Heimatbühne Selb Esoteriker und der Oberbürgermeister

Silke Meier

Bei der Heimatbühne geht es um einen Brunnen mit magischen Kräften, gesunde Ernährung und viel Verwirrung. Auch Ulrich Pötzsch hat seinen Einsatz.

 
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Zwischen Halloween und dem November-Vollmond huschen der Herr Pfarrer und die Pfarrsekretärin in schauriger Nacht über die Bühnen im Rosenthal-Theater. Mit der Taschenlampe funzeln die zwei um den Heiligen Gral, einen ortsüblichen Dorfbrunnen, dem magische Kräfte nachgesagt werden. Und dann, potz Blitz, erscheint im weißen Gewand das Nachtgespenst: die tot geglaubte Hildegard. Ganz klar: Die Schauspieler der Heimatbühne Selb haben das Rosenthal-Theater und das Selber Publikum nach der erzwungenen Pandemie-Pause zurückerobert.

Eingebüßt haben die temperamentvollen Charaktere und begeisterten Schauspieler während der Corona-Zeit rein gar nichts. Präsenz, Spielfreude, Wortwitz, Charme und Raffinesse: alles punktgenau abrufbar und so gut wie eh und je – sehr zur Freude der zahlreichen Besucher im gut besuchten Haus. Spontaner Szenenapplaus und Lachsalven waren dem Ensemble mehrfach sicher.

Aber der Reihe nach: „Fauler Zauber“, eine Komödie in drei Akten von Christian Ziegler, beginnt wie so viele Laientheaterstücke. Eine Tür geht auf und herein kommt Tochter Sarah (Iris Ortmann), fröhlich singend und mit einem üppigen Frühstückstablett mit frischen Semmeln, heißem Kaffee und einer üppigen Wurstplatte.

Reiswaffeln

Und für Oma Hildegard (Heidi Sailer) gibt es, auch wenn es schlecht für das Herz ist, eine extra Portion Nuss-Nugat-Creme. Grund des ausschweifenden Frühstücks ist folgender: Mutter Lydia (Betina Klerner) ist auf einem Esoterik-Seminar. Kommt sie zurück, ist es vorbei mit der Schlemmerei. Dann werden wieder Reiswaffeln gereicht. „Gei mer weg mit dean Styrobor-Zeich!“ schimpft Oma Hildegard. „Ich wüll frühstücken und niad es Doch decken!“ Elemente-Küche nach Sternzeichen – das ist auch für Lydias Ehemann Hartmut (Gerhard Kiesl) und Tochter Sarah nichts.

Natürlich – wie sollte es anders sein – kommt Lydia früher vom Seminar zurück. Klerner säuselt mit ihrem Herrn Professor, frotzelt mit der Familie über die Ess- und Lebensgewohnheiten und keift mit Schwiegermutter Hildegard. Die Frühstücksschwelgereien sind noch im vollen Gange und, o Wunder, der Herr Professor (Sascha Wunderlich) und Assistentin (Nadja Krannich) kommen gleich mit. Wunderlich brilliert durchgehend mit tschechischem Akzent. Krannich tänzelt mit Blumenkranz im Haar lebensfroh über die Bühne.

Ungeahnte Folgen

Am Brunnen, dem Lieblingsort von Hartmut, wollen die Esoterik-Profis eine Energie-Ader ausmachen. Und während Hartmut im Liegestuhl sitzt und liest, pendeln der Professor und die Assistentin nach der Energie. Mit einem ungeahnten Nebeneffekt: Die Hypnose wirkt bei Hartmut sofort. Zweite Nebenwirkung: Schüttelfrost.

Ab dieser Szene spielt Gerhard Kiesl in dicken Winterklamotten den Dauerfröstelnden. Er zittert und bibbert durchgehend und liefert dabei eine großartige schauspielerische Leistung.

Abhilfe soll ein kräftiger Schluck Brunnenwasser schaffen, dessen magische Kräfte mit präparierten Laborversuchen nachgewiesen werden. Alle, bis auf Oma Hildegard, fallen auf den faulen Zauber herein. Der Bürgermeister (Dieter Sailer) und der Architekt (Alexander Rossmeisl) wittern die große Chance für die Stadt. Vielleicht gibt es bald schon ein „Bad Selb“ munkelt der Bürgermeister. „Und wenn niat, no kimma mit dean Geld wengstns wieda na Storg aufbaua.“ Und, so der Bühnen-Bürgermeister auf der Bühne: „Na Uli sei Wiederwahl kennts fei a sichern!“

Pfarrer mit dabei

Auch die kirchliche Seite mit dem Herrn Pfarrer (Robert Roth) und Pfarrgemeinderatsvorsitzender (Antje Heindl) versuchen, mutmaßliche Rechte an der mystischen Quelle geltend zu machen. Einträge in historischen Kirchenbüchern und unlängst vergrabene Knochenreste könnten eventuell weiterhelfen. Herrlich spielen Gemeinderatsvorsitzende Heiderose, genannt „Sumpfdotterblume“ und Hochwürden den Kleriker. Hinzu kommt Gastwirtin (Martina Partenfelder), die zuständig ist für die Brotzeiten. Und die auch ganz genau weiß, „dass bald alle wieder motzen wern“. „Alle“ sagt sie und fuchtelt mit dem Finger einmal über die Zuschauer.

Unter ihnen sitzt auch der echte Oberbürgermeister. Ulrich Pötzsch wird später im Komplott mit Sarah auf die Bühne gerufen, um bei Oma Hildegard den Puls zu fühlen, und sie dann als vermeintlich verstorben zu erklären. Dann beginnt der spaßig-gruselige Spuk und steigert sich zum Finale – alles klärt sich auf.

Zweieinhalb Stunden boten die Schauspieler handfesten Humor und begeisterten ihr Publikum.

Das Stück „Fauler Zauber“ führt die Heimatbühne am Samstag, 19. November, um 19.30 Uhr ein zweites Mal im Rosenthal- Theater auf.

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