Den Begriff „Heimat“ sahen beide Diskutanten als problematisch an. Canbay lehnte ihn ab: „Hof als Heimat wird mir oft von anderen aberkannt. Aber ich lebe und ich liebe hier,“ erläuterte der Ehemann und Vater zweier Töchter. Der Begriff werde missbraucht, „um Menschen wie mich auszugrenzen“. Heimat sei für ihn kein Ort, sondern die Summe schöner Erinnerungen.
Anders sei das bei seinen Eltern, deren Heimat ein Dorf sei, 3500 Kilometer von Deutschland entfernt, eine „Geröllwüste“ ohne Strom und sanitäre Anlagen, mit der er sich nicht identifizieren könne. Als Kind sei er mit den Eltern regelmäßig in die „Heimat“ gefahren. Schon die Erledigung der Grundbedürfnisse in der freien Natur sei für ihn traumatisch gewesen, da er an andere Hygienestandards gewöhnt war. „Alles andere war auch nicht schön.“
Heimat muss nicht schön sein, protestierte Werner, und die Vorstellung davon müsse sich auch nicht mit der Vorstellung der Eltern decken. Heimat habe aber mit Sprache zu tun: „Das ist der Ort, an dem man sich wohlfühlt, an dem man sich verständigen kann und verstanden wird.“ Werner musste allerdings zugeben, dass dieser Begriff auch negative Assoziationen weckt, etwa mit dem Dritten Reich. Zudem werde die „Heimat“ Menschen oft von außen zugewiesen, auch wenn sie mit dem Land nichts anfangen können, weil sie in Deutschland geboren sind.
Genau wie die Religion – Kenan Canbay werde oft unterstellt, ein gläubiger Muslim zu sein. Dabei sei er überhaupt nicht religiös, auch wenn er den Glauben anderer Menschen respektiere. Er selbst empfinde Religion als Korsett, weil man sein Tun mit den vorgegebenen Regeln abgleichen müsse. Wo dann aber die Werte entstehen, fragte Moderator Olaf Hofmeister. „Wie bei allen Menschen – in der unmittelbaren Umgebung, in der man aufwächst“, antwortete Werner. Aus Werten leiteten sich Gesetze und Regeln ab – auch „ungeschriebene Gesetze“, die in einer Region oder einem Land gelten. Durch Sozialisation könne man sich den Gepflogenheiten nähern, meinte Werner. Aus Erfahrung wusste Canbay aber, dass manchen Menschen – auch nach vielen Jahren – die Sitten und Gebräuche des Landes, in dem sie leben, fremd bleiben.