Kabarett im Rosenthal-Theater Eine Selber Depesche an Putin

Bruno Jonas nimmt in Selb die Genderverfechter, die fehlende Lösung der Klimakrise und so manchen Politiker aufs Korn. Nur zu einem Thema will er nix sagen.

„Manchmal werden die alten Dämonen aktiv“: Bruno Jonas beim Auftritt im Rosenthal-Theater. Foto: Florian Miedl

„ ,Sag nix über die Ukraine’, hat meine Frau gesagt.“ Damit nimmt Bruno Jonas am Dienstagabend dem Publikum im Rosenthal-Theater schon mal erste Vorfreude darauf, was ein so renommierter Vertreter des politischen Kabaretts zur aktuellen Krise zu sagen hat. „Es ist auch manchmal gut, wenn einer nix sagt“, meint er, und es klingt ein wenig, als richte er diese Zurechtweisung vor allem an sich selbst.

Nach der Werbung weiterlesen

Aaaber man könnte ja einen Brief schreiben, wie diese 28 Intellektuellen. Gemeinsam mit dem Publikum. Eine „Selber Depesche“, sozusagen. Direkt an Putin. Das allerdings bringt ihm ein missmutiges „Oooah“ vom Publikum ein. Ja also, zu sagen hätte er genug, der Jonas. Das macht er aber nur zu Hause vor dem Fernseher: „Ich bin manchmal kurz vor dem Tourette!“, gibt er zu. „Was ich dem Putin schon alles an den Kopf geschmissen hab!“ Aber: Nein, er sagt nix über die Ukraine.

Hofreiter kennt sich aus

Dafür über so manchen Politiker. Über den Erdogan etwa – „von dem hört man gar nix mehr, dabei hat er einige deutsche Leoparden, die wir heute selber gut brauchen könnten“. Besonders erstaunt ist der 69-Jährige über den Grünen Anton Hofreiter. „Der ist promovierter Biologe; der kennt sich aus!“ Hofreiter sei, so scheint’s, mittlerweile auch Zoologe: „Der kennt sich jetzt auch mit Mardern und Leoparden aus.“ Oder die FDP-Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Die könnt ich mir gut in Uniform vorstellen ...“ Ganz zu schweigen von der feministischen Außenpolitik! Auf jeden Fall ist er froh, „dass wir so viele Experten haben, die alles aus der Ferne so gut beurteilen können“. Ja, er ist ruhiger geworden, der kämpferische Kabarettist. Aber manchmal „werden die alten Dämonen aktiv, und ich schimpfe gegen die SPD. Obwohl: Die stellt ja den Kanzler – und den sollte man in Ruhe lassen.“

Nach seinem Rundumschlag zum Aufwärmen, den sich der Vollblut-Kabarettist dann doch nicht verkneifen wollte, kommt er zum Punkt: „Jetz fang mer an.“

„Meine Rede“ heißt sein aktuelles Programm, das – wie so vieles in der Kultur – zuletzt längere Zeit auf Eis liegen musste. Der langen Pause ist wohl auch geschuldet, dass ihm das Manuskript zweimal durcheinanderkommt. Doch Bruno Jonas wäre nicht Bruno Jonas, wenn er das nicht auf charmant-münchnerische Art überspielen würde.

Stroh und Lorbeeren

Weit, jedenfalls, kommt er nicht mit dieser seiner Rede, denn schon die formelle Anrede gibt ihm zu denken. „Meine verehrten Damen und Herren“ sei womöglich rhetorisches Stroh, also leeres Gewäsch; und enthalte außerdem Vorschusslorbeeren: „Ob ich sie verehre, weiß ich ja erst hinterher.“ Überhaupt „Damen“ – wo gibt’s die heute noch? Und dann „Herren“, wo der Machtanspruch schon drinsteckt. Das sei doch heute nicht mehr zeitgemäß angesichts der gendergerechten Sprache. Das wäre ja vielleicht ein Affront, ein Missgriff; vielleicht sagt man besser nur „Anwesende!“ oder „Menschen und Menschinnen ...“

Nur eines ist ihm persönlich sehr wichtig: der Unterschied zwischen Mann und Frau. „Ich bin ein ausgesprochener Fan vom geschlechtlichen Unterschied.“ Dieser Unterschied bedinge schließlich das Prinzip der Fortpflanzung. Wenn Genderverfechter wie die Philosophin Judith Butler meinen, die unterschiedlichen Geschlechter seien eine Konstruktion und „die Frau“ eine „gesellschaftlich zwanghafte Fiktion“, dann befürchtet er, dass das Wort „Frau“ aus dem deutschen Wortschatz verbannt wird. „ ,Hausfrau’ gibt es schon gar nicht mehr und ganz schlimm ist ,Hausfrau und Mutter’. Wenn man das sagt, läuft man doch in Gefahr, in die rechte Ecke gestellt zu werden.“ Deshalb bietet er, in einem Gedicht, das in der Pandemie entstanden ist, dem Wort „Frau“ Schutz vor den „gerechten Genderisten“.

Demokratie aussetzen

Das zweite große Thema, dem sich der Kabarettist widmet, ist Klimawandel beziehungsweise Klimakrise – da ist er mit seinem Gegenüber schon auf Konsens bedacht. Und auf eine schnelle Lösung: „Unsere Demokratie schließt doch undemokratische Verfahrensweisen nicht aus; das haben wir schon erlebt zum Beispiel bei der Bankenrettung oder beim Ausstieg aus der Atomkraft. Das ging ja auch.“ Deshalb sei die Frage, ob man die Demokratie nicht für ein paar Jahre aussetzen kann fürs Klima. „Demokratische Prozesse dauern zu lange.“

Wenn er seine Zuhörer mit solchen anarchistischen Gedanken nachdenklich gemacht hat, entschuldigt sich Bruno Jonas. Solche Stellen, aber auch Themen, die er unnötig ausbreitet, gibt es einige in diesem Programm.

Irrwitziges Kabinettstückchen

Wirklich witzig dagegen ist ein irrwitziges Kabinettstückchen aus dem richtigen Leben, eine Geschichte, die „symptomatisch ist für den Service in diesem Land“: Wenn er in der Warteschleife am Telefon, in der er schon zu Beginn des Abends seit 40 Minuten hing, beim neuen Internet-Anbieter endlich jemanden erreicht. Im Gespräch mit den – sächsisch sprechenden – Serviceleuten am Telefon und mit dem Techniker in seiner Wohnung – „wenigstens ein Bayer!“ – läuft Bruno Jonas zur Hochform auf. Nicht nur, dass wohl jeder im Saal seine schiere Verzweiflung wegen der kompliziert scheinenden technischen Hilfeleistung nachvollziehen kann – er spielt die Dialoge auch unvergleichlich und in einem Tempo, dass er sich schier selbst überholt und verwirrt. Köstlich.

Sein Selber Publikum entlässt er an diesem Abend mit einem abgewandelten Zitat von Otto Julius Bierbaum („Humor ist, wenn man trotzdem lacht“). Bei Bruno Jonas heißt das: „Leute, lasst uns mehr Trotz entwickeln, damit wir mehr zu lachen haben.“