Kronacher Automobilzulieferer Radikal-Umbau bei Dr. Schneider

Der Stammsitz von Dr. Schneider im Kronacher Stadtteil Neuses. Hier soll weiterhin das Herz der Unternehmensgruppe schlagen. Doch die Angestellten müssen sich auf tief greifende strukturelle Veränderungen einstellen. Foto: /Dr. Schneider

Die Unternehmensgruppe will aus den zuletzt schwierigen Jahren Lehren ziehen – und startet einenTransformationsprozess. Nicht alle Angestellten werden bleiben können.

 
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Kronach - Dr. Schneider hat harte Jahre hinter sich. Erst hat der Abgasskandal in der Automobilbranche dem Kronacher Zulieferer zugesetzt. Als es Anfang 2020 wieder aufwärts zu gehen schien, schlug die Corona-Pandemie mit voller Härte zu. Zeitweise stand die komplette Produktion still. Mittlerweile läuft sie wieder, aber „mit extrