Kostenlose und unbürokratische Hilfe Vorbildliches Netzwerk von Anpackern

Über viele, viele Spenden freuen sich die Helfer Michael Rehwagen (links), Bürgermeister Klaus Jaschke und Sonja Schuster; das Bild zeigt den Teil der „Kleiderkammer“, der mit Damenbekleidung gefüllt ist. Foto: Kerstin Starke

Die Ukrainehilfe in Schönwald kümmert sich um 39 Kriegsflüchtlinge. Es ist ein lockerer Verbund von Menschen, die sich mit ihren Fähigkeiten für andere engagieren.

 
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Den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen mussten und in Deutschland nur mit dem ankamen, was sie auf dem Leib trugen, wird überall in der Region geholfen. Ein ganz besonders beeindruckendes Netzwerk hat sich in der 3186 Einwohner zählenden Stadt Schönwald gebildet. Die Mitglieder kümmern sich aktuell um 39 Kriegsflüchtlinge.

Grundlage dieses Netzwerkes ist die Gruppe „Bürger helfen Bürgern“, die 2020 zur Unterstützung von Corona-Erkrankten gegründet worden war. Mit dabei waren damals schon unter anderem Michael Rehwagen sowie Martina und Christian Schlittenbauer, die – ganz privat – einen Einkaufsservice ins Leben gerufen hatten. „Aus diesen Anfängen hat sich ein schöner Stamm von Helfern entwickelt, und mit dem Ausbruch des Krieges wurde nun eine Flüchtlingshilfe daraus“, erzählt Michael Rehwagen. Die Helfer koordinieren sich hauptsächlich in einer Whatsapp-Gruppe.

Enorme Hilfsbereitschaft

„Die Hilfsbereitschaft ist enorm“, berichtet der Organisator weiter. „Waren es anfangs noch 15 bis 20 Helfer, sind es mittlerweile 40. Da haben sich die Richtigen gefunden.“ Er legt Wert auf die Feststellung, dass das Netzwerk kein Verein ist. „Wir wollen einfach unabhängig sein, damit der dynamische Prozess der Gruppe weiter wächst. Wir können auch keine Spendenquittungen ausstellen.“ Tatsächlich würden ihnen aber Spenden angeboten, und hier helfe dann der Bürgerverein Schönwald aus.

Zunächst habe die Gruppe, berichtet er, Ideen gesammelt, wie man helfen könnte, und zu Kleiderspenden aufgerufen. In einer städtischen Wohnung gibt es nun eine Kleiderkammer, die Sonja Schuster betreut. Dort können sich die Ukrainer, die nur mit dem Nötigsten angekommen sind, mit Kleidern, aber auch Vorhängen und Handtüchern eindecken.

Deutschkurse und Malstunde

„Zeitnah haben wir auch mit Deutschkursen angefangen“, erzählt Martina Schlittenbauer. Sie und ihr Mann, die vor ein paar Jahren aus Füssen gekommen waren, hatten dort schon Erfahrungen mit Deutschunterricht gesammelt. Nun bieten sie ihn in Schönwald an. Zweimal in der Woche bringen sie 20 bis 25 Leuten im katholischen Vereinsheim Deutsch bei. Die Räume hatte den Organisatoren spontan Reinhard Frenzl von der Kolpingsfamilie angeboten. „Das ist eine tolle Geschichte“, freut sich Rehwagen, „diese institutionenübergreifende Zusammenarbeit.“

In ihren eigenen Räumen, dem Cobüro, findet, wie Martina Schlittenbauer fortfährt, samstagsvormittags eine Malstunde für Kinder statt. „Der Künstler Frank Graf hat das selbst angeboten, und nun malt er – mit Unterstützung einer Mama – mit den Kindern. Und die Kinder lernen dabei so ganz nebenbei auf spielerische Weise ein wenig Deutsch.“ Das Cobüro ist außerdem ein Treffpunkt für ukrainischen Mütter, die sich dort kennenlernen können. „Sie treffen sich mittlerweile mit ihren Kindern zum Spaziergang oder am Spielplatz.“

Auch die Schlittenbauers sind begeistert von der unkonventionellen Art der Zusammenarbeit. „Jeder bietet seine Fähigkeiten an, und jeder kümmert sich um einen anderen Bereich“, lobt Martina Schlittenbauer und erzählt von Viktor Garder, der gespendete Fahrräder für die Kinder wieder herrichtet. Die Gruppe helfe auch bei Behördengängen.

Musikinstrumente gespendet

„Es ist toll, dass sich auch junge Leute engagieren“, sagt sie und meint Daniils Visnakovs aus Selb. Der 17-Jährige packt nicht nur mit an, wenn es ein gespendetes Möbelstück abzuholen gilt; er hat in den sozialen Netzwerken der Gruppe auch einen Aufruf gestartet, Musikinstrumente zu spenden. „Viele haben doch eine alte Gitarre irgendwo stehen, die sie nicht mehr brauchen.“ Darauf habe es sehr viele Rückmeldungen gegeben, und nun versorgt er ukrainische Kinder mit Noten.

„Wir fragen die Flüchtlinge auch gezielt nach ihren Hobbys, um sie ihnen hier auch zu ermöglichen“, fährt Martina Schlittenbauer fort. Auf diese Weise trainiert ein Junge nun beim FC Schönwald mit – der Verein sammelt darüber hinaus Fußballschuhe für die Flüchtlinge – und eine Frau, die zu Hause im Chor gesungen hatte, fand über das Netzwerkt sofort Anschluss an einen Chor.

Gelebte Nachbarschaftshilfe

Christian Schlittenbauer, der gerade in einer städtischen Wohnung, die die Helfergruppe für Flüchtlinge herrichtet, Schäden in einer Wand verspachtelt, spricht von gelebtem Solidargefühl und Nachbarschaftshilfe. „Das zeigt doch auch: Wir sind die Stadt Schönwald.“

Von solchen städtischen Wohnungen, teilt Bürgermeister Klaus Jaschke mit, würden aktuell drei hergerichtet, eine sei schon belegt. Den anderen werden, wenn sie fertig sind, vom Ankerzentrum Bamberg über das Landratsamt Wunsiedel Bewohner zugeteilt.

„Das ist“, freut sich auch Michael Rehwagen, „über die reine Aufnahmearbeit hinaus pure Integrationsarbeit.“ Und er deutet auch an, dass diese private Hilfsaktion mit dem Ende des Ukraine-Krieges nicht beendet sein muss. „Wir wollen das künftig nicht nur für Flüchtlinge anbieten, sondern auf für Leute von hier, die Hilfe brauchen“, kündigt Rehwagen an. Mit seiner Begeisterung hält er nicht hinterm Berg: „Es ist eine wunderschöne Erfahrung, dass man ein Teil von diesem Netzwerk von Anpackern ist.“

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