Hof Spannung pur im Gerichtssaal

Hanna Petrahn, Johanna Knechtel, Klasse 10 a, Schiller-Gymnasium Hof
Waren beeindruckt und diskutierten auch nach der Verhandlung noch lange über den Fall am Hofer Amtsgericht: die Klasse 10 a des Schiller-Gymnasiums mit ihren Lehrern Roland Hacker und Michaela Quelle: Unbekannt

Der Angestellte einer Apotheke im Landkreis Hof stiehlt Medikamente für seine schwerbehinderte, schwangere Frau. Dafür muss er sich vor Gericht verantworten. Zwei Schülerinnen des Hofer Schiller-Gymnasiums berichten.

 
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Hof - Es ist Viertel vor acht an einem wolkenverhangenen Donnerstagmorgen. Fröstelnd stehen wir vor den noch geschlossenen Türen des Hofer Amtsgerichts und treten aufgeregt von einem Bein auf das andere. Mit jeder Minute, die vergeht, kommen wir der Gerichtsverhandlung ein Stückchen näher. Nein, uns wird natürlich nicht der Prozess gemacht, viel mehr erwarten uns - die Klasse 10a des Schiller-Gymnasiums Hof, Studiendirektor Roland Hacker und Oberstudienrätin Michaela Berner-Sebald - drei ganz unterschiedliche Verhandlungen, die wir dank des Projekts Klasse! der Frankenpost mitverfolgen dürfen.

Aus dem Gesetz

Grundsätze der Strafzumessung (§ 46 Strafgesetzbuch, bearbeitet):

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das zukünftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen in Betracht:

- die Beweggründe und die Ziele des Täters

- die Gesinnung, die aus der Tat spricht und der bei der Tat aufgewendete Wille

- das Maß der Pflichtwidrigkeit

- das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen.

Neben einem Verkehrsunfall und einer Verhandlung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln - laut Richter Hubert Pürner eher klassische Straftaten - haben wir das Glück, den Gerichtsprozess eines eher "exotischen Falls" mitverfolgen zu können, der uns am Ende richtig unter die Haut geht. Dieser handelt vom unerlaubten Kauf und der Weitergabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten - ohne das nötige ärztliche Rezept.

Kaum nehmen wir im Sitzungssaal 12 Platz, nimmt die Verhandlung schon ihren Lauf. Nachdem Staatsanwalt Stefan Salzinger die Anklageschrift mit dem genauen Sachverhalt vorgetragen hat, haben der Angeklagte und sein Verteidiger die Chance, die Beweg- und Hintergründe der Tat, die sich im Januar 2018 ereignete, zu erläutern. So setzen sich auch für uns verschiedene Aspekte zu einem Puzzle zusammen: zum Beispiel die schweren Lebensumstände des Angeklagten. Er ist geständig und erzählt, dass er die Medikamente für seine damals hochschwangere und schwerkranke Frau entwendet habe, da er und sein Hausarzt sich uneinig darüber waren, ob die Frau die hochdosierten Arzneimittel wirklich benötigte. Im Zeitraum von einem Monat stahl der Angeklagte die Präparate aus einer Apotheke im Landkreis Hof. Gelegenheit dazu hatte er, weil er dort zum damaligen Zeitpunkt als Pharmazeutisch-technischer Assistent angestellt war.

Doch das perfekte Verbrechen gibt es nicht. Das zeigt auch dieser Fall. Das Fehlen bestimmter Medikamente, die nicht in großen Mengen in einer Apotheke gelagert werden, fiel bald der Filialleiterin auf, die als Nächstes in den Zeugenstand gerufen wird. Ihre Aussagen decken sich mit dem Geständnis des Täters.

Seine Einsicht und Entschuldigung werden ihm am Ende zugute gehalten. Negativ anzurechnen ist dem Mann hingegen, dass er nur wenige Wochen vor der Verhandlung bereits wegen Urkundenfälschung zu Geldstrafen verurteilt wurde: Richter Hubert Pürner spricht im Fall des Medikamenten-Diebstahls ein tendenziell eher mildes Urteil. Er verurteilt den Mann zwar in drei Fällen wegen unerlaubter Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Verbraucher, jedoch entscheidet er sich gegen eine Haftstrafe: Die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wird zur Bewährung ausgesetzt. Der Bewährungsbeschluss sieht eine Bewährungszeit von drei Jahren vor. Zudem bekommt der Mann einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt, dessen Vorladungen er Folge zu leisten hat. Außerdem weist der Richter den Verurteilten an, 100 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten - pro Monat mindestens zehn Stunden.

Ein Urteil, mit dem alle Beteiligten leben können - sogar wir, die wir in einer kurzen Pause zwischen den drei Prozessen vom Richter gefragt werden, ob wir uns für ein ähnliches Urteil entschieden hätten. Jener Fall begleitet uns auch in die große Pause hinein, in der wir bei Kaffee und Sandwiches aus dem Automaten die Tatbestände lebhaft weiterdiskutieren. Besonders das Schicksal der Frau des Angeklagten, die als schwerbehindert gilt, beschäftigt uns sehr, weswegen wir bei einer Fragerunde auch gleich wissen wollen, ob Richter sich manchmal von Mitleid beeinflussen lassen: "Es ist wichtig, sich nicht von seinen Gefühlen tragen zu lassen", antwortet Richter Pürner. Eine Aussage, die sich in seinem gerechten Urteil widerspiegelt.

Der Richter erklärt, dass er neben dem vorgegebenen Strafrahmen auch die Grundsätze der Strafzumessung (siehe Infobox) zu beachten hat. Der Strafrahmen ist die im Strafgesetzbuch für eine Straftat bezeichnete mögliche Dauer einer Freiheitsstrafe beziehungsweise die Möglichkeit, "nur" eine Geldstrafe zu verhängen. Im Gesetz sind bei dem jeweiligen Straftatbestand das Mindest- sowie das Höchstmaß einer Strafe angegeben. Der Richter darf sich nur innerhalb dieser Begrenzung bewegen.

Als wir das Amtsgericht verlassen, sind alle nahezu überwältigt von den neuen Eindrücken. "Für mich war alles neu. Ich wusste gar nicht, dass eine Gerichtsverhandlung einen so geregelten Ablauf hat", sagt Hanna Petrahn. Ein häufig gehörter Satz ist auch: "Am liebsten würde ich noch länger bleiben und mir mehr Prozesse anschauen."

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