Getrieben wird der Kanzler in den Verhandlungen von seiner Fraktion. Die macht nicht nur Termindruck, Fraktionschef Rolf Mützenich wiederholt mantraartig auch seine Forderung, wegen des Ukraine-Kriegs mehr Schulden zu machen. Kürzungen bei Sozialausgaben sind für die SPD tabu. Es hat sich viel Wut aufgestaut, die sich zwar in erster Linie gegen Lindner richtet, den Kanzler jedoch in Bedrängnis bringt.
Der Finanzminister: Hüter der Schuldenbremse
Für FDP-Chef Lindner wäre eine erneute Ausnahme von der Schuldenbremse wohl die größtmögliche Niederlage. Er begründet seine Ablehnung mit den über Jahre zu zahlenden Zinsen. Zugleich ist die Schuldenbremse aber auch eins der wichtigsten Wahlkampf-Themen seiner ums politische Überleben kämpfenden FDP.
Was Lindner außerdem ganz klarmacht: Sein Haushalt muss gerichtsfest sein. Er habe sich einmal auf die Ideen des SPD-geführten Kanzleramts eingelassen und eine Klatsche vom Verfassungsgericht kassiert. "Das passiert mir kein zweites Mal", betonte der FDP-Mann im ZDF-Sommerinterview. Sollte es irgendwo auch nur den kleinsten rechtlichen Zweifel geben, will Lindner die Reißleine ziehen.
Echte Lösungsvorschläge hat er aber öffentlich bisher auch nicht vorgelegt. Dass er für die Etatgespräche, die ein Finanzminister normalerweise alleine führt, gleich die Koalitionsspitzen heranzog, legen ihm manche in der Ampel als Durchsetzungsschwäche aus. Andere werfen ihm vor, er drücke sich vor der Verantwortung.
Der Vizekanzler: Kopfschüttelnder Zuschauer
Der Dritte im Bunde, Vizekanzler Habeck, scheint sich aus dem Zoff weitgehend rauszuhalten. Erst schwieg er lange, dann zeigte er sich maximal irritiert über das Kommunikationsverhalten der anderen. Die letzten vierzehn Tage seien "unnötig wie ein Kropf" gewesen, ließ er bei einem Termin in Bremen wissen. "Die Menschen erwarten von der Regierung, dass sie ihre Arbeit machen, nicht darüber redet, wieso die Arbeit schwer ist." Habeck scheint bewusst, dass er beim Thema Haushalt wenig gewinnen kann. Für seine Grünen ist vor allem wichtig, dass es bei Klimaprojekten keine deutlichen Abstriche gibt. Bis Ende der Woche müsse der Haushaltsentwurf an den Bundestag übermittelt werden. "Und ich bin optimistisch, so wie ich insgesamt immer optimistisch bin, dass das auch gelingt."
Ansonsten scheint eher Ernüchterung vorzuherrschen: Die Grünen wollen viel mehr investieren und dafür auch Kredite aufnehmen. Sie sehen aber auch, dass das in der aktuellen Koalition nicht funktionieren wird. Das Streitthema Schuldenbremse hebt sich Habeck lieber auf für den Wahlkampf, den er im kommenden Jahr wahrscheinlich als Grünen-Kanzlerkandidat führt.