Herzrhythmusstörung bei Kindern Was tun, wenn schon junge Herzen rasen

Regine Warth
Kardiologen wie Gunter Kerst versuchen die Herzmuskelzellen, die den unregelmäßigen Herzschlag auslösen, mittels eines Katheters punktgenau zu veröden Foto: Klinikum Stuttgart/Tobias Grosser

Bei etwa zehn von 100 Kindern und Jugendlichen gerät das Herz zeitweise aus dem Takt. Wann diese Herzrhythmusstörungen schon bei den Kleinsten behandelt werden müssen und welche schonenden Verfahren es gibt, wird im Kinderherzzentrum Stuttgart gezeigt.

 
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Wenn Fatimas Herz zu rasen beginnt, dann legt es ein solches Tempo vor, dass die 13-Jährige nach Luft schnappen muss. Mehr als 200 Schläge pro Minute pocht es dann in ihrer Brust – teils länger als eine Stunde. Und ebenso schnell wie ihr Herz zum Galopp ansetzte, so schnell wurde es wieder ruhiger. Manchmal, so berichtet es Fatima den Ärzten des Zentrums für angeborene Herzfehler am Klinikum Stuttgart , könne sie das Herzrasen ignorieren. Dann wieder lässt sie der schnelle, unregelmäßige Herzschlag schwindeln und verursacht Übelkeit. Seit drei Jahren gehe das nun schon so, sagt die Schülerin, die mit ihrer Familie im Rems-Murr-Kreis lebt.

Eines von 100 Kindern hat chronische Probleme mit Herzrhythmusstörungen

Die Häufigkeit, dass bei Kindern das Herz aus dem Takt gerät, ist größer als erwartet: Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung werden etwa zehn von 100 Kindern, die sonst herzgesund sind, Ärzten vorgestellt, weil sie Beschwerden haben, die eine Abklärung notwendig machen. Diese Herzrhythmusstörungen sind allerdings vorübergehend und in der Regel gutartig. Allerdings zeigen Statistiken auch: Eines von 100 Kindern hat chronische Probleme mit Herzrhythmusstörungen – so wie die jugendliche Fatima.

Die Ursachen können vielfältig sein: Es gibt beispielsweise angeborene Fehlanlagen, die das Herz aus dem Takt geraten lassen. Aber auch erworbene Defekte können zu Herzrhythmusstörungen führen – etwa aufgrund einer Herzoperation. Letztlich sind auch genetisch bedingte Herzrhythmusstörungen möglich.

Angeborene Herzrhythmusstörungen sind teils schwer zu behandeln

Fatimas Herzrhythmusstörung ist vermutlich angeboren, selten und darüber hinaus sehr schwierig zu behandeln. Gunter Kerst, der Leiter des Kinderherzzentrums Stuttgart, erklärt die Entstehung von Herzrasen bei Kindern so: „Normalerweise zieht sich der Herzmuskel rhythmisch zusammen.“ Sein Taktgeber ist dabei der Sinusknoten. Das Reizleitungssystem leitet dann den elektrischen Impuls von den Vorhöfen zu den Herzkammern. „Bei Kindern und Jugendlichen mit Herzrasen ist häufig eine zusätzliche Leitungsbahn vorhanden, die diesen Impuls wieder von den Herzkammern zu den Vorhöfen zurückleitet.“ Dies führt zu raschen, kreisenden elektrischen Impulsen und damit zu Herzrasen.

Viele Kinder vertragen die Medikamente nicht

Der Blutfluss gerät ins Stocken. Es kommt zu Durchblutungsstörungen – von Fatima als Schwindelanfälle und Übelkeit beschrieben. „Hält das Herzrasen über Tage an, droht eine Herzschwäche“, sagt Kerst. Da bei vielen betroffenen Kindern die medikamentösen Therapien nicht optimal wirken, versuchen Ärzte, die Herzmuskelzellen, die den unregelmäßigen Herzschlag auslösen, mittels eines Katheters punktgenau zu veröden. „Doch dazu muss klar sein, wo genau dieser krankhafte Bereich im Herzmuskel liegt.“

Genau das ist bei Fatima das Problem: Bei ihr liegt keine zusätzliche Leitungsbahn vor, sondern eine kleine abnorme Stelle im Vorhof sendet plötzlich schnelle elektrische Impulse aus. „Bei dieser sogenannten junktionalen ektopen Tachykardie wird der Sinusknoten von den schnellen elektrischen Impulsen dieser abnormen Stelle im Vorhof überholt“ erklärt Kerst. Und sie machen Fatimas Herz rasend.

Im Klinikum Stuttgart gibt es eine besondere Hightech-Anlage für die Therapie

Um diesen Unruheherd zu finden, führen spezialisierte Kinderkardiologen eine sogenannte elektrophysiologische Untersuchung durch – ein spezielles EKG, das direkt am Herzen abgeleitet wird. Bei diesem sogenannten Mapping wird mit Hilfe von mehreren Kathetern eine Art dreidimensionale Karte des Herzens angelegt, um so ein klares Bild von den elektrischen Signalen zu erhalten, die die Rhythmusprobleme bereiten.

Dieses System funktioniert anhand von Magnet- und Impedanzfeldern, die so hochauflösende Bilder erlauben, dass erfahrene Kollegen wie Kerst bei den meisten Eingriffen keine Röntgenstrahlung mehr für den gesamten Kathetereingriff benötigen. „Für unsere kleinen Patienten ist das Verfahren somit weitaus schonender“, sagt Kerst. Erst im Herbst hatte die Olgäle-Stiftung dem Zentrum für angeborene Herzfehler diese moderne Hightech-Anlage im Wert von einer Viertelmillion Euro mit einer Spende ermöglicht.

Ärzte gehen bei der Therapie sorgfältig vor, um das kleine Herz nicht zu verletzen

Auf dem Monitor ist erkennbar, wie sich die dünnen Spitzen der Katheter die Herzinnenwände abtasten. Mit Hilfe einer Software werden die Stellen mit verschieden farbigen Punkten markiert, an denen die Sensoren ungewöhnliche Signale aufzeichnen. Dort setzt Kerst mit der Verödung an.

Das kindliche Herz mit seinem Reizleitungssystem ist sehr viel feiner und kleiner als das eines Erwachsenen. Die Kinderkardiologen müssen beim Veröden weitaus sorgfältiger vorgehen, um benachbarte Strukturen nicht zu schädigen – erst recht bei einem solch komplexen Fall wie Fatima.

Der Eingriff dauert drei Stunden

Drei Stunden dauert der Eingriff, der für den Kinderkardiologen Kerst eine Herausforderung darstellt. Vergleichbare Katheterablationen bei dieser seltenen Herzrhythmusstörung kennt die medizinische Fachliteratur weltweit nur etwa einhundert. Kerst verlässt sich auf seine Erfahrung – und seine Intuition: „Ich frage mich bei solchen Eingriffen immer: Wie weit würde ich gehen, wenn mein eigenes Kind auf dem Katheter-Tisch liegen würde.“ Rund 40 Mal schaltet er mit der bis zu 45 Grad heißen Elektrodenspitze Herzmuskelzellen aus. Dann zieht er erleichtert die Katheter vorsichtig aus Fatimas Herzen. Es schlägt wieder ruhig.

Nahezu 99 Prozent der Kinder sind nach dem Eingriff beschwerdefrei

Ob es auch so bleibt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Zur Kontrolle wird das Mädchen die nächsten zwei Tage im Olgahospital des Klinikums Stuttgart verbleiben. Doch Kerst ist zuversichtlich: Auch Fatima wird trotz ihrer seltenen wie komplexen Rhythmusstörung zu den nahezu 99 Prozent der Patienten gehören, die im Kinderherzzentrum von ihrer Herzrhythmusstörung befreit werden konnten. „Nach ein, zwei Wochen Schonung, kann sie jetzt wieder all das machen, was Mädchen in ihrem Alter so tun“, sagt Kerst. Ohne Angst, dass ihr Herz aus dem Takt geraten könnte.

Hilfe für kranke Kinderherzen

Kinderherzzentrum
Das Zentrum für angeborene Herzfehler (ZAHF) im Olgahospital des Klinikums Stuttgart ist spezialisiert auf die umfassende Versorgung von Kinderherzen und von Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen – von Neugeborenen bis zu Erwachsenen. Mehr als 1000 Patienten werden dort jährlich stationär betreut und mehr als 200 Operationen und etwa 250 Herzkathetereingriffe durchgeführt. In enger Kooperation mit der SANA Herzchirurgie Stuttgart (SHS) bietet das Zentrum das ganze Spektrum der operativen Versorgung von angeborenen Herzfehlern an. 2012 erhielt das ZAHF seine Anerkennung als überregionales EMAH-Zentrum (EMAH steht für „Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern“). Es ist bundesweit eines der ersten Zentren, das diese Auszeichnung erreicht hat.

Herzrhythmusstörungen
Wichtiger Teil der Therapie am Kinderherzzentrum ist die Katheterablation bei Herzrhythmusstörungen im Kindes- und Jugendalter. Das

Informationen
Weitere Informationen gibt es beim Kinderherzzentrum Stuttgart, www.klinikum-stuttgart.de. Auch die Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung informiert Eltern und betroffene Kinder stets aktuell über Herzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter sowie über entsprechende Therapie- und Rehaangebote: www.herzstiftung.de/leben-mit-angeborenem-herzfehler

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