In Bayern Schwangere Lehrerinnen müssen noch warten

Jürgen Umlauft
Blick ins Klassenzimmer: Die Lehrkräfte brauchen Verstärkung Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Eigentlich ist das Schulverbot ab sofort aufgehoben. Da das Kultusministerium seine Ausführungsbestimmung auf den letzten Drücker verschickt hat, werden die meisten Schulen von der Verstärkung derzeit nicht profitieren. Nicht nur deshalb gibt es Kritik.

 
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Seit diesem Dienstag dürfen schwangere Lehrerinnen in Bayern ihren Unterricht wieder in Präsenz halten – sie müssen aber nicht. Das Kultusministerium hob das bisher geltende, coronabedingte Schulbetretungsverbot für Schwangere auf und stellte diesen nach Rücksprache mit dem Frauenarzt und der Schulleitung die Rückkehr frei. Seit Beginn der Corona-Pandemie durften schwangere Lehrerinnen nur aus dem Homeoffice die sie vertretenden „Teamlehrkräfte“ anleiten, Korrekturen durchführen oder Verwaltungstätigkeiten erledigen. Das Kultusministerium beziffert die Zahl schwangerer Lehrerinnen aktuell auf knapp 3000.

Die Zahl der Rückkehrerinnen dürfte zunächst noch sehr überschaubar sein, da das Ministerium seinen mehr als 70-seitigen, mit dem Gesundheitsministerium abgestimmten Leitfaden für die Wiedereingliederung der Lehrerinnen erst am Nachmittag des vergangenen Freitags an die Schulleiter verschickt hatte. Deshalb werden an den allermeisten Schulen die Voraussetzungen für den Einsatz Schwangerer noch nicht gegeben sein. Der Vorsitzende des bayerischen Realschullehrerverbandes, Jürgen Böhm, zweifelte ohnedies die Praxistauglichkeit der ministeriellen Vorgaben an. Schulleiter seien keine Mediziner, müssten gemäß des Schreibens aber eine individuelle Gefährdungsbeurteilung für ihre Schwangeren vornehmen, ohne dafür die nötige Expertise zu haben.

„Kultus- und Gesundheitsministerium wälzen bewusst Verantwortung ab und sorgen im von Ukraine-Krieg und Pandemie belasteten Schulalltag für zusätzliche Verunsicherung“, klagte Böhm. Zudem seien die aufgestellten Regeln für die Rückkehr Schwangerer an die Schulen „fernab jeglicher Realität“. Wie solle zum Beispiel organisiert werden, dass Schwangere außerhalb der üblichen Stoßzeiten das Schulgelände betreten und verlassen sollen, wo sollten die Räume für ein eigenes Büro herkommen, woher die großen, gut belüftbaren Klassenzimmer, fragte Böhm. Solche verwaltungsintensive Regeln trügen nicht zur Lösung personeller Engpässe bei, sondern sorgten vielmehr für Unmut und weitere Belastungen.

Der Kritik schloss sich die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, an. Sie hat bei den betroffenen Lehrerinnen zwiespältige Gefühle bezüglich einer Rückkehr an die Schulen ausgemacht. Zum einen wüchsen bei vielen die Sorgen angesichts aktuell stark steigender Corona-Inzidenzen vor einer Ansteckung und daraus möglicherweise resultierenden Folgen für das ungeborene Kind, zum anderen gebe es nicht wenige Kolleginnen, die unter dem Modell „Teamlehrkraft“ gelitten hätten und nach dem Motto „schwanger ist nicht krank“ unbedingt selbst wieder vor ihre Klassen möchten. Vor diesem Hintergrund begrüßt Fleischmann die gewährte Freiwilligkeit der Rückkehr. Dass die Verantwortung dafür am Ende auf die Schulleiter übertragen werde, hält aber auch die BLLV-Präsidentin für weder sachgerecht noch zumutbar. Die Entscheidung müsse auf Basis eines „astreinen medizinischen Urteils“ fallen.

Aus dem Kultusministerium heißt es, mit dem Wegfall des Betretungsverbots sei nicht automatisch die sofortige Rückkehr aller Schwangeren beabsichtigt gewesen. Diese erfolge „nicht als Zwang, sondern als Möglichkeit“, hatte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) schon Mitte September angekündigt. Es sei nun ein Prozess angestoßen worden, die betroffenen Lehrerinnen sukzessive wieder an die Schulen zurückzuholen, teilte das Ministerium nun mit. Die Schulleiter hätten also Zeit, die Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und entsprechende Schutzmaßnahmen umzusetzen. Zudem seien Schwangere nicht für die „Basisabdeckung des Unterrichts“ eingeplant, sondern könnten in Präsenz für Differenzierungs- und Fördermaßnahmen eingesetzt werden und ansonsten wie bisher von zu Hause aus arbeiten. Die tägliche Einsatzzeit sei eine individuelle Entscheidung von Schule und Schwangerer. Kommentar Seite 4

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