Ein Prozess, den keiner gewinnen kann

 Inzwischen streiten sie schon länger, als sie überhaupt verheiratet waren: Zum Auftakt des Zivilprozesses zwischen Johnny Depp  und Amber Heard haben beide Seiten heftige Vorwürfe erhoben. Die Anwälte der Ex-Eheleute griffen in ihren Eröffnungsplädoyers am Dienstag vor einem Gericht im Bezirk Fairfax im US-Bundesstaat Virginia die Gegenseite scharf an. Heard habe mit schamlosen Lügen und erfundenen Aussagen den Ruf von Depp geschädigt und damit irreparablen Schaden angerichtet, warf Depps Anwalt der Schauspielerin vor. Sie habe sich als unschuldiges, misshandeltes Opfer präsentiert, um ihre eigene Karriere zu fördern.

Heards Anwalt versprach Beweise, die den 58-jährigen Schauspieler Depp als alkohol- und drogensüchtigen Gewalttäter entlarven würden. „Hinter den roten Teppichen, hinter dem Ruhm, hinter dem Geld, hinter den Piraten-Kostümen werden Sie sehen, wer dieser Mann wirklich ist.“ Die Beweise würden zeigen, dass Heard tatsächlich Opfer häuslicher und sexueller Gewalt durch Depp geworden sei.

Wer hat wessen Ruf zerstört?

Es gehe in dem Verfahren aber nicht darum, Schiedsrichter über die „unvollkommene Ehe von zwei Filmstars“ zu sein, sondern über Redefreiheit zu entscheiden, erklärte Heards Anwalt. Im Mittelpunkt des Prozesses steht ein Kommentar, den die Schauspielerin 2018 in der „Washington Post“ veröffentlicht hat.

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Depp wirft seiner 35-jährigen Ex-Frau vor, in diesem Artikel falsche Aussagen gemacht zu haben. Dadurch habe sie seinem Ruf geschadet. „Über fast 30 Jahre hat sich Herr Depp den Ruf als einer der talentiertesten Schauspieler in Hollywood aufgebaut“, sagte der Anwalt des Schauspielers zum Prozessauftakt. „Heute wird dieser Name mit einer Lüge, einer Falschaussage seiner früheren Ehefrau in Verbindung gebracht.“ Heard sieht wiederum durch Depps Anschuldigungen ihren Ruf geschädigt.

Der „Fluch der Karibik“-Star verlangt wegen Verleumdung rund 50 Millionen Dollar (umgerechnet gut 45 Millionen Euro) Schadenersatz sowie eine Geldbuße. Seine Ex-Frau fordert in ihrer Gegenklage Schadenersatz in Höhe von 100 Millionen Dollar.

James Franco und Elon Musk im Zeugenstand

Der Prozess soll rund sechs Wochen dauern. Depp und Heard werden selbst aussagen, außerdem werden prominente Zeugen erwartet, darunter Tesla-Chef Elon Musk und die Schauspieler Paul Bettany und James Franco. Musk war mit Heard für kurze Zeit liiert.

Heute hat Heard eine Tochter, die sie allein aufzieht. Auf Instagram äußerte sich die Schauspielerin zum Prozess in Fairfex: „Ich habe Johnny immer geliebt und es ist sehr schmerzlich, dass wir die Details unseres früheren Lebens zusammen vor der ganzen Welt wiedererleben müssen.“ Sie habe in dem Meinungsartikel geschildert, wie Frauen den Preis dafür zahlen, wenn sie die Stimme gegen mächtige Männer erheben. „Ich zahle diesen Preis noch immer, doch wenn dieser Prozess beendet ist, kann ich das hoffentlich endlich hinter mit lassen und Johnny ebenso.“

Ehe dauerte nur 15 Monate

Amber Heard und Johnny Depp hatten sich bei Dreharbeiten kennengelernt. Sie verlobten sich 2014 und heirateten 2015. Ein Jahr später reichte die Schauspielerin die Scheidung ein. Insgesamt dauerte die Ehe nur 15 Monate.

Schon 2020 hatte es eine Gerichtsverhandlung in der Sache gegeben: Damals hatte Depp den Verlag der britischen „Sun“ wegen eines Artikels verklagt, in dem es hieß, Depp habe Heard misshandelt. Der Prozess in London zeichnete das Bild einer zutiefst zerstörerischen Promi-Ehe. Beide warfen einander vor, in der Beziehung gewalttätig geworden zu sein. Heard erhob in der Verhandlung schwere Vorwürfe: Ihr Ex-Mann habe sie angeschrien, getreten, sogar gewürgt. Depp räumte zwar ein, drogen- und alkoholsüchtig gewesen zu sein, handgreiflich sei er aber nie geworden. Im Gegenteil: Heard habe ihn angegriffen. Der Schauspieler ließ sich von seinen Ex-Partnerinnen Winona Ryder und Vanessa Paradis ein Zeugnis über seinen Charakter ausstellen. Depp scheiterte schließlich mit der Klage.

Depps Karriere hat durch die Vorwürfe einen kräftigen Knick erlitten: Seine Rolle als Gellert Grindelwald in der Filmserie „Phantastische Tierwesen“ musste der Schauspieler 2020 auf Druck des Produktionsstudios abgeben. Depp sieht sich als Opfer der „Cancel Culture“. „Es ist jetzt so weit aus dem Ruder gelaufen, dass ich Ihnen versprechen kann, dass niemand sicher ist. Nicht einer von Ihnen“, sagte der Schauspieler 2021 beim Filmfestival von San Sebastián, wo er einen Preis für sein Lebenswerk verliehen bekam – eine nicht nur in Spanien stark umstrittene Entscheidung.