Hof "Tablets helfen bei der Inklusion"

Bayerns Schulen sollen digitaler werden. Tablets zu verteilen reiche dafür aber nicht aus, sagt der erfahrene TabletKlassen-Lehrer Andreas Hofmann. Foto: Syda Productions

Tablets im Unterricht sind in Bayern noch eine Ausnahme. Warum die Geräte aber wichtig sind, erklärt Andreas Hofmann.

 
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Herr Hofmann, bereits im Jahr 2009 haben Sie an Ihrer Schule ein Pilotprojekt mit einer Notebook-Klasse gestartet. Sie haben schon früh erkannt, in welche Richtung sich Schulunterricht entwickeln wird. Worin haben Sie das Potenzial dieser Technologien gesehen?

Das war aus einer Handlungsunfähigkeit heraus. Wenn man als Lehrer damals im Unterricht über digitale Medien sprechen wollte, war das schlicht und ergreifend nicht möglich, denn man hatte weder Zugang zum Internet noch zu den technischen Geräten. Ein Schlüsselerlebnis war, als ich mit meinen Schülern über die Privatsphäre-Einstellungen bei My Space sprechen wollte - und zwar anhand von ausgedruckten Arbeitsblättern. Das war so skurril. Für mich war klar: Wenn man über Medien sprechen möchte, braucht man auch Zugang zu ihnen.

Seit 2012 kommen Tablets in Ihrem Unterricht regelmäßig zum Einsatz. Was können diese Geräte, was der klassische Schulunterricht vorher nicht konnte?

Tablets sind zum Beispiel eine unheimliche Bereicherung, wenn es um das Thema selbstgesteuertes Lernen geht. Wenn ein Schüler früher etwas nicht verstanden hat, dann hat der Lehrer diesen Aspekt meist nochmals für die ganze Klasse erklärt. Das muss man als Lehrer jetzt nicht mehr zwangsläufig tun, denn dank des Einsatzes von Tablets können wir im Unterricht zum Beispiel mit Lern-Videos arbeiten: Die Schüler schauen sich diese Tutorials mit Kopfhörern in den Ohren an und können die Inhalte in ihrem eigenen Tempo aufnehmen und verstehen. Sie können das Video jederzeit stoppen und sich Passagen, die sie nicht verstanden haben, mehrmals anschauen. Zum Beispiel im Werkunterricht, wenn es darum geht, wie ein bestimmter Arbeitsschritt funktioniert. In diesem Fall kann ein Video durch die Kombination von Bild und mündlicher Erklärung viel anschaulicher als ein Text darstellen, was gemeint ist.

Kann jeder Schüler selbst entscheiden, wann und wie oft er sein Tablet im Unterricht oder bei Hausaufgaben einsetzt?

Ja, das liegt zu einem großen Teil in der Hand der Kinder und Jugendlichen - außer bei Prüfungen oder wenn es einen konkreten Arbeitsauftrag mit dem Tablet gibt. Es ist wichtig, dass die Schüler ihren eigenen Workflow mit den digitalen Medien finden. Die Schüler sollen von selbst erkennen: Wann nützt mir das Tablet und wann behindert es mich? Es gibt sehr viele Schüler, die noch recht analog arbeiten, Texte lieber im Schulbuch lesen als auf dem Tablet. Andere neigen dazu, sehr viel digital zu arbeiten. Dann muss man als Lehrer eingreifen und darauf hinweisen, dass manche Aufgaben besser mit Papier und Bleistift zu erledigen sind.

Wann ist das Tablet als Hilfsmittel unsinnig?

Wenn es um das blinde Digitalisieren geht. Es gibt Schüler, die fotografieren ein Arbeitsblatt mit dem Tablet ab und suchen dann nach einer App, um Lückentexte auszufüllen. Das ist Blödsinn und dauert dreimal so lang.

Nun gibt es verschiedene Wahrnehmungs- beziehungsweise Lerntypen: Die einen merken sich Dinge am besten, wenn sie sie hören, andere, wenn sie sie sehen. Dritte können Informationen am besten im Gedächtnis behalten, wenn sie diese selbst erarbeitet haben. Auch in diesem Zusammenhang dürfte der Einsatz von Tablets eine große Bereicherung sein.

Natürlich. Mit dem Tablet haben die Schüler Zugang zu allen möglichen Informationskanälen. Seien es Videos, Audio-Dateien oder die Möglichkeit, selbst ein E-Book zu erstellen, also ein elektronisches Buch angereichert mit Bildern, Videos oder Podcasts. Diese Dateien sollen die Jugendlichen für ihre Mitschüler produzieren, die diese wiederum als Erklärstücke nutzen können. Während der Arbeit an solchen E-Books entwickeln Schüler eine große Motivation, die Inhalte gut zu verstehen. Bei solchen Aktionen kommt am Ende viel mehr heraus, als wenn jeder Schüler einfach einen Text schreibt, den der Lehrer korrigiert.

