Klimawandel und Extremwetter Risiko für Extrem-Hochwasser steigt und Kosten explodieren

Markus Brauer/

In mehreren Analysen zeigen Forscher: Ohne Klimawandel wären verheerende Hochwasser deutlich seltener. Sie warnen davor, dass die Kosten solcher Katastrophen künftig kaum mehr zu stemmen sein könnten.

 
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Im niederösterreichischen Ort Kapelln hängt eine Kinderschaukel knapp über dem braunen Hochwasser in einem Garten. Foto: dpa/Christoph Reichwein

Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für ein großräumiges Hochwasser in Mitteleuropa wie das in Polen, Tschechien, Österreich und weiteren Ländern einer Analyse zufolge etwa verdoppelt.

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Die Niederschläge des Sturms „Boris“ vom 12. bis 15. September seien der stärkste bisher erfasste Vier-Tage-Regen in Mitteleuropa seit Beginn entsprechender Aufzeichnungen 1940 gewesen, hat die Wissenschaftler-Initiative World Weather Attribution mitgeteilt.

Ein Jahrhunderthochwasser folgt auf das nächste

Die Regenfälle hätten ein ungewöhnlich großes Gebiet von Deutschland bis Rumänien betroffen, das noch größer sei als bei den früheren großen Überschwemmungen von 1997 und 2002, heißt es von dem Team um die Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College London weiter.

Diese beiden Überschwemmungskatastrophen seien als Jahrhundertereignisse bezeichnet worden. Nun gebe es schon jetzt ein weiteres, erklärt Mitautor Bogdan Chojnicki von der Universität für Lebenswissenschaften in Posen.

Ein Blick auf überschwemmte Straßen in der Nähe der Queis in Polen.. Foto: PAP/Lech Muszynski/dpa

Kosten explodieren

Mit der weiteren Erderwärmung durch die Nutzung fossiler Brennstoffe würden Starkregen-Episoden noch heftiger und häufiger, warnen die Wissenschaftler. Die Kosten der Klimakatastrophen drohten zu eskalieren.

„Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung, insbesondere für die ärmeren Teile der Gesellschaft, und alle Europäer müssen wissen, dass die Bekämpfung des Klimawandels ihr Leben sehr viel besser machen wird“, betont Friederike Otto.

in Blick auf die Folgen des Hochwassers im Dorf Kobyla nad Vidnavkou in Tschechien. Foto: CTK/Deml Ondrej/dpa

Klimawandel verschlimmert Hochwasser

Bereits eine Mitte September vorgestellte Schnellanalyse hatte ergeben, dass der Klimawandel wahrscheinlich großen Anteil an der Starkregen-Episode hatte.

„Wir führen die starken Niederschläge, die zu den Überschwemmungen in Mitteleuropa führten, größtenteils auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurück, während die natürliche Klimavariabilität wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielte“, heißt es seitens des Forschungskonsortiums Climameter, einem von der Europäischen Union und der französischen Forschungsorganisation CNRS finanzierten Projekt.

Ein Restaurant im brandenburgischen Lebus wird mit einem Wall aus Sandsäcken vor dem Hochwasser der Oder geschützt. Foto: dpa/Patrick Pleul

Attributionsstudie zu Hochwasser-Ereignissen

Solche sogenannten Attributionsstudien nutzen Daten zu ähnlichen Wetterlagen in der Vergangenheit und gleichen sie statistisch mit Klimasimulationen ab. Nach den Erkenntnissen des Weltklimarates (IPCC) nähmen Extreme im Wasserkreislauf schneller zu als die durchschnittliche Veränderung, schreibt Climameter. Auf lokaler Ebene sei ein Trend zu mehr Flussüberschwemmungen in West- und Mitteleuropa zu beobachten.

Mit Attributionsstudien lässt sich laut Deutschem Wetterdienst (DWD) in Offenbach grundsätzlich abschätzen, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel für das Auftreten individueller Wetter- oder Klimaextreme verantwortlich ist. Für derartige statistische Analysen werden Klimasimulationen mit speziell gewählten Randbedingungen verwendet, da die Beobachtungszeitreihen häufig noch nicht ausreichend lang zur Verfügung stehen.

