In Tröstau Aus dem Pfarr- wird ein Gemeindehaus

Nur für den Pfarrer gibt es nun im Ort keinen Platz mehr, sodass Hans-Hermann Münch pendeln muss. Die Jugendlichen hingegen erhalten wieder einen eigenen Raum.

 
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Im Jugendraum steht der Kicker schon bereit. Pfarrer Hans-Hermann Münch und Anke Günßler haben ihn ausprobiert. Foto:  

Ein Pfarrer mag zwar einen guten Draht nach oben haben. Wenn es um das profane Geld geht, sind aber auch ihm die Hände gebunden. Genauso ist für Hans-Hermann Münch die Situation, als er 2019 die Pfarrstelle in Tröstau und die Nachfolge von Pfarrerin Doris Schirmer-Henzler und Pfarrer Christof Henzler antritt. Zu der Zeit gibt es große Pläne für die Gemeinde: Endlich sollen die evangelischen Christen wieder ein Gemeindehaus bekommen, nachdem der bisherige Saal dem Büro der Diakoniestation weichen musste. Geplant ist die große Lösung: Erst will die Kirchengemeinde das Pfarrhaus renovieren und anschließend ein kleines Gemeindehaus auf dem Kirchplatz an der Stelle des einstigen Jugendraumes bauen.

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Asbest und Gift

„Doch als die Ingenieure 2019 das Pfarrhaus inspizierten, summierten sie die Kosten auf rund 400 000 Euro“, berichtet Pfarrer Münch im Gespräch mit unserer Zeitung. Wie sich herausstellt, enthält der Estrich Stoffe, die heute als giftig klassifiziert sind. Und in der Dachdämmung finden die Experten Asbest. „Dass beides, die Renovierung und der Bau des Gemeindehauses, nicht möglich ist, war mir schnell klar, das würde uns auch wegen des Unterhalts der Gebäude dauerhaft überfordern.“

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern kommt die fünfköpfige Familie Münch nun nicht in den Genuss des exklusiven Kösseine-Blicks, der sich vom Wohnzimmer aus bietet. „Nein, wir haben uns ziemlich schnell entschieden, in unserer Wohnung in Weißenstadt zu bleiben.“ Logistisch und seelsorgerlich ist das kein Problem. „Alle haben meine Telefonnummer, und mittlerweile habe ich mich an Whatsapp gewöhnt. Wenn ich schnell benötigt werde, bin ich innerhalb von zwölf Minuten von Weißenstadt aus in Tröstau.“ Mehr als einmal hat der Pendler-Pfarrer seinen Dienstweg gestoppt – alles im grünen Bereich.

Nirgends Barrieren

Dank Münchs Entscheidung kommt die Gemeinde doch noch zu einem Gemeindehaus. Im Pfarrhaus ist Platz genug dafür. „Das Pfarrbüro war eh immer schon hier. Und mit zwei Mauerdurchbrüchen und einer neuen Wand sind ein wunderbarer Pfarrsaal für 50, 60 Besucher, eine kleine Küche samt Anrichte und eine zusätzliche Behindertentoilette entstanden.“ Die Barrierefreiheit war der Gemeinde wichtig. So gibt es im gesamten Erdgeschoss keine Türschwellen mehr, und neben der Eingangstreppe entsteht derzeit noch eine für Rollstuhl- und Rollatorfahrer gut befahrbare Rampe. „Für deren Bau haben wir eine gute Förderung der Stiftung Aktion Mensch erhalten.“ Die Rampe entspricht allen Normen und wird wegen der vorgeschriebenen maximalen Neigung von sechs Prozent relativ üppig ausfallen.

Nicht mehr im Bushäuschen

Am Sonntag weiht Dekan Peter Bauer um 14 Uhr in einem Festgottesdienst das neue Gemeindehaus ein. Als Schmankerl für die jungen Tröstauer geht am Sonntag auch der neue Jugendraum für 14- bis 20-Jährige in Betrieb. Diesen spendiert die evangelische Kirchengemeinde der Jugend im Ort. Wie Anke Günßler, die sich um die Koordinierung der Arbeiten kümmert, sagt, ist sie vom Engagement aller Beteiligten begeistert. „16 Firmen und acht Privatleute spendeten, sieben erwachsene Helfer und etwa ebensoviele Jugendliche packten beim Umbau des Häuschens mit an. Auch die Bauhofmitarbeiter waren zur Stelle, wenn wir sie benötigten.“

Die 55 Jahre alte Anke Günßler hat einen ganz besonderen Bezug zu dem Raum: Als sie eine Jugendliche war, also vor rund 40 Jahren, verbrachte sie ihre Freizeit ebenfalls im Jugendraum, der seinerzeit schon mal hier untergebracht war. „Umso wichtiger ist es, dass unsere Jugendlichen wieder einen Platz im Ort haben. Es kann nicht sein, dass sich die Mädchen und Jungen in Bushäuschen oder auf Spielplätzen treffen müssen.“ Ein Kicker steht übrigens schon mal bereit. Und vor dem Treff gibt es eine überdachte Bank und eine Feuerstelle.

Etwas wehmütig verfolgt 120 Kilometer westlich Pfarrer Gotthart Preiser in Hassfurt die Neuerungen in Tröstau. Preiser wird heuer 91 Jahre alt und war ab den 50er-Jahren eineinhalb Jahrzehnte Pfarrer der seinerzeit jungen Tröstauer Gemeinde. „Natürlich werde ich am Sonntag zum Festgottesdienst kommen“, sagt er am Telefon der Frankenpost. Er erinnert sich gerne an seine Zeit in der Gemeinde. „Zunächst wohnten wir unten im Dorf zur Miete. Ich habe den Bau des 1961 fertig gewordenen Pfarrhauses miterlebt und das Richtfest mitgefeiert. Meine Frau, ich und die Kinder waren die ersten Bewohner.“

Pauline, der Pfarr-Esel

Wo sich demnächst die Jugendlichen treffen, schlief einst Pauline – der Esel der Familie Preiser. Dieser hatte es in sich, zog er doch nicht nur ab und an einen Wagen, auf dem die Kinder aus dem Dorf saßen, sondern diente als lebende Dekoration in der Kirche. „Pauline machte sich im Weihnachtsgottesdienst wunderbar“, sagt der frühere Pfarrer und lacht.

Zurück zum neuen Gemeindehaus. Die erste Nutzerin ist Pfarrsekretärin Marion Friedrich. Wegen der Renovierungsarbeiten hatte sie bis in den Winter hinein ihr Büro im zukünftigen Jugendraum aufgebaut. „Ganz ehrlich: Ich bin richtig froh, jetzt wieder hier sein zu dürfen.“ In den kalten Wochen spendete lediglich ein Gasheizer Wärme. Damit sie arbeiten konnte, zogen die Techniker die Telefon- und Internetkabel vom Pfarrhaus in den Jugendraum.

Eine Frage der Fügung

Die Pfarrsekretärin und Hans-Hermann Münch werden weiterhin ihre Büros im Gemeindehaus behalten. Wer das Gebäude betritt, findet sie auf der linken Seite des Flurs. Rechts befindet sich der neue, geräumige Gemeindesaal mit dem fantastischen Blick zur Kösseine. Über einen weiteren Flur gelangen die Gäste zu den Toiletten. „Leider können wir das obere Stockwerk nicht nutzen, das wäre zu aufwendig geworden“, sagt der Pfarrer. So hätte die Gemeinde auch im Obergeschoss eine weitere Fluchttreppe installieren müssen. Außerdem enthält die Dachdämmung Asbest, dessen Sanierung extrem aufwendig ist. „Schon für die Erneuerung des Estrichs im Erdgeschoss mussten die Arbeiter eine Schutzkleidung tragen.“ Letztlich hat sich mit der aktuellen Lösung alles zum Besten gefügt, und jeder ist zufrieden. Und Geld hat die Gemeinde auch gespart: Statt der 2019 veranschlagten 400 000 Euro allein für die Sanierung des Pfarrhauses kostet die jetzige Lösung alles in allem 350 000 Euro.

Der Festgottesdienst zur Einweihung des Gemeindehauses beginnt am Sonntag um 14 Uhr in der Christuskirche. Anschließend, gegen 15.15 Uhr, haben alle Interessierten bis gegen 17 Uhr die Gelegenheit, das Gemeindehaus zu besichtigen. Auf dem Kirchplatz ist ein Zelt aufgebaut, in dem die Gäste mit Kaffee und Kuchen bewirtet werden. Wegen der angespannten Corona-Situation besteht im Gottesdienst und bei der Besichtigung des Gemeindehauses Maskenpflicht. Pfarrer Hans-Hermann Münch bittet darum, besonders auf die Hygiene zu achten.