Herbert Geisberger empfiehlt: Lieber Kaltgetränk als Handy

Oliver Opel
Das wars: Herbert Geisberger nahm mit der deutschen Oberliga-Meisterschaft und dem DEL2-Aufstieg seinen Abschied vom VER Selb. Foto: Mario Wiedel

Der 36-jährige Stürmer der Wölfe beendet seine Karriere. Er blickt auf eine erfolgreiche Zeit zurück – und gibt den jungen Spielern einen Rat mit auf ihren Weg.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Selb - Inoffiziell war es längst bekannt, jetzt hat es der VER Selb auch öffentlich gemacht: Hebert Geisberger geht in den Einshockey-Ruhestand. Schon in den vergangenen drei bis vier Spielzeiten hat der Familienrat von Jahr zu Jahr entschieden, ob noch eine Saison gehen würde. „Eigentlich war geplant, nach meiner letzten Saison bei den Blue Devils Weiden aufzuhören. Ich hatte sogar schon meine Schläger verteilt“, wird Geisberger in einer Pressemitteilung der Wölfe zitiert. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sich nochmals die Möglichkeit ergeben würde, für den VER Selb aufzulaufen. „Die Verpflichtung war eigentlich sehr unkompliziert“, sagt zweiter Vorsitzender Herbert Geisberger. „Herbert hatte keinen Agenten, verhandelte seine Verträge selbst und das war meist schon ein Erlebnis. Er hielt da schon mal eine 25-seitige PowerPoint-Präsentation ab und präsentierte sich da bis ins letzte Detail. Ich mach den Job ja schon sehr lange, aber das war für mich bis heute einmalig. Und wenn ich ehrlich bin, auch ein Stück beeindruckend.“

Perfekter Abschluss

Der Stürmer hat also gerne noch ein Jahr drangehängt. „Mit der Oberliga-Meisterschaft und dem Aufstieg in die DEL2 ist das nun ein perfekter Abschluss. Da war mir direkt nach dem entscheidenden Finalspiel klar: Das war’s.“ Der Stürmer selbst sieht sich nicht mehr in der DEL2, sagt von sich selbst, er sei dafür mittlerweile zu langsam. Dafür freut sich Geisberger schon auf die neu gewonnene Zeit: „Ich bin meiner Familie sehr dankbar, dass sie den Zirkus so lange mitgemacht und mich unterstützt hat. Mit zwei Jobs ist man während einer Saison kaum zu Hause. Ich freue mich sehr, nun mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Vielleicht machen wir einmal einen Winter-Urlaub, Verona soll ja im Februar traumhaft sein, oder wir fahren Weihnachten zur Oma. Womöglich lerne ich ein Instrument oder eine neue Fremdsprache.“

Lieber Kaltgetränk statt Handy

Nach vier gewonnenen Meistertiteln mit Rosenheim, Wolfsburg, Bietigheim und zuletzt Selb – gibt es denn etwas, was ein Herbert Geisberger heute anders gemacht hätte? „Natürlich weiß man es nachher meistens besser und man denkt, manche Station war nicht optimal. Aber im Großen und Ganzen hat das alles gepasst“, gibt sich der Mann mit der Nuller 23 zufrieden. In den letzten Jahren ist ihm trotz der Doppelbelastung ein fließender Übergang ins normale Berufsleben gelungen. Jungen Nachwuchscracks rät der Stürmer: „Sie sollten in der Kabine anstatt ihrer Handys lieber mal ein Kaltgetränk in die Hand nehmen und sich mit ihren Mannschaftskameraden unterhalten, anstatt im Internet zu surfen.“

Freundschaften fürs Leben

Und natürlich gab es auch besondere Momente mit den Selber Wölfen. „Beim VER hatte ich die schönsten und erfolgreichsten Jahre meiner Eishockey-Laufbahn. In meinen ersten Jahren hatten wir einen starken Mannschaftskern, der über einen langen Zeitraum zusammengeblieben ist. Das ist im Eishockey schon eine Besonderheit. Da sind auch einige Freundschaften fürs Leben entstanden. Wir haben uns von einem Außenseiter zu einem Oberliga-Favoriten entwickelt und auch schon paar Mal am Aufstieg gekratzt, haben unzählige Derby-Siege errungen und mussten bei einer Saisonabschlussfahrt vor wilden Longhorn-Büffeln in Pullman-City flüchten. Persönlich waren die Jahre mit Jared Mudryk und Kyle Piwowarczyk am erfolgreichsten. Dass wir alle drei die Marke von über 500 Punkten für den VER geknackt haben, ist schon außergewöhnlich. Und natürlich wird mir diese Meisterschaft in goldener Erinnerung bleiben.“