Einsatzkräfte der Feuerwehr helfen in Fürstenberg, einem Stadtteil von Eisenhüttenstadt, gegen das Hochwasser des Flusses Oder. Foto: dpa/Patrick Pleul

Extremwetter-Ereignisse nehmen zu

Hochwasser und Dürren werden in Deutschland nach Forscherangaben weiter zunehmen. „Viele Studien, auch eigene, zeigen, dass mit steigenden globalen Temperaturen auch die Anzahl und Intensität von Extremen wie Hochwasser in Deutschland ansteigen“, betont der Hydrologe Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Dabei könnte die Realität die Modelle noch übertreffen. „Wir unterschätzen die Extreme noch, glaube ich, weil Klimamodelle nicht für solche Ereignisse angelegt sind, sondern vor allem zur Untersuchung von Klimasystemen und Änderungen im Klima.“

Stärkerer Regen, längere trockene Zeiten

Das langjährige Mittel der Niederschläge in Deutschland hat sich kaum geändert. „Für Deutschland gibt es da keine starken Trends, aber die Variabilität der Niederschläge steigt“, erklärt Hattermann. Das heißt: Es gibt stärkere Regen, aber auch längere trockene Zeiten. Das hat laut Hattermann zwei Gründe:

  • Luft erwärmt sich: Durch den Klimawandel erwärmt sich die Luft, die dann mehr Wasser aufnehmen könne. „Die Wassermenge pro Kubikmeter Luft ist gestiegen.“ Das bedeutet zunächst längere Trockenphasen. Und wenn es mal regnet, dann fällt mehr Wasser auf die Erde.
  • Stabilere Wetterlagen: „Wir haben stabilere Großwetterlagen über Europa.“ Das hänge mit dem Einfluss des Klimawandels auf den Jetstream zusammen, einer welligen Luftströmung in einigen Kilometern über der Erdoberfläche, wobei die einzelnen Zusammenhänge noch nicht exakt geklärt seien, so Hattermann. „Ein Hochdruckgebiet dreht sich dabei im Uhrzeigersinn und bringt trockene Luft vom eurasischen Raum nach Deutschland.“ Das führe zu wenig Niederschlag und Dürre.
Das Hochwasser der Oder hat bereits weite Teile des Odervorlandes, wie hier nördlich von Frankfurt (Oder) nahe dem Ort Lebus, bis zum Deich überflutet. Foto: dpa/Patrick Pleul

Unwetter sind zehn Prozent intensiver

Climameter hat Tiefdruckgebiete am Ende des 20. Jahrhunderts (1979 bis 2001) mit solchen aus den letzten Jahrzehnten (2002 bis 2023) verglichen. Tiefdruckgebiete, wie sie jetzt in Süddeutschland auftraten, sind demnach inzwischen etwa zehn Prozent intensiver.

Anfang Juni 2024 hatten Unwetter zu schweren Regenfällen und Überschwemmungen vor allem in Bayern und Baden-Württemberg geführt. Mehrere Menschen starben, Tausende mussten in Sicherheit gebracht werden, es kam zu Erdrutschen und Dammbrüchen.

Enorme Schäden auch in hoch entwickelten Länder

„Die Ergebnisse von Climameter zeigen, dass der durch CO2-Emissionen verursachte Klimawandel auch hoch entwickelte Länder wie Deutschland trifft und soziale, wirtschaftliche und ökologische Schäden verursachen kann“, sagt der Klimaforscher Davide Faranda.

Die Klimaforscherin Erika Coppola vom International Centre for Theoretical Physics (ICTP) bei Triest in Italien erklärt, dass selbst in einem Land wie Deutschland mit gut für Hochwasser präparierten Flussufern die derzeitigen Maßnahmen nicht mehr ausreichten, um die gestiegenen Abflussmengen zu bewältigen.

„Es müssen Strategien und neue Maßnahmen ergriffen werden“, mahnt Erika Coppola, „um der steigenden Wahrscheinlichkeit ähnlicher Hochwasserereignisse zu begegnen, die im Vergleich zur Vergangenheit immer häufiger auftreten und aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels voraussichtlich weiter zunehmen werden.“