Hofer Justiz-Apparat Adelt fordert mehr Personal für Justiz

Klaus Adelt, Landtagsabgeordneter Foto: Michael Farkas

Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte in Oberfranken, zuständig für das neue Abschiebegefängnis und viele, viele Fälle aus dem Grenzraum: Die Hofer Justiz arbeitet am Anschlag, findet der SPD-Abgeordnete.

 
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Hof - Ein bisschen Übertreibung gehört immer auch dazu, wenn man Dinge erreichen will. Das weiß auch Klaus Adelt, der SPD-Landtagsabgeordnete, der die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr sieht, wenn die Hofer Justiz weiter personell so am Stock gehe wie derzeit.

Adressat der üppigen Zeilen ist der bayerische Justizminister Georg Eisenreich. Der solle, so Adelt, „im Zuge der Haushaltsberatungen für eine angemessene personelle Ausstattung des bayerischen Justizwesens kämpfen“.

Grundlage des Schreibens sind Hintergründe, die Adelt aus Gesprächen mit Hofer Richtern und Staatsanwälten erfahren habe. Die klagten, nicht erst jetzt, über eine hohe Arbeitsbelastung. Für einen funktionierenden demokratischen Rechtsstaat sei es unabdingbar, dass Opfer und Beschuldigte darauf vertrauen könnten, dass Gerichtsverfahren in angemessener Zeit und in sorgfältigster Weise durchgeführt würden. „Wenn dies aus personellen Gründen nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet werden kann, weil Richter und Staatsanwälte überarbeitet sind, kann das zu einer gefährlichen Vertrauenskrise führen“, schreibt Adelt.

Tatsächlich geht es in den Hofer Gerichten häufig um Prozessverschlankung. „Im Sinne der Steuerzahler“ heißt es dann oft von den Juristen in den Verhandlungen. Die Staatskasse nicht zu sehr zu belasten, scheint zunächst edel, hat aber auch ganz pragmatische Gründe. Mancher überlegt sich genau, ob er noch einen Prozesstag ansetzt und weitere Zeugen lädt oder einen weiteren Gutachter beauftragt.

Adelt schreibt von 50 bis 60 Wochenstunden, die Staatsanwälte regelmäßig „ableisten müssen, um der steigenden Zahl an Fällen halbwegs Herr zu werden und vor dem Hintergrund des errechneten Personalberechnungsbedarfs eigentlich für zwei arbeiten.“

Hinzu komme die zusätzliche Arbeitsbelastung, die mit der größten Abschiebungshaftanstalt Bayerns in Hof einhergeht und der mit einer halben Richterstelle beim Amtsgericht Hof perspektivisch in keiner Weise entsprochen werde.

Über diesen Umstand hatte unsere Zeitung bereits im September berichtet. Damals hieß es seitens des Ministeriums, der „Geschäftsanfall“ könne seriöserweise noch nicht prognostiziert werden. Man wolle sehen, was an Arbeit anfällt. Nach dem Bericht gab das Ministerium wenigstens die Halbtagsstelle frei.

Ob die ausreicht, bezweifeln die Juristen. Schon jetzt kümmert sich das Amtsgericht um Abschiebungen, wenn die jeweiligen Ausländer aus dem eigenen Gerichtsbezirk abgeschoben werden sollen. „Künftig wird sich dieser Zuständigkeitsbereich deutlich erweitern“, sagt ein Sprecher des Hofer Amtsgerichtes. Denn bald muss sich dort ein Richter jeden Fall ansehen, bei dem sich ein künftiger Gefängnisinsasse gegen die Haft juristisch wehrt. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichtes kann der Betroffene Beschwerde einlegen und die nächst höhere Distanz bemühen, das Hofer Landgericht. Dort sind bislang keine zusätzlichen Stellen geschaffen worden. Das Amtsgericht muss zudem über jede Verlängerung der Haft über drei Monate hinaus entscheiden – wobei „alle Anforderungen der Erstanordnung erneut zu prüfen sind“, heiß es.

Schließlich wird das Gericht in Hof auch für Beschwerden über die Haft zuständig werden. Wenn ein Insasse eine Anordnung eines Mitarbeiters in der Haftanstalt für ungerecht hält, sei es der Einschluss in einem Haftraum oder wenn es um Besuchs- oder Telefonerlaubnis geht, muss ein Richter sich dessen annehmen.

Da die Insassen von Vereinen und deren Anwälten beraten werden, ist damit zu rechnen, dass den Juristen die Arbeit nicht ausgeht.

Ein Vergleich bietet ein Blick nach Oberbayern. Bei den Amtsgerichten Erding und Ingolstadt, heißt es aus Hof, in deren Bezirken die Abschiebungshafteinrichtungen Erding und Eichstätt lägen, lag im Jahr 2019 der Personalbedarf im richterlichen Bereich in der Summe bei 1,35 Arbeitskraftanteilen und im Jahr 2020 bei 0,9 Arbeitskraftanteilen, schreibt das Amtsgericht auf Anfrage. Das Jahr 2020 falle aus der Reihe, weil die Zahl der Abschiebungen in der Pandemie extrem verringert worden sei.

Wenn man dann aber noch weiß, dass Hof 150 Insassen aufnehmen kann, Erding 49 und Eichstätt 96, dann hätte München eine Rechnung aufmachen können.

Aber das Justizministerium will abwarten. Für das Amtsgericht Hof wird das wahrscheinlich Stress bedeuten. Denn die Arbeitsbelastung wird nicht nur steigen, es muss auch schnell gehen, wie das Amtsgericht schreibt: „Eine Besonderheit des Abschiebungshaftrechts ist, dass es sich in der Regel um Eilentscheidungen handelt. Dies bedeutet, dass über die vorgenannten Anträge jeweils sehr zeitnah zu entscheiden sein wird, was für das Gericht ein besonderes Maß an organisatorischem Aufwand bedeutet.“

Was dem Justizministerium personell betrachtet entgegenkommt, ist die Pandemie. „Um eine Einschleppung beziehungsweise Verbreitung des Coronavirus innerhalb der Einrichtung zu verhindern, werden zudem neu zugegangene Abschiebungsgefangene für mindestens zwei Wochen von bereits inhaftierten Gefangenen getrennt untergebracht, bis eine Corona-Infektion ausgeschlossen werden kann“, teilt das Ministerium mit. So könne die Einrichtung nur nach und nach belegt werden. Und: „Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass unmittelbar nach der Inbetriebnahme voraussichtlich nicht mehr als ein Drittel der Haftplätze belegt werden wird.“

Mit diesem Ausblick demotiviere das Ministerium all jene, die sich um Strafverfolgung kümmern. Und die Hängepartien bei Gericht durch zu wenig Personal würde „ psychische und finanzielle Belastung für Geschädigte und Opfer“ bedeuten.

„Ich weiß um die coronabedingt finanzielle herausfordernde Finanzlage des Freistaates“, schreibt Adelt. Er müsse aber davor warnen, an der falschen Stelle zu sparen. Sonst würden auch radikale Strömungen immer mehr Auftrieb bekommen.

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