Genau das ist bei Fatima das Problem: Bei ihr liegt keine zusätzliche Leitungsbahn vor, sondern eine kleine abnorme Stelle im Vorhof sendet plötzlich schnelle elektrische Impulse aus. „Bei dieser sogenannten junktionalen ektopen Tachykardie wird der Sinusknoten von den schnellen elektrischen Impulsen dieser abnormen Stelle im Vorhof überholt“ erklärt Kerst. Und sie machen Fatimas Herz rasend.
Im Klinikum Stuttgart gibt es eine besondere Hightech-Anlage für die Therapie
Um diesen Unruheherd zu finden, führen spezialisierte Kinderkardiologen eine sogenannte elektrophysiologische Untersuchung durch – ein spezielles EKG, das direkt am Herzen abgeleitet wird. Bei diesem sogenannten Mapping wird mit Hilfe von mehreren Kathetern eine Art dreidimensionale Karte des Herzens angelegt, um so ein klares Bild von den elektrischen Signalen zu erhalten, die die Rhythmusprobleme bereiten.
Dieses System funktioniert anhand von Magnet- und Impedanzfeldern, die so hochauflösende Bilder erlauben, dass erfahrene Kollegen wie Kerst bei den meisten Eingriffen keine Röntgenstrahlung mehr für den gesamten Kathetereingriff benötigen. „Für unsere kleinen Patienten ist das Verfahren somit weitaus schonender“, sagt Kerst. Erst im Herbst hatte die Olgäle-Stiftung dem Zentrum für angeborene Herzfehler diese moderne Hightech-Anlage im Wert von einer Viertelmillion Euro mit einer Spende ermöglicht.
Ärzte gehen bei der Therapie sorgfältig vor, um das kleine Herz nicht zu verletzen
Auf dem Monitor ist erkennbar, wie sich die dünnen Spitzen der Katheter die Herzinnenwände abtasten. Mit Hilfe einer Software werden die Stellen mit verschieden farbigen Punkten markiert, an denen die Sensoren ungewöhnliche Signale aufzeichnen. Dort setzt Kerst mit der Verödung an.
Das kindliche Herz mit seinem Reizleitungssystem ist sehr viel feiner und kleiner als das eines Erwachsenen. Die Kinderkardiologen müssen beim Veröden weitaus sorgfältiger vorgehen, um benachbarte Strukturen nicht zu schädigen – erst recht bei einem solch komplexen Fall wie Fatima.
Der Eingriff dauert drei Stunden
Drei Stunden dauert der Eingriff, der für den Kinderkardiologen Kerst eine Herausforderung darstellt. Vergleichbare Katheterablationen bei dieser seltenen Herzrhythmusstörung kennt die medizinische Fachliteratur weltweit nur etwa einhundert. Kerst verlässt sich auf seine Erfahrung – und seine Intuition: „Ich frage mich bei solchen Eingriffen immer: Wie weit würde ich gehen, wenn mein eigenes Kind auf dem Katheter-Tisch liegen würde.“ Rund 40 Mal schaltet er mit der bis zu 45 Grad heißen Elektrodenspitze Herzmuskelzellen aus. Dann zieht er erleichtert die Katheter vorsichtig aus Fatimas Herzen. Es schlägt wieder ruhig.
Nahezu 99 Prozent der Kinder sind nach dem Eingriff beschwerdefrei
Ob es auch so bleibt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Zur Kontrolle wird das Mädchen die nächsten zwei Tage im Olgahospital des Klinikums Stuttgart verbleiben. Doch Kerst ist zuversichtlich: Auch Fatima wird trotz ihrer seltenen wie komplexen Rhythmusstörung zu den nahezu 99 Prozent der Patienten gehören, die im Kinderherzzentrum von ihrer Herzrhythmusstörung befreit werden konnten. „Nach ein, zwei Wochen Schonung, kann sie jetzt wieder all das machen, was Mädchen in ihrem Alter so tun“, sagt Kerst. Ohne Angst, dass ihr Herz aus dem Takt geraten könnte.
Hilfe für kranke Kinderherzen
Kinderherzzentrum
Das Zentrum für angeborene Herzfehler (ZAHF) im Olgahospital des Klinikums Stuttgart ist spezialisiert auf die umfassende Versorgung von Kinderherzen und von Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen – von Neugeborenen bis zu Erwachsenen. Mehr als 1000 Patienten werden dort jährlich stationär betreut und mehr als 200 Operationen und etwa 250 Herzkathetereingriffe durchgeführt. In enger Kooperation mit der SANA Herzchirurgie Stuttgart (SHS) bietet das Zentrum das ganze Spektrum der operativen Versorgung von angeborenen Herzfehlern an. 2012 erhielt das ZAHF seine Anerkennung als überregionales EMAH-Zentrum (EMAH steht für „Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern“). Es ist bundesweit eines der ersten Zentren, das diese Auszeichnung erreicht hat.
Herzrhythmusstörungen
Wichtiger Teil der Therapie am Kinderherzzentrum ist die Katheterablation bei Herzrhythmusstörungen im Kindes- und Jugendalter. Das
Informationen
Weitere Informationen gibt es beim Kinderherzzentrum Stuttgart, www.klinikum-stuttgart.de. Auch die Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung informiert Eltern und betroffene Kinder stets aktuell über Herzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter sowie über entsprechende Therapie- und Rehaangebote: www.herzstiftung.de/leben-mit-angeborenem-herzfehler