Helfer Viele Erfolge, aber auch Niederlagen

Christl Schemm
Sie führen künftig den Verein „Zuflucht Selb“ (von links): Schriftführerin Irene Pohl, die neue Vorsitzende Hella Völker, ihre Stellvertreterin Andrea Bachmann-Jung und Kassier Thomas Fischer. Der bisherige Vorsitzende Dieter Baumgärtel hatte nicht mehr für das Amt kandidiert, ist aber als Beisitzer weiter im Vorstand vertreten. Foto: /Christl Schemm

Dieter Baumgärtel von „Zuflucht Selb“ berichtet über Schicksale geflüchteter Menschen. Hella Völker löst ihn als Vorsitzenden des Vereins ab.

 
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Selb - Seit fünf Jahren war Dieter Baumgärtel der erste Ansprechpartner bei „Zuflucht Selb“. Nun gibt es einen Wechsel an der Spitze des Flüchtlingshelfervereins: Bei der Jahreshauptversammlung wählten die anwesenden Mitglieder die bisherige zweite Vorsitzende Hella Völker zur neuen Vereins-Chefin. Ihre Stellvertreterin ist Andrea Bachmann-Jung. Schriftführerin bleibt Irene Pohl, Kassier Thomas Fischer.

Baumgärtel hatte nicht mehr für den Posten des Vorsitzenden kandidiert. Er bleibt dem Verein aber als Beisitzer erhalten. Zum Abschied des Vorsitzenden gab es jede Menge lobende Worte. Hella Völker dankte Baumgärtel für sein „riesengroßes Engagement und riesengroßes Herz“. „Du bist ein Kämpfer bis zum Anschlag“, würdigte sie die Einsatzbereitschaft ihres Vorgängers. Besonders die Kinder seien Baumgärtel immer sehr am Herzen gelegen. „Wir haben viele Siege erfochten, aber auch viele schmerzliche Niederlagen einstecken müssen“, blickte Völker auf die gemeinsame Zeit zurück. Auch Andrea Bachmann-Jung dankte Baumgärtel für dessen „unermüdliche Arbeit“. Er habe viel mehr Kontakt zu den Geflüchteten als alle anderen Mitglieder und zudem die praktische Arbeit im Verein getragen.

Kritik an bürokratischen Hürden

In seinem letzten Bericht als Vorsitzender gab Dieter Baumgärtel viel Lob an seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter zurück, sparte jedoch nicht mit der Kritik an bürokratischen Hürden, denen die geflüchteten Menschen und der Helferverein immer wieder gegenüberstünden. Namentlich mit den Entscheidungen der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) in Bayreuth sei der Verein oft nicht einverstanden.

Eindringlich schilderte der scheidende Vorsitzende Schicksale einzelner Geflüchteter. Zum Beispiel erinnerte er an einen Mann aus Afghanistan, der als Dolmetscher gearbeitet und die BOS-FOS besucht habe. Aus Angst davor, abgeschoben zu werden, sei er nach Frankreich weitergeflüchtet und dort als Asylberechtigter anerkannt worden. Die Geflüchteten wollten in Deutschland ohne Angst leben, hier lernen und arbeiten. „Die kommen nicht wegen des Geldes, obwohl dies manche Drecksäcke behaupten“, betonte er.

Darlehen pünktlich zurückgezahlt

Es gebe aber auch Erfolgsgeschichten. Der Ex-Vorsitzende erzählte von Geflüchteten, die Arbeit gefunden, Ausbildungen machten oder schon erfolgreich beendet hätten. „Einer hatte die beste Note von allen Berufsschülern in ganz Bayern“, freute sich Dieter Baumgärtel. „Solche Menschen liegen niemandem auf der Tasche, sondern geben unserer Gesellschaft zurück, was wir ihnen gegeben haben.“ Etliche Darlehen, die der Verein zum Beispiel für Führerscheine an Geflüchtete ausgegeben habe, seien pünktlich zurückbezahlt worden.

In der Zeit der Lockdowns hätten besonders die Kinder in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) in Selb-Erkersreuth sehr gelitten, aber auch die Erwachsenen, sagte Baumgärtel. Das Büro des Vereins sei geschlossen gewesen, sodass keine Beratungen vor Ort hätten stattfinden können. Da Deutschkurse und Schule ausfielen, es aber in der GU kein WLAN gibt, hätten Erwachsene wie Kinder ihre Aufgaben nur am Handy erledigen können. „Der Hausmeister hatte auch Corona, also waren die Flüchtlinge ganz alleine, eingesperrt, manchmal mit mehreren Personen in einem Zimmer.“ In der GU leben laut Baumgärtel zurzeit noch 20 Asylbewerber. Außerdem betreue der Verein mehrere Familien außerhalb der GU.

Abschiebeversuch eine „Ungeheuerlichkeit“

Während der Lockdowns habe sie von zu Hause aus gearbeitet, berichtete die neue Vorsitzende Hella Völker. Nun würden sie und der Verein zu neuen Ufern aufbrechen. Auch Völker erwähnte einen erfolgreichen jungen Mann. Er sei aus Albanien mit einem Arbeitsvisum wieder eingereist und werde jetzt ein Studium beginnen.

Als eine Ungeheuerlichkeit bezeichnete Udo Benker-Wienands den gescheiterten Versuch der ZAB Bayreuth, eine syrische Familie aus Selb nach Lettland abzuschieben (wir berichteten). „Hier wird Politik auf dem Rücken von Kindern ausgetragen. Da muss man sich schämen. Die CSU will immer die Familie hochhalten, dabei zerstört sie Familien“, schimpfte er. Würde die Familie abgeschoben, würde auch sehenden Auges ein junger Mann mit Ausbildungsstelle aus dem Land getrieben. Die ZAB Bayreuth sei in ihren Entscheidungen die „schärfste“ in ganz Bayern.

„Wir appellieren an alle, diese Entscheidung zurückzunehmen“, sagte Benker-Wienands in der Versammlung. Wie berichtet, hat die ZAB der Familie inzwischen eine Duldung in Aussicht gestellt.

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