In Selb sesshaft geworden

Da die Geisbergers in Selb sesshaft wurden, wird man den gebürtigen Bad Aiblinger sicher auch weiterhin in der Netzsch-Arena sehen. „Ich werde mit meinen Mädels bestimmt beim öffentlichen Lauf versuchen, das Schlittschuhlaufen nicht zu verlernen. Mir wurde immer gesagt, ich hätte Defizite beim Rückwärtslaufen, daran kann ich nun arbeiten. Vermutlich werde ich mehr oder weniger regelmäßig bei den alten Herren mit hacken, um noch hin und wieder einen Hockeyschläger in die Hände zu bekommen. Dennis Schiener meinte, dort würde noch etwas Offensive-Raffinesse gebraucht werden.“ Auch als Kommentator bei den SpradeÜbertragungen könnte man ihn künftig ab und zu sehen und hören. „Das habe ich letzte Saison schon einmal während einer Verletzungspause mit Freude gemacht.“

Kulisse und Lärm fehlten

Die letzte Saison war irgendwie doch eine verrückte Saison. Einschränkungen hier, Auflagen da, Zuschauer fehlten: Wie sah ein Herbert Geisberger das alles? „Generell mussten wir uns, bei all den Einschränkungen sowie mit Kurzarbeit, Home-Office und Home-Schooling glücklich schätzen, dass wir in der Oberliga überhaupt eine volle Saison spielen konnten. Die ganze Zeit war für alle und besonders für die Kinder nicht leicht. Ich empfand es immer als Privileg, ins Stadion zu dürfen und den ganzen Corona-Frust auf dem Eis zu vergessen.“ Die Hygiene-Auflagen haben ihn da nicht besonders gestört, aber an die fehlende Fan-Kulisse mussten sich wohl alle erst gewöhnen. „Mir kam das zu Beginn immer wie ein Trainingsspiel vor. Ohne die Kulisse und den Lärm fehlt einfach die Intensität. Wir haben uns dann gegenseitig angetrieben und jedes Spiel versucht einen Grund zu finden, warum der jeweilige Gegner unbedingt bezwungen werden muss. Wir hatten da einfach die richtigen Führungsspieler und Charaktere in der Kabine. Klar wäre es traumhaft gewesen, eine so erfolgreiche Saison mit Zuschauern zu bestreiten. Mit den „Werdet zur Legende – Kämpfen bis zum Ende“-Gesängen wären da sicher einige Gänsehautmomente in den Playoffs gewesen.“

Abschiedsspiel?

Traurig ist Geisberger übrigens nicht, dass er ausgerechnet bei seinem Karriereende nun ohne Fans auskommen musste, denn: „Ich spekuliere, da es wieder möglich ist, Zuschauer in die Netzsch-Arena zu lassen, auf einen schönen Abschluss bei einem Gaudi-Spielchen. Ich denke, da gibt’s einige Spieler, die in den letzten Jahren ihre Karrieren in Selb beendet haben, die man in einem solchen Rahmen nochmal auflaufen lassen könnte.“

Besondere Vertragsverhandlungen

„Über Herbert könnte ich so viel erzählen, das würde sicher eine eigene Pressemitteilung“, sagt VER-Vize Thomas Manzei. „Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass ich die Verpflichtung von Herbert auf einer Geschäftsreise in Kanada klargemacht habe. Gesehen und auf ihn aufmerksam geworden bin ich, als ich ein Spiel der Moskitos Essen besucht hatte, um ursprünglich einen anderen Spieler zu scouten. Mir fielen insbesondere seine spielerischen Fähigkeiten und sein Handgelenkschuss auf.“ Manzei erinnert sich an das erste Training der ersten Mannschaft, welches damals in Mitterteich stattfand. Bernd Setzer sagte bereits nach 30 Minuten zu mir, dass wir an Geisberger sehr viel Freude haben werden, er wäre eine sehr gute Verpflichtung. Setzer war sich sicher, Herbert würde viele Tore schießen. Und Bernd hatte recht behalten.Der Vorstand erinnert sich an so manch legendäre Feiern mit Herbert – weniger amüsant für manche Trainer, bei den Fans war er dafür umso beliebter. Aber der Stürmer war, so ist man sich beim VER sicher, ein absoluter Glücksgriff. „Herbert war auf dem Eis und in der Kabine vom ersten Spiel an ein Schlüsselspieler für uns und komplettierte die legendären „Big Three“, mit denen wir große Erfolge in der Oberliga feierten. Dazu ist er ein unglaublich sympathischer Mensch. Das Gesamtpaket Herbert Geisberger stimmte einfach.“

„Wahnsinn, was do abgeht in Selb“

Auch für die Selber Fangemeinschaft hat der 36-jährige Geisberger noch ein paar Worte: „Ich kann mich eigentlich nur für die großartige Unterstützung und den klasse Rückhalt der Fans gegenüber der Mannschaft während all der Jahre bedanken. Und was da in diesen Playoffs veranstaltet wurde, war einfach unglaublich. Da hat man gemerkt, wie sehr die Stadt hinter dem Eishockey steht. Mit den Worten von Doug Irwin: Des is Wahnsinn, was do abgeht in Selb! Dem VER wünsche ich alles Gute für den weiteren Ausbau des Eishockey-Standorts Selb und der Nachwuchsarbeit, eine erfolgreiche erste DEL2-Saison und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen über all die Jahre. Schee war’s.

Bilder