Hof Posten, zocken, stalken

Update für Lehrer in Sachen Social Media und Spiele: Schüler erklären, welche Apps und Influencer für sie von Bedeutung sind. Und wovon der Reiz ausgeht.

 
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Unterricht einmal umgekehrt: Was Social Media und Spiele anbelangt, sind die Schüler die Experten. Unser Bild zeigt die Elftklässler des Hofer Schiller-Gymnasiums (von links) Rick Pelz, Lena Zettl, Sophia Schaller, Celina Pscherer und Julius Zapf. Foto: aks

Hof - Tik Tok. Was wie das Geräusch einer Uhr klingt, bedeutet für viele Kinder und Jugendliche mediale Unterhaltung, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. In der Social-Media-App lassen sich kurze Videoclips hochladen, in denen die Nutzer zu Musik oder Szenen aus Film und Serien playbackmäßig ihre Lippen bewegen. Lipsync heißt das Phänomen. Die deutschen Zwillinge Lisa und Lena sind damit bereits im Teenager-Alter zu Berühmtheiten geworden. "Sie haben sogar die Schule abgebrochen, weil sie damit so viel Geld verdienen", erläutert Lena Zettl. Die 17-jährige Namensvetterin der einen berühmten Zwillingsschwester ist Schülerin der Q 11 des Hofer Schiller-Gymnasiums. Mit vier anderen Oberstuflern hat sie ihren Lehrern nun eine Doppelstunde lang Nachhilfe in Sachen soziale Netzwerke und Spiele gegeben.

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Was ist angesagt bei den Jugendlichen? Auf welchen Social-Media-Plattformen sind sie unterwegs? Was machen sie dort? Und welche Spiele bringen den ein oder anderen nicht mehr vom Computer oder der Konsole weg? All das wollten die "Schiller"-Pädagogen von den Digital Natives wissen. "Die Sicht der Schüler auf diese Welt ist völlig anders als unsere", sagt Informatiklehrer Christoph Selbmann. In Gesprächen innerhalb des Kollegiums habe man festgestellt, dass die meisten zwar eine grobe Ahnung von dem hätten, was die Schüler in ihrer Freizeit umtreibt. Ganz genau wisse man es dann aber doch nicht. "Deshalb haben wir uns gedacht: Fragen wir die Schüler einfach", erklärt Lehrer Stefan Bäumler.

Also: Was ist denn nun so faszinierend an diesem Tik Tok? Immerhin sind mittlerweile rund 5,5 Millionen Deutsche Teil der Community. Wie alle sozialen Netzwerke setze auch dieses auf den Faktor Spaß, sagt Lena Zettl. "Man kann verschiedene Filter benutzen, dabei seine Kreativität ausleben und bleibt up to date, was die Freunde so treiben." Die App sei hauptsächlich bei Grundschülern beliebt. Promis, wie beispielsweise das Model Rebecca Mir, seien dort lediglich vertreten, um die Jüngeren zu erreichen. "In unserem Alter verwendet man die App eigentlich gar nicht mehr - nur noch zum Stalken." Stalken - das heißt in diesem Fall die Profile anderer Nutzer verfolgen - ohne selbst Content, also Inhalt, auf den Plattformen einzustellen. Mittlerweile sei das gängiges Verhalten in den sozialen Netzwerken, sagt Lena Zettl. Ihre Q 11-Mitschülerinnen Celina Pscherer und Sophia Schaller, die mit ihr vor den Lehrern sprechen, pflichten dem bei.

Auch auf Facebook - mit rund 30 Millionen Nutzern deutschlandweit lange Spitzenreiter unter den sozialen Netzwerken - seien junge Leute im Alter von 14 bis 20 Jahren praktisch nicht mehr unterwegs. "Dort treiben sich die Erwachsenen rum. Wir schauen höchstens mal nach, ob irgendwelche Veranstaltungen stattfinden", sagt Sophia Schaller. WhatsApp hingegen gelte als Ablöser der SMS und verbinde mit 58 Millionen deutschen Nutzern Generationen. "Dort schreibe ich auch mit meiner Oma", sagt die Schülerin. Altersmäßig eher unter sich könne man in der Mittel- und Oberstufe auf Snapchat (fünf Millionen deutsche Nutzer) sowie Instagram (15 Millionen) sein. Beides sind Apps, um Fotos und Videos zu posten, anzuschauen und zu liken.

Likes und Abonnenten - sie sind im digitalen Zeitalter zu einer Art neuen Währung geworden. Den erfolgreichsten Internet-Berühmtheiten folgen mehrere Millionen Menschen. Von der Werbeindustrie bekämen sie lukrative Angebote unterbreitet. "Firmen schicken den Influencern gratis ihre Produkte zu und hoffen, dass sie sich in ihren Bildern und Videos damit zeigen", erklärt Celina Pscherer. Oder die Firmen heckten gleich ganze Werbedeals mit den Internet-Promis aus: Manche bekämen bares Geld dafür, dass sie zum Beispiel eine spezielle Wimperntusche in ihren Schmink-Tutorials verwenden. Das könne jedoch auch zum Nachteil für den Influencer werden. "Wenn ich merke, dass jemand gekauft ist und nur noch die Produkte seiner Sponsoren bewirbt, dann deabonniere ich ihn auch schon mal", sagt Lena Zettl.

Authentizität ist den Schülern wichtig. "Deshalb sind Youtube-Tutorials so beliebt", sagt Sophia Schaller. "Dort sieht man ganz normale Menschen, die einem auf Augenhöhe etwas erklären." Viele hätten dazu einen besseren Bezug als beispielsweise zu einer professionell gedrehten Dokumentation.

Auch für die Schule nutzten viele Jugendliche die Videoplattform. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Youtubern, die Nachhilfe-Videos zu diversen Schulthemen einstellen. "So kann man Unterrichtsstoff, den man nicht verstanden hat, gut wiederholen", sagt Lena Zettl. Manche Lehrer würden sogar bestimmte Videos zur Vertiefung empfehlen.

Dass Pädagogen und Schüler oftmals die gleichen Interessen haben, zeigt sich beim Thema Spiele. Julius Zapf und Rick Pelz aus der Q11 erklärten den Lehrern, was sie "zocken". Unter anderem das Wild-West-Action-Game "Red Dead Redemption". Auch Lehrer Christoph Selbmann outete sich als Spieler. Jedoch sitze er während der Spielphasen wohl kürzer vor dem PC. "Vier Stunden am Tag durchspielen ist keine Seltenheit", sagt Julius Zapf.

Ebenfalls beliebt unter den Jugendlichen: die Spiele "Fifa 20", "Quizduell" und "Fortnite". Letzteres ist ein kostenloser Survival-Shooter, ein virtueller Überlebenskampf. Hundert Spieler kämpfen Runde für Runde ums Überleben. "Es kann allein und als Team gespielt werden", erklärt Rick Pelz. Immer sei irgendjemand online. Manche Freunde würden Nachrichten schreiben, um sich zum Zocken zu verabreden. Bei den Spielen "Quizduell" und "Clash of Clans" erhalte man wiederum Push-Mitteilungen, sobald man am Zug ist. So wirklich verlasse man die Gaming-Welt also nie. Zapf und Pelz stufen diesen Umstand als größere Herausforderung ein als lange Spielzeiten. "Man sollte jederzeit aufhören können. Wenn man im Unterricht sitzt und die ganze Zeit darüber nachdenkt, was man in dem Spiel machen möchte, ist das eine Sucht - und man sollte etwas ändern."

Das bestätigt auch Lehrer Christoph Selbmann: "Es ist verständlich, dass es für manchen Schüler hart ist, zu widerstehen." Von den Spielen gehe eine unheimliche Dynamik aus. "Man will sich immer verbessern und weiterkommen." Dass die Schüler die Sache mehr im Griff haben,, als so mancher Lehrer denkt, zeigte sich beim Thema In-Game-Käufe. "Bei vielen Spielen werden den Nutzern immer wieder kostenpflichtige Erweiterungen angeboten", erklärt Julius Zapf. "Ich habe noch nie einen Euro in diesen Playstores ausgegeben."