Klimawandel in den Bergen Warum wird Wandern in den Alpen immer gefährlicher?

Markus Brauer/

Die Alpen sind immer ein Terrain mit Gefahren. Der Klimawandel macht Wandern und Bergsteigen aber noch risikoreicher. Der Rat von erfahrenen Bergführern ist deshalb gefragter denn je.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Über den Gletscher geht es in der Regel am besten als Gruppe in einer Seilschaft. Foto: Michael Zehender/dpa-t/n

Vielerorts in den Alpen lockert sich mit dem Klimawandel Gestein, weil die gefrorenen Felsschichten antauen oder weil eindringendes Wasser Druck in Spalten erzeugt, die früher ganzjährig von Schnee und Eis bedeckt und durch den Permafrost zusammengehalten wurden. Die Menschen sind alarmiert.

Nach der Werbung weiterlesen

Wird Wandern und Bergsteigen in den Alpen gefährlicher?

Wandern und Bergsteigen in den Alpen wird nach Einschätzung von Experten durch den Klimawandel risikoreicher. „Die Gefahr im Gebirge wächst, das ist keine Frage“», sagt Rolf Sägesser, Fachleiter Ausbildung und Sicherheit Sommer beim Schweizer Alpen-Club SAC. Angesichts dieser Lage wächst nach Angaben der Bergführer in Österreich der Bedarf an fachmännisch geführten Touren.

Zur aktuellen Hochsaison sei es teils schwierig, noch Bergführer buchen zu können, erklärt der Präsident des Salzburger Bergsportführerverbands, Wolfgang Russegger. „Manch einer will sich einen Gletscher anschauen, bevor es sie nicht mehr gibt“, so Russegger über eines der Motive.

Gerade Gletschertouren seien aufgrund des Klimawandels und der dadurch vermehrten Spalten heikler denn je. Auch die Gewittergefahr und das Risiko für Starkregen seien gestiegen. Obendrein seien manche Wege zum Teil unbenutzbar geworden. „Viele haben weder das Wissen noch die Zeit, sich auf längere Touren gründlich vorzubereiten und die Gefahren zu erkennen“, so Russegger.

Fluchthorn, Matterhorn und die Folgen des Klimawandels

Fluchthorn: Als spektakuläres Beispiel für die neue Risiko-Dimension gilt der Bergsturz am Tiroler Fluchthorn im Juni. Dort brach der ganze Gipfel weg und gewaltige Gesteinsmassen - insgesamt eine Million Kubikmeter, das entspricht der Ladung von rund 120 000 Lastwagen – rutschten ab.

Permafrost: Ursache ist laut Experten das Auftauen des Permafrosts – also des Eises im Fels. „Das Eis ist der Klebstoff der Berge und dieser Klebstoff geht jetzt schön langsam verloren“, sagte der Tiroler Landesgeologe Thomas Figl damals.

Matterhorn: Auch am Matterhorn verliert das durch den Permafrost bisher zusammengehaltene Gestein und Sediment seine Stabilität. „Wir sehen beim Permafrost einen deutlichen Trend zur Erwärmung, der sich insbesondere seit 2010 zeigt“, erläutert Jeannette Nötzli vom WSL-Institut, Expertin für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos.

„Wir begegnen wachsenden Naturgefahren“, ergänzt Rolf Sägesser vom Schweizer Alpenclub. „Gelände, das früher problemlos zu begehen war, ist heute anspruchsvoller.“

Wie groß sind die Gefahren am Berg?

Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein weiß nur zu gut um die Gefahren am Berg. Doch gefahrlos, sagt der Sprecher des Deutschen Alpenvereins (DAV), könne man nie in die Alpen gehen. Ein Restrisiko gebe es immer. „Das war vor 100 Jahren so – und das ist heute so. Allerdings ist das Risikomanagement heute besser als früher.“

Was sind die häufigsten Ursachen für Bergunfälle?

Die Ursachen, am Berg zu Schaden zu kommen und verletzt zu werden, sind zahlreich. Bei tödlichen Bergunfällen gibt es Experten zufolge drei Ursachen, die besonders häufig auftreten:

• Herz-Kreislaufversagen

• Stürze, Stolpern und Ausgleiten

• Absturz

Welche Risiken bergen Felsveränderungen infolge des Klimawandels?

Jan Beutel, Bergführer und Forscher an Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) erklärt: „Alles, was größer ist als ein halber Apfel, ist potenziell tödlich.“ Felsveränderungen habe es zwar schon immer gegeben. Aber: „Es gibt zunehmend größere Felsstürze“, betont Beutel.

Die ETH-Forscher untersuchen den Einfluss des Klimawandels auf die Stabilität steiler Felswände. Sie haben am Matterhorn auf 3500 Metern Höhe an 29 Stellen Geräte installiert, die rund um die Uhr Fotos machen, Spalten und Schwingungen messen und akustische Signale registrieren. Die Grundlagenforschung soll Muster für Vorhersagen von Felsstürzen liefern.

Müssen Besucher der Alpen umdenken?

Für Thomas Bucher steht fest: Mit dem Klimawandel und dem Auftauen des Permafrosts verändern sich die Gefahren am Berg und werden an manchen Stellen sogar größer. „Damit müssen Bergsteiger lernen umzugehen.“

Zwar sei es nicht so, dass Wandern und Klettern in den Alpen unmöglich würden, aber alte Wege seien mitunter gefährlicher geworden. Wanderwege würden im Extremfall unpassierbar. „Meistens werden aber Umwege eingerichtet.“

„Wir begegnen wachsenden Naturgefahren“, ergänzt Rolf Sägesser vom Schweizer Alpenclub. „Gelände, das früher problemlos zu begehen war, ist heute anspruchsvoller.“

Das bestätigt auch Thomas Bucher: Die Touristen müssten um die neuen Gefahren wissen und gewappnet sein. „Offene Augen zu haben, zu wissen, was am Berg los ist, ist die beste Lebensversicherung.“