Hof Zwei schweigen, zwei reden

Von Wolfgang Braunschmidt

In Coburg läuft nach dem gewaltsamen Tod eines ehemaligen Musikers ein Prozess neu an. Ein früheres Gastwirts- Ehepaar aus Naila muss sich auch verantworten.

 
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Coburg/Naila - Wolfgang R. ist in der Nacht zum 12. Dezember 2013 in seiner Wohnung im Coburger Stadtteil Beiersdorf mit brutalen Schlägen und Tritten getötet worden. Die Vorstellung, dass ein 66 Jahre alter Rentner, der am Landestheater Coburg als Musiker gearbeitet hatte, in seinem Wohnzimmer überfallen und umgebracht wird, schockierte die Öffentlichkeit. Kripo und Staatsanwaltschaft konnten an Weihnachten 2013 die Täter stellen: den damals 22 Jahre alten Paul K. aus Hildburghausen und den 44-jährigen Peter G. aus Coburg, beide Mitglieder eines Rockerclubs. Sie gaben in der Gerichtsverhandlung ein Jahr später zu, Wolfgang R. überfallen zu haben, bestritten allerdings immer, dass sie den Rentner töten wollten. Sie hätten ihm "nur eine Abreibung verpassen wollen".

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Dazu soll sie die Ex-Geliebte des Opfers, Maria S. - damals 41 -, angestiftet haben, um an das Vermögen von Wolfgang R. und dessen lukrative Zimmervermietung an Prostituierte heranzukommen. Ihr Noch-Ehemann Helmut-Erhard S. (damals 56), mit dem sie eine Kneipe am Rande der Coburger Innenstadt betrieb, soll daran mitgewirkt haben, stritt dies aber ab.

Helmut Erhard S. ist nach einem unsteten Leben in Naila nicht unbekannt. Nach mehreren Gelegenheitsjobs auch in Kneipen übernahm er mit seiner Frau, die er 1991 im Urlaub in Brasilien kennengelernt hatte, in Naila eine Gastwirtschaft. Dort lebte die Familie mit drei Kindern. Nachdem das Paar 2005 nach Portugal gezogen war, ging die Beziehung in die Brüche. Gleichwohl sind die beiden nicht geschieden.

Am 13. Februar 2015 sprach das Landgericht Coburg das Urteil: Paul K. und Peter G. müssen wegen Totschlags für jeweils 13 Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, Maria S. und Helmut-Erhard S. wegen Anstiftung für jeweils sieben Jahre. Gegen das Coburger Urteil legten die Staatsanwaltschaft und die Tochter des Getöteten als Nebenklägerin Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Sie hatten eine Verurteilung wegen Mordes gefordert. Der BGH gab der Revision statt. Die dritte Strafkammer des Landgerichts muss nun prüfen, inwiefern die Angeklagten bei der Tat Mordmerkmale verwirklicht haben - Heimtücke, Habgier, niedere Beweggründe oder Grausamkeit - oder ob das erste Urteil Bestand hat.

Noch bevor Vorsitzende Richterin Ulrike Barausch am Donnerstagmorgen den Prozess eröffnet, geht ein leises Raunen durch den Schwurgerichtssaal am Landgericht Coburg: Denn Peter G. und Paul K. begrüßen sich mit der besonderen Form eines Handschlags, der unter besten Freunden üblich ist. Sie haben sich lange nicht gesehen. Gleich zu Beginn erklären die Anwälte von Paul K. und Peter G., dass beide vorerst keinerlei Angaben machen werden.

Dafür redet der Ex-Nailer Helmut Erhard S. um so mehr. Fast eine Stunde gibt er einen Abriss seines Lebens, das schon mit Beginn der beruflichen Lehrzeit aus dem Ruder läuft. Bei der Bahn wirft er hin, in einer Autowerkstatt auch. Er versucht sich als Fahrer, Transportunternehmer und Gastronom. Dann leistet er sich einen Urlaub in Brasilien. Dabei lernt er Maria S. kennen, heiratet sie und betreibt mit ihr eine Strandbar. Aber auch das geht nicht lange gut. Nächste Stationen sind Aachen und Naila. Hier betreibt Helmut Erhard S. mit seiner Maria besagte Gaststätte. Sie muss gut gelaufen sein. Jedenfalls hat das der Angeklagte dem späteren Opfer R. berichtet, der das wiederum seinem Nachbarn erzählte, wie dieser vor Gericht als Zeuge erläutert.

Dann kommt Coburg. Hier habe Maria S. auf Drängen ihres Mannes, wie sie nun vor Gericht aussagt, als Prostituierte gearbeitet. Wolfgang R. wird ihr Kunde. Er verliebt sich in sie, will sie aus dem Rotlichtmilieu heraus- und von ihrem alkoholkranken Mann wegholen. Das Paar schmiedet Hochzeitspläne. Gleichzeitig finanziert der Pensionär der Brasilianerin eine Gaststätte am Rande der Coburger Innenstadt, die allerdings nicht aus den roten Zahlen herauskommt.

Hier soll das Ehepaar S. im Herbst 2013 den Plan geschmiedet haben, Wolfgang R. aus dem Weg zu räumen, hier soll es seine Stammkunden Paul K. und Peter G. mit diesem Auftrag betraut haben.

Am Donnerstagnachmittag kommen Polizeibeamte, ein Arzt und ein Rettungssanitäter als Zeugen zu Wort. Sie beschreiben den Tatort: mit Blutspritzern am Boden und am Heizkörper, mit Sohlenabdrücken auf dem Teppich, mit einem durchwühlten Kellerraum, um offenbar einen Einbruch vorzutäuschen, mit der leicht geöffneten Terrassentür, mit dem im Wohnzimmer liegenden, erschlagenen Wolfgang R.

Der Prozess wird heute um 9 Uhr fortgesetzt.