Hilfe für Nachbarn Eine starke Frau kommt an ihre Grenzen

Beate Franz
Weil ihre drei jüngsten Kinder aufgrund einer schweren geistigen Behinderung oft laut und hyperaktiv sind, hatte Hanna F. immer wieder Probleme mit den Nachbarn, sodass ein Umzug unausweichlich war. Foto: H_Ko - stock.adobe.com

Hanna F. wirft so schnell nichts aus der Bahn. Doch jetzt hat ein Umzug die alleinerziehende mehrfache Mutter aus Hochfranken in finanzielle Probleme gebracht. Zeitgleich stand eine Krebsoperation an.

 
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Hof/Wunsiedel - Wer die Geschichte von Hanna F. (Name geändert) hört, der ist erstaunt, was ein einzelner Mensch alles aushalten kann, ohne den Mut zu verlieren. Die Mittdreißigerin aus Hochfranken ist alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, die drei jüngsten sind unter zehn Jahre alt. Erst, als die Kleinen in den Kindergarten kamen, stellte sich heraus, dass sie schwer geistig behindert sind – und hyperaktiv. Alle drei sind in hohe Pflegegrade eingestuft, tragen noch Windeln. „Sie machen unheimlich viel kaputt, sie sind laut und sie haben einen extrem starken Bewegungsdrang“, sagt Hanna F. Zudem rauben sie der Mutter den Schlaf, weil sie schon nach wenigen Stunden wieder putzmunter auf der Matte stehen – und die Nacht zum Tage machen. Das Verhalten der Kinder war auch der Grund, warum es in dem Mehrfamilienhaus, in dem die Familie früher gelebt hat, immer wieder Probleme und Beschwerden der Nachbarn gab – bis zur Räumungsklage. „Ich kann die Nachbarn gut verstehen“, sagt Hanna F. „Niemand sieht meinen Kindern ihre Behinderung auf den ersten Blick an“, erklärt Hanna F. „die meisten Leute denken, sie sind einfach nur schlecht erzogen“. Diese Zeit sei sehr anstrengend gewesen, „für mich und für die Nachbarn“, blickt die Alleinerziehende zurück.

Heute lebt die Familie in einem einfachen, schlecht isolierten Häuschen. Sie sei glücklich, „dass es jetzt mit den Nachbarn keinen Streit mehr geben kann“. Gleichzeitig sieht sie schon heute mit Sorge dem Tag entgegen, an dem der Öltank wieder leer sein wird, „voraussichtlich im Januar oder Februar.“ Die letzte Tankfüllung habe 2000 Euro gekostet. „Ich habe früher immer etwas Geld auf die Seite legen können“, sagt die Mutter. Der Umzug habe ein riesiges Loch in die Haushaltskasse gerissen. Um überhaupt umziehen zu können, hat sie sich von Bekannten eine größere Summe Geld geliehen, die sie jetzt in Raten zurückzahlt. „Diese Freundinnen haben mich gerettet“, sagt sie. Auch ihre große Tochter aus erster Ehe unterstützt die Mama, wo es geht. „Ohne Freunde und die Hilfe von meiner Ältesten mit ihrem Partner würde ich das nie schaffen“, sagt sie. „Ich bin kein Terminator.“

Aber Nehmerqualitäten hat sie schon. Dass sie sich just zur Zeit des Umzugs einer Krebsoperation unterziehen musste, erwähnt sie nicht. Erst als die Sozialarbeiterin der Diakonie, die unsere Zeitung auf die Situation dieser Mutter aufmerksam hat, davon berichtet, sagt Hanna F., dass sie „seitdem eigentlich keine Erholung gehabt hat“. Damals, als die alte und die neue Wohnung gleichzeitig renoviert werden mussten, sei sie am Ende ihrer Kräfte gewesen. Mittlerweile gehe es ihr wieder besser.

Mit dem Vater der drei jüngsten Kinder lebte die engagierte Mutter sieben Jahre zusammen, bis ihn eines Tages wegen wiederholter häuslicher Gewalt die Polizei abholte. Von ihrem ersten Mann, von dem sie zwei Kinder hat, ist Hanna F. geschieden. „Bisher hab ich alles ohne Männer geschafft“, sagt sie, „aber jetzt fühl ich mich oft richtig schlecht, wenn ich an die Zukunft denke.“ Ihre Hauptsorge gilt den drei Jüngsten: „Was wird aus denen, wenn ich mal keine Kraft mehr habe?“

Von ihrem letzten ersparten Geld hat sie der Ältesten den Führerschein finanziert, in der Hoffnung, dass sie ihr irgendwann ein kleines gebrauchtes Auto kaufen kann. Aber das bleibt wohl vorerst ein Traum. Die alleinerziehende Mutter hat noch etwa 7000 Euro Schulden. „Bisher konnte ich immer alles bezahlen“, sagt Hanna F. Aber jetzt ist auch der Geschirrspüler kaputt – und der Elektroherd. Hinter der Spüle in der Küche klafft ein Loch, die Abdichtleiste der Küchenzeile ist gesplittert. Die Kinder bräuchten warme Kleidung und Schuhe. Um dem Bewegungsdrang der drei Jüngsten Raum zu geben, schwebt der Mutter ein Indoor-Trampolin als Weihnachtsgeschenk vor.

Die Sozialarbeiterin bestätigt die Notwendigkeit eines kleinen Autos, um die Großeinkäufe der Familie zu erledigen – auch für Arztbesuche im Nachbarort. „Wir müssen öfter zum Kinderarzt dorthin“, ergänzt Hanna F., „der kennt meine Kinder seit ihrer Geburt, zu dem haben sie auch Vertrauen und lassen sich behandeln.“ Andere Kinderärzte winkten nur ab, wenn sie ihre Situation schildere.

„Diese Mama stemmt alles so toll, egal wie schwer etwas ist“, erklärt die Sozialarbeiterin. „Sie ist immer liebevoll, immer freundlich zu den Kindern. Ich bewundere sie, wie sie das alles schafft.“

Hanna F. lächelt, als sie antwortet: „Ich hab den Charakter von meiner Oma, die hat immer gesagt: ,Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Und die Aufgaben, die einem der liebe Gott gibt, die muss man bewältigen‘.“ Jammern und Klagen helfe nicht weiter.

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