Die EU sicherte kürzlich 665.000 Impfdosen des Herstellers CSL Seqirus gegen die Übertragung der Vogelgrippe von Tieren auf Menschen für mehrere Mitgliedsstaaten. Deutschland beteiligt sich derzeit nicht.
Wie schnell wäre ein Impfstoff verfügbar?
Im Fall einer Vogelgrippe-Pandemie könnten Impfstoffe für Menschen in Deutschland rasch zur Verfügung stehen, glaubt Sander. "Wir haben Impfstoffe, die zugelassen sind, die in dem Moment, in dem ein Virus eine Pandemie auslöst, sehr schnell angepasst werden könnten." Dafür müssten natürlich Produktionskapazitäten entsprechend hochgefahren werden. Es gebe präpandemische Impfstoffe oder Musterimpfstoffe, die quasi schon fertig, aber noch nicht an die neue Klade von H5N1-Viren angepasst seien. Diese Anpassung könne aber schnell erfolgen, ist der Charité-Professor überzeugt.
Für Rinder müssten Impfstoffe komplett neu getestet werden, bislang gebe es keine. "Das sollte jetzt geschehen." Theoretisch könne man für Kuh und Mensch denselben Impfstoff verwenden, sagt Sander. Allerdings gebe es in der Regel unterschiedliche Hersteller für human- und veterinärmedizinische Impfstoffe.
Was gibt es für neue Entwicklungen?
Derzeit entwickeln nach VFA-Angaben eine Reihe von Unternehmen neuartige Grippeimpfstoffe auf mRNA-Basis - die Technologie, die zum Teil auch bei Covid-19-Impfstoffen zum Einsatz kam. Dazu zählen der US-Konzern Moderna und das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac in Zusammenarbeit mit dem Biopharma-Unternehmen GSK. Möglichst zeitnah soll die zweite Phase der klinischen Erprobung des Vogelgrippe-Impfstoffes starten, sagte Curevac-Sprecher Patrick Perez. Die weitere Entwicklung werde von GSK übernommen. Für eine Zulassung sind gewöhnlich drei klinische Phasen nötig.
Es handle sich um einen präpandemischen Impfstoff, erklärte Perez. Das Prinzip beruhe darauf, vor einem möglichen Ausbruch bereits einen Impfstoff so weit zu entwickeln, dass er im tatsächlichen Fall einer Pandemie schnell zugelassen und verfügbar gemacht werden könne. "Das bietet den Vorteil, im Fall einer Pandemie sehr schnell reagieren zu können, ohne einen Impfstoff zuzulassen, vorzuproduzieren und zu lagern, wenn er vielleicht nie gebraucht wird."
Der Moderna-Kandidat befindet sich laut Moderna ebenfalls in der klinischen Untersuchung. "Wir erwarten erste vorläufige Ergebnisse aus diesen Studien im Laufe des Jahres. Wenn diese Ergebnisse positiv sind, wird der Impfstoffkandidat in die Phase-3-Entwicklung übergehen", teilte das Unternehmen mit.
Wäre eine Impfung jetzt schon sinnvoll?
"Momentan gibt es noch keine Veranlassung, Menschen aktiv zu impfen", sagte Sander und ergänzte: "Es geht nicht darum, die Sorge zu verbreiten, dass eine Pandemie unmittelbar bevorsteht. Man sollte aber alles machen, um vorbereitet zu sein." Für wen eine Impfung infrage kommt, hänge ganz vom Szenario ab. Wenn es in Deutschland größere Ausbrüche bei Nutztieren gebe, könnte man überlegen die Mitarbeiter der Betriebe vorsorglich zu impfen. Aus seiner Sicht wäre es vor allem interessant, Impfstoffe für Tiere zu haben.
In Finnland werden Menschen aus bestimmten Risikogruppen bereits gegen Vogelgrippe geimpft. Nach Angaben der nationalen Gesundheitsbehörde THL sollen die Impfdosen zunächst Erwachsenen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko angeboten werden, also unter anderem Personen, die auf Pelztier- oder Geflügelfarmen arbeiten, Tierärzte oder auch diejenigen, die an der Entsorgung kranker Vögel oder anderer Tiere beteiligt sind. In Finnland gab es mehrere Ausbrüche der Vogelgrippe in Nerzfarmen.
Wie gefährlich wäre eine Infektion für Menschen?
Das menschliche Immunsystem würde bei einem Kontakt mit dem Virus dank früherer Infektionen und Impfungen gegen andere Grippeformen nicht bei Null anfangen. Darauf deuten frühere Forschungsarbeiten hin, wie es in einem Artikel im Magazin "Nature" heißt.
Das würde den Angaben zufolge aber wahrscheinlich nicht verhindern, dass H5N1 im Fall einer Pandemie der Weltgesundheit schweren Schaden zufügen könnte. Eine Infektion mit saisonalen Grippeviren bietet laut "Nature" nur einen begrenzten Schutz gegen die neuen Grippestämme, die sich genetisch von ihnen unterscheiden.
Im Falle einer H5N1-Pandemie könnten ältere Menschen dem Artikel zufolge möglicherweise besser geschützt sein als jüngere, weil sie in ihrer Kindheit wahrscheinlich mit ähnlichen Grippestämmen in Kontakt kamen. Das habe sich schon bei vorherigen Wellen gezeigt, etwa der Schweinegrippe.