Heidrun und Helmut Ficht bewirten s eit vier Jahrzehnten Gäste in Spielberg. Die Wirtsstube hat für beide noch eine besondere Bedeutung: Sie haben sich dort kennengelernt.
Ein Winter-Wonnemonat ist der Februar 2021. Der Selber Ortsteil Spielberg gleicht einem Winterwunderland. Der Schnee auf den Feldern glitzert in der Sonne, die Fichten am Kornberg sind schneeweiß. Von weit her ist der gelbe Kirchturm zu sehen. Die Wirtsleute gegenüber haben viel zu erzählen. „Vor 40 Jahren war das Wetter genauso wie heute“, erinnert sich Helmut Ficht. Schnee gab es vier Monate lang, bis in den April.
Das Metier von Helmut Ficht sind der Ausschank und die Wirtsstube. „Früher, als wir hier anfingen, hatten wir sehr viele Skifahrer“, sagt Ficht. Nach den Skitouren am Kornberg ging es in der gemütlichen Wirtsstube hoch her. „Die Leut’ sind rein, haben ihr Weizen und ein Glas gleich mitgenommen und selbst eingeschenkt.“ Fünf Kästen in einer Stunde, das war normaler Betrieb an Schönwetter-Wintertagen. Und die Nächte waren lang. Nach dem Skikurs, manchmal erst um 21.30 Uhr, sind die Wintersportler eingekehrt. „Da ging die Post ab!“, ergänzt Heidrun Ficht. „Schöne Zeiten waren es, und von überall sind die Leute hergekommen.“ 1981 war Heidrun Ficht 20 Jahre alt und schwanger. „Als wir das Wirtshaus übernahmen, hat meine Mutter die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen“, lacht die gestandene Wirtin und gelernte Wurst- und Fleischfachverkäuferin. Einen Sonntag mit Regelbetrieb und gutbürgerlicher Küche vorzubereiten dauert 17 Stunden. Eingekauft wird meistens am Ruhetag, dem Donnerstag. Von morgens um 7 Uhr wird geschnippelt, gebraten und gekocht. „Was ich können musste, lernte ich von meiner Schwiegermutter“, berichtet Ficht.
Kennengelernt haben sich die beiden 1979 beim Fasching in jenem Wirtshaus, das sie nun seit vier Jahrzehnten betreiben. Die Wirtsstube war früher Bürgermeister- und Standesamt. Auch von der Polizei wurde das Gebäude genutzt, in Kriegszeiten war es Schulhaus, später ein Wohnhaus. In den 70er-Jahren wurde vom Vorgänger, dem Schwager von Helmut Ficht, das Haus saniert und zum Gasthaus umgebaut.
„Ich hätte nie gedacht, dass wir so oft den Pachtvertrag verlängern“, sagt Heidrun Ficht und blickt über die pandemiebedingt freien Tische, die auf Abstand stehen. „Hier drin habe ich mein Leben verbracht“, sagt sie und ist auch ihren Kindern Tamara und Dominik dankbar, die „viel zurückstecken mussten“.
In den vergangenen 40 Jahren richteten Heidrun und Helmut Ficht unzählige Festlichkeiten aus: Konfirmationen und Hochzeiten mit Gesellschaften „von überall her“. Helmut Ficht erinnert sich an die Stammtische, die bis vor ein paar Jahren jeden Sonntagabend pünktlich um 19 Uhr stattfanden. Das war gelebte Dorfgemeinschaft: „Wenn einer nicht da war, musste ich anrufen, was mit dem los ist“, stellt Helmut Ficht fest. So etwas wie die Pandemie haben sich die Wirtsleute nicht vorstellen können. „Das geht allen Wirten im Umkreis so“, meint Ficht. Kanister mit Desinfektionsmittel stehen im Vorratsraum und werden derzeit allerdings nicht gebraucht, denn Gaststätten sind nach wie vor geschlossen. Heidrun und Helmut Ficht hoffen, dass der Betrieb baldmöglichst wieder laufen kann.
Zwei Ruhetage gönnen sich die Wirtsleute – im Normalbetrieb. Bis es soweit ist, gibt es sonntags gutbürgerlichen Mittagstisch zum Abholen. Ein bisschen bange ist Heidrun Ficht vor dem Ruhestand. „Nach 45 und mehr Jahren auf einmal aufzuhören, das wird nicht einfach.“ In der vergangenen Woche gratulierten Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch, Vermieter Niko Ploß und Wirtschaftsförderin Nadja Hochmuth zum Jubiläum.