Kicken für Antonia Ein einmaliges Fußball-Fest

Für die behinderte Antonia kickten am 26. Juni unter anderem (von links) 1990er-Weltmeister Pierre Littbarski, der 14-fache Paralympics-Weltmeister im Skilaufen, Gerd Schönfelder, Ex-Bundesligaspieler und Sky-Sportreporter Torben Hoffmann sowie Ex-Weltmeister Klaus Augenthaler. Links im Bild der Vater von Antonia, Alexander Braun. Foto:  

Zum Jahresende blickt die Familie aus Meierhof auf berührende Augenblicke zurück. Weihnachten feiern die Brauns wie viele andere auch: mit Bratwürsten und Kraut.

 
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Weißenstadt - Plätzchen backen, Weihnachtslieder singen, einen Brief ans Christkind malen oder schreiben, gemeinsam die Stube mit leuchtenden Kerzen, Zweigen und weihnachtlicher Dekoration schmücken – all diese Dinge bringen Kinderaugen zum Leuchten. Antonia wird all diese Dinge niemals machen können. Und Familie Braun hat für solche Dinge eigentlich auch nie Zeit. Denn Antonia fordert Alexandra und Alexander Braun rund um die Uhr. Einzig ihr Wohlergehen steht im Mittelpunkt. Und dennoch stand dieses Jahr für die Brauns unter einem ganz besonders hell leuchtenden Stern: Mit Fußballer-Legenden haben Antonia und ihre Eltern ein Fest der Superlative erlebt. Und mit ihnen viele Sportfreunde.

Da blieb kein Auge trocken

Alexandra Braun blickt noch einmal zurück auf die vielen emotionalen Momente, die am 26. Juni in einem Benefizspiel gipfelten, das es so weit und breit noch nie gab und auch kein zweites Mal geben wird. „Wir zehren noch immer von diesem Fußballfest. Da ist kein Auge trocken geblieben.“ Apropos Auge: Auge, Litti und Hansi geben sich an besagtem Sommertag die Ehre auf dem Rasen in Weißenstadt. Gut mehrere tausend Besucher – und die Tickets hätte man sicherlich verkauft, wäre da nicht die lästige Pandemie gewesen, die alles ziemlich einschränkte – hätte der Sportplatz locker gepackt, als mit den drei 1990er-Weltmeistern Klaus Augenthaler, Pierre Littbarski und Hans Pflügler Legenden zur Hochform aufliefen. Allesamt nur für Antonia, das Mädchen aus Meierhof, das schwerstbehindert zur Welt gekommen ist – geistig und körperlich.

Ein Muss, hierher zu kommen

„Viele von uns haben Kinder, die gesund sind. Es ist ein Muss, hierher zu kommen, wenn man die Zeit hat. Und wenn man sie nicht hat, muss man sie sich einfach nehmen.“ Klaus Augenthalers Beweggrund, erstmals in den Kurort im Fichtelgebirge zu kommen, ist eindeutig. Und neben dem karitativen Zweck hat der legendäre Profi-Kicker von einst größte Freude daran, die alten Kollegen mal wiederzusehen, gegen die oder mit denen er früher mal gekämpft hat.

Verrücktheit als Ansporn

„Der Verrücktheit dieses Mannes ist es zu verdanken, dass ich noch einmal die Fußballschuhe geschnürt habe.“ Das erzählt an jenem sonnigen 26. Juni, als Promi-Legenden gegen regionale Legenden Fußball spielen, kein anderer als Pierre Littbarski. Organisator Wolfgang Heß hat zehnmal bei dem Promi angerufen. Das hat Litti berührt. „Der ist mit dem ganzen Herzen dabei, so etwas Großes auf die Beine zu stellen.“

Mit einem großen Hallo begrüßen die 470 Zuschauer – mehr sind wegen Corona nicht gestattet – die Kicker, die ohne den geringsten Hauch von Starallüren auf den Platz einlaufen. Autogramme vor und nach dem Spiel sind für die Profis Ehrensache. Etliche von ihnen haben die Organisatoren der SpVgg Weißenstadt schon im Vorfeld mit zum Teil legendären Gaben beschenkt, die zugunsten des behinderten zwölfjährigen Mädchens versteigert werden. Die Kasse klingelt schon vor dem Benefizspiel mit den 1990er-Weltmeistern und anderen Spitzen-Kickern ganz ordentlich. Da wechseln so mancher Fußball mit berühmten Unterschriften, so manches Trikot oder auch handsignierte Fußballschuhe, die bei einem Sieg getragen worden sind, den Besitzer.

Sehr emotional

Antonia sitzt in ihrem Rollstuhl, bekommt einen Ehrenplatz am Rande des Spielfelds. Ob sie mitkriegt, dass dieses Riesenspektakel in Weißenstadt einzig und allein ihr zu Ehren über die Bühne geht? Leider nicht. Doch Alexandra und Alexander Braun, denen an diesem Tag mehrmals die Tränen vor Rührung in den Augen stehen, sind nahezu fassungslos, wie rührend sich die Promis um ihr Töchterchen kümmern, ihr über die Wange streichen, sie in den Arm nehmen. „Das war schon sehr emotional“, erzählt die Mutter. Und man merkt, wie sie alles vor ihrem geistigen Auge noch einmal erlebt. „Die waren alle wie du und ich und hatten keinerlei Berührungsängste, Antonia direkt anzusprechen.“ Auch wenn Mama Alexandra einmal zur Ruhe kommt, was selten der Fall ist, dreht sich alles nur um Antonia. „Wir beschäftigen uns immer mit der Frage, wer kümmert sich um sie, wenn wir früher gehen. Und würde Antonia früher gehen müssen, wie würde man das aushalten?“

Kaum richtiger Schlaf

Das Mädchen scheint Durst zu haben. Alexandra Braun vermutet das. Sie setzt die dicke Spritze am Bauch der Tochter an. Die Flüssigkeit führt direkt über die Sonde in den Körper. „Das machen wir einmal die Stunde.“ Auch nachts? „Ja, auch nachts. Da aber nur alle zwei Stunden.“ Pause gibt es für die Eltern nicht. Sie sind immer da für ihr Kind. Eine Nacht schläft der Vater bei Antonia, eine Nacht die Mutter. Denn alle zwei Stunden ist das Mädchen, das sich in dem riesigen Spezialbett in alle Richtungen dreht, wach. Richtig ausgeruht sind Alexandra und Alexander Braun daher nie.

Freude an einfacher Knister-Folie

Aber sie stecken es weg mit einem Lächeln, sind dankbar für die Zuwendungen und noch dankbarer für glucksende Laute, die Antonia ausstößt. „Hörst du, sie möchte erzählen.“ Die Mutter gibt ihr ein Stück von der Rettungsdecke in die Hand. Antonia knetet die Gold und Silber glänzende Folie, die so schön raschelt. „Ihr Lieblingsspielzeug.“ Geschenke zu Weihnachten? Außer Kleidung gibt es nichts für Antonia. Sie würde nichts damit anfangen können. Ebenso wenig wie mit dem Essen an Heiligabend. Antonia bekommt Spezialnahrung über die Sonde. Aber dennoch kommen Bratwürste mit Kraut an Heiligabend bei Familie Braun auf den Tisch. Ein bisschen Normalität wenigstens für Alexandra und Alexander Braun. So, wie bei vielen anderen Familien auch.

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