In den Überschwemmungsgebieten im Süden Deutschlands werden die Evakuierungsaufrufe der Behörden angesichts steigender Flusspegel erheblich ausgeweitet.
Einige Flüsse in Bayern und Baden-Württemberg sind bereits über die Ufer getreten, andere könnten folgen. Und das Schlimmste könnte erst noch kommen. Doch schon jetzt wird der Süden Deutschlands von einem Jahrhundert-Hochwasser heimgesucht.
In den Überschwemmungsgebieten im Süden Deutschlands werden die Evakuierungsaufrufe der Behörden angesichts steigender Flusspegel erheblich ausgeweitet.
Im bayerischen Landkreis Augsburg wurden die Menschen am Samstagabend (1. Juni) angehalten, ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen. Die Lage werde sich im Laufe der Nacht auf Sonntag (2. Juni) im nördlichen Teil des Landkreises noch verschärfen, warnte eine Sprecherin des Landratsamtes Augsburg.
Die Rettungskräfte sind seit Stunden im Dauereinsatz. Vor allem in einigen Gebieten Bayerns und Baden-Württembergs haben Flüsse Straßen, Keller, Wiesen und ganze Ortsteile überflutet.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sicherte den Regionen weitere Unterstützung zu. „Wegen des schweren Dauerregens und drohender Überflutungen ist das THW bundesweit darauf vorbereitet, weitere Kräfte in den Einsatz zu bringe“, teilte die SPD-Politikerin mit Blick auf Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) mit. „Wir werden die betroffenen Bundesländer weiter mit allen verfügbaren Kräften unterstützen.“ Mehr als 500 THW-Kräfte waren im Einsatz. Hunderte dürften es bei den Feuerwehren sein.
Besonders angespannt ist die Situation rund um Augsbur. Bewohner im Ort Diedorf sollen laut dem zuständigen Landkreis nach zwei Dammbrüchen ihre Wohnhäuser verlassen. Aufgrund der hohen Wassermassen werde eine Evakuierung im Diedorfer Ortsteil Anhausen vorbereitet, teilte das Landratsamt Augsburg mit. „Es ist nicht mehr ausreichend, sich in höhere Stockwerke zu begeben.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) machten sich vor Ort ein Bild von der Lage. Söder sprach bei seinem Besuch von einer „extremen Belastung“ für die Menschen und warnte: „Das ist noch nicht vorbei. Es geht jetzt erst richtig los.“ Der Schwerpunkt des Unwetters liege derzeit in Schwaben, deshalb würden auch dort die Ressourcen – etwa Sandsäcke – zusammengezogen.
Auch wenn es noch keine großflächigen Überflutungen bis zum späten Samstagabend gab, war die Situation in einzelnen Gebieten bereits bedrohlich. In Babenhausen südlich von Ulm retteten Einsatzkräfte Bewohner mit Booten aus ihren Häusern. Dort fiel auch teilweise das Handynetz aus.
Wer Hilfe brauche und keinen Notruf absetzen könne, solle ein weißes Laken oder Tuch zum Fenster heraushängen oder sich am Fenster bemerkbar machen, um auf seine Notlage aufmerksam zu machen, gab das Landratsamt Anweisung.
In Fischach im Landkreis Augsburg holten Helfer Menschen mit einem Hubschrauber aus ihren Häusern. Die Bewohner hätten auf andere Weise den Ort nicht mehr verlassen können, erklärte eine Sprecherin des Landratsamtes.
Befürchtet wird mancherorts ein Jahrhunderthochwasser. Das ist eine rechnerische Größe und bezeichnet ein Hochwasser, das im statistischen Mittel einmal in 100 Jahren erreicht oder überschritten wird.
Im Bayern werden auch Bundeswehrsoldaten eingesetzt. „Die Bundeswehr unterstützt die beiden Landkreise Günzburg und Aichach-Friedberg, nachdem beide Landkreise einen offiziellen Antrag gestellt hatten“, teilte eine Bundeswehr-Sprecherin des Landeskommandos Bayern mit.
In Memmingen wurden wegen Hochwassers rund 100 Häftlinge eines Gefängnisses in Sicherheit gebracht.
Mancherorts fällt schon seit Freitag (31. Mai) teils heftiger Regen. Nach Angaben der Meteorologen sind zum Beispiel seit 8 Uhr am Freitag im bayerischen Sigmarszell-Zeisertsweiler 135 Liter pro Quadratmeter binnen 24 Stunden gefallen. In Kißlegg in Baden-Württemberg seien es 130 Liter gewesen.
In mehreren Städten in den beiden Bundesländern kamen bis zum frühen Samstagmorgen Niederschlagsmengen von mehr als 100 Litern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden zusammen. Der Klimawandel macht Extremwetterereignisse wahrscheinlicher.
Unwetterwarnungen gab es am Samstagabend für Teile Baden-Württembergs und Bayerns. In einem Streifen von Bayern über Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt bis nach Brandenburg wurde vor starkem Regen gewarnt.
In der Nacht zu Sonntag (2. Juni) erwartete der DWD weitere Schauer und Gewitter mit Starkregen, vornehmlich von Thüringen bis nach Nordbayern und Baden-Württemberg. Erst in der zweiten Nachthälfte sollten die Niederschläge abklingen und in Richtung Frankreich abziehen. Bereits am Nachmittag gab es im thüringischen Greiz heftige Regenfälle mit überfluteten Kellern und Straßen.
Land unter auch in Teilen Baden-Württembergs. Betroffen sind Gebiete in Oberschwaben. Es traten Flüsse über die Ufer. Hingegen gingen die beiden Städte Ulm und Neu-Ulm am Samstagabend nicht mehr von einem extremen Hochwasser aus. In Friedrichshafen am Bodensee wurden laut Feuerwehr ein zentrales Sandsack-Lager in Auftrag gegeben.
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) betont in einer ersten Bilanz: „Wie erste Erfahrungen vor Ort zeigen, hat es sich ausgezahlt, dass die Landesregierung in den vergangenen Jahren viel Geld für Dämme, Regenrückhaltebecken und kommunale Starkregenkonzepte mobilisiert und dauerhaft gesichert hat.“
Behörden in mehrere Regionen Deutschlands riefen die Bevölkerung angesichts des Wetters zur Vorsicht auf. Das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie appellierte, im Falle von Hochwasser und Überflutungen auf die eigene Sicherheit zu achten. Das heißt: Sich von Fließgewässern fernhalten, bei Starkregen mit Wassereinbruch nicht in Keller, Tiefgaragen und Unterführungen gehen oder fahren sowie überflutete Bereiche weder zu Fuß noch mit dem Fahrzeug durchqueren.
In Deutschland wirkte sich das Wetter auf Bahnreisende aus. Laut Deutscher Bahn kam es in Süddeutschland zu Störungen und Zugausfällen im Bahnverkehr. Besonders zwei ICE-Strecken waren beeinträchtigt, wie eine Bahnsprecherin erklärte.
Zwischen München, Bregenz und Zürich fuhren wegen des Hochwassers den ganzen Samstag keine Züge mehr. Die Strecke zwischen Ulm und Augsburg war ebenfalls betroffen. Auf den Straßen sorgte der Regen für mehrere Unfälle, bei denen es mitunter Verletzte gab.