damit auch der fiktive Wert des Grundstücks gestiegen wäre, wie der Bund der Steuerzahler (BdSt) dazu erklärt. Doch der Zweite Weltkrieg und dessen Nachwehen veränderten alles.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts musste sich der Bund daraufhin daranmachen, ein neues, Modell zu entwerfen. Jedoch nicht, ohne den Ländern die Möglichkeit zu geben, eigene Modelle für die Erhebung der Grundsteuer zu entwerfen und zu nutzen.

„Es ist wie ein Glaubenskrieg“, sagt ein Experte, der seit Jahren mit dem Thema Grundsteuerreform betraut ist, im Gespräch mit unserer Zeitung. Während sich der Bund für ein sogenanntes wertbasiertes Modell entschieden hat, bei dem es einen Unterschied macht, in welcher Lage ein Grundstück ist und wie wertvoll es ist, hat sich Bayern für ein extrem vereinfachtes Modell entschieden. Angaben zur Fläche von Grund und Boden, sowie zu Wohnfläche und Nutzfläche (bei gewerblich genutzten Grundstücken) reichen bei diesem sogenannten Flächenmodell. Der Bund der Steuerzahler sieht die Akzeptanz einer Steuer beim Bürger umso höher, je transparenter sie ist.

Das bayerische Modell kann jedoch dazu führen, dass einzelne Bürger künftig mehr bezahlen müssen, andere wiederum weniger. „Verschiebungen der Grundsteuerhöhe zwischen einzelnen Grundstücken innerhalb einer Gemeinde sind, wie in jedem Modell, unvermeidlich und unmittelbarer Ausfluss der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, teilt dazu das bayerische Finanzministerium mit. „Große Grundstücke mit großen Gebäuden werden beim Flächenmodell entsprechend mehr kosten als zum Beispiel ein kleiner Bungalow oder ein kleines Grundstück“, heißt es dazu weiter. Höhere Grundsteuern können durch Umlagen jedoch auch zu teureren Mieten führen. Und der Finanzreferent des bayerischen Gemeindetages, Hans-Peter Mayer, sieht in zusätzlichen Ermäßigungsmöglichkeiten für Baudenkmäler, Hofstellen oder geförderten Wohnungsbau weitere Schwierigkeiten auf die Gemeinden zukommen. Für die kann nämlich der Hebesatz reduziert werden.

Das Flächenmodell basiere auf dem Gedanken, dass ein Grundstück umso mehr Aufwand für die öffentlichen Leistungen der Gemeinde verursache, je größer es ist, schreibt das bayerische Finanzministerium hierzu auf Anfrage mit. „Der Wert eines Gebäudes hat hingegen keinerlei Auswirkung darauf, in welchem Umfang die Infrastrukturleistungen der Gemeinde in Anspruch genommen werden.“ Der Bund der Steuerzahler hat über die vergangenen Jahre jedoch auch feststellen müssen, dass Gemeinden ihre Hebesätze vielfach weniger danach gerichtet hätten, wie eine gerechte Steuerverteilung aussehe, sondern hätten diese überproportional erhöht um die Haushalte aufzubessern.

Besonders bei der Opposition war die Kritik am bayerischen Modell bei Verabschiedung im November vergangenen Jahres groß. „Der Zweck der Einnahmenerzielung wird erfüllt, aber von sozialem Ausgleich oder einer Lenkungswirkung ist weit und breit keine Spur“, sagte der Vize-Fraktionschef der Grünen im Landtag, Tim Pargent. „Das bayerische Flächenmodell ist steuerpolitische Arbeitsverweigerung.“

Und Harald Güller (SPD) kritisierte: „Die Lasten werden so verteilt, dass die heutigen Eigentümer von hervorragend gelegenen Villengrundstücken mit Neubauten entlastet werden und die Zeche im Kern die Mieterinnen und Mieter in den Arbeitervierteln und in größeren unsanierten Wohnblöcken in unattraktiver Lage zahlen“, sagte er im Landtag.

Die FDP wiederum warnte vor Steuererhöhungen durch die Grundsteuerreform, wie Helmut Kaltenhauser sagte. „Ich mag fast Wetten eingehen, dass der eine oder andere Bürgermeister und die eine oder andere Kommunalverwaltung der Versuchung nicht widerstehen kann, bei dieser Gelegenheit in der Summe doch eine Steuererhöhung zu machen.“

Die AfD wiederum sah eine verstrichene Chance, „um die Grundsteuer ein für alle Mal komplett abzuschaffen“ und Gemeinden und Landkreise eins zu eins zu kompensieren, wie ihr Abgeordneter Uli Henkel sagte.

Es ist gut möglich, dass in Sachen Grundsteuerreform in Bayern noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Grünen-Abgeordneter Tim Pargent sieht „einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung“. „Mal schauen, ob es den Verfassungsgerichtshof noch beschäftigt“, warnte er mit Blick auf Bayerns oberstes Verfassungsorgan.

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