Hilft der Einsatz von Tablets auch bei der Inklusion?

Ja, ganz erheblich. Ich gehe sogar noch viel weiter und sage: Das ist für mich der erste reelle Schritt, um die Inklusion auch zu bewerkstelligen. Erst durch die neuen digitalen Möglichkeiten können Lehrer auf die verschiedenen Leistungsniveaus in einer Klasse eingehen. Ein Kind mit Down-Syndrom kann so zum Beispiel zeitgleich mit seinen Mitschülern einen Text erfassen, obwohl es sich beim Lesen viel schwerer tut. Ganz einfach, indem es den Text als Audio-Datei über Kopfhörer hört, während der Rest der Klasse den Text liest. Auch Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, können sich durch Übersetzungsprogramme besser in den Unterricht einbringen.

Nun gibt es auch kritische Stimmen, die darauf hinweisen, dass zu viel Medienkonsum schädlich ist und sich negativ auf den Bildungserfolg auswirkt. Was gilt es, vor diesem Hintergrund zu beachten?

Ich bin mir dieser Gefahr bewusst. Auch Erwachsene fühlen sich von ihrem Smartphone oft gestresst. Umso wichtiger ist es deshalb, die Kinder bereits in frühen Jahren dafür zu sensibilisieren und ihnen Tipps für einen richtigen Umgang mit auf den Weg zu geben. Fakt ist: Die Arbeitswelt, in der sie sich später bewegen, ist digital.

2018 sollen an allen bayerischen Schulen digitale Klassenzimmer zur Regel werden. Die Staatsregierung hat ein Förderprogramm in dreistelliger Millionenhöhe aufgelegt. Wie groß ist der Nachholbedarf in Bayern?

Es gibt zwei, drei Leuchtturm-Projekte, aber im Vergleich ist man in anderen Bundesländern viel weiter. In Baden-Württemberg erprobt das Kulturministerium in einem mehrjährigen Versuch die Nutzung von Tablets in der dualen Ausbildung. In Bayern ist man dagegen an vielen Schulen noch weit von einer guten technischen Ausstattung entfernt. Manche Schulen verfügen noch nicht einmal über leistungsfähige Internetanschlüsse. Wobei dies natürlich für alle anderen Bundesländer auch gilt.

Wird nun alles besser, da die Kommunen Geld erhalten, um die Schulen digital auf Vordermann zu bringen?

Natürlich geht es nicht ohne Geld. Was bislang aber auch fehlt, ist ein stimmiges Konzept und eine Nachhaltigkeit der Finanzierung. Es bringt nichts, Hunderte von Millionen für Technik auszugeben, die in fünf Jahren wieder veraltet ist. Zudem muss Lehrern im Schulalltag ermöglicht werden, zu Fortbildungen zu fahren. Das Übel muss an der Wurzel gepackt werden. Es muss ein Verständnis erwachsen, das schon in der Lehrerausbildung gang und gäbe sein sollte.

Was würden Sie einer Schule raten, die nicht auf all das warten, sondern jetzt aktiv werden möchte?

Eine Methode, mit der ich gute Erfahrungen gemacht habe, ist das 1:1-Modell, das heißt die Tablets werden von den Schülern beziehungsweise den Eltern gekauft und in den Unterricht mitgebracht. Zudem ist es wichtig, dass sich Schulen besser miteinander vernetzen zum Erfahrungsaustausch. Vor allem Grundschulen können etwas bewegen, wenn sie den digitalen Weg einschlagen, da die weiterführenden Schulen dann im Zugzwang sind.


Am Mittwoch beim Medientag

Andreas Hofmann ist Englisch- und Geschichtslehrer an der Waldschule Hatten im Landkreis Oldenburg und war einer der ersten Lehrer in Deutschland, der Tablet-Computer im Schulunterricht einsetzte. Heute ist er beim Lehrermedientag in der Frankenpost zu Gast und berichtet von der Faszination und der Frustration in digitalen Klassenzimmern. Seit 2012 ist Hofmann als medienpädagogischer Berater des niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung tätig und hat bundesweit bereits etliche Schulen bei der Umsetzung von Tablet-Klassen begleitet. Der Lehrermedientag ist eine Initiative 16 bayerischer Tageszeitungen unter der Schirmherrschaft von Kultusminister Ludwig Spaenle. Bayernweit finden Fortbildungsveranstaltungen statt.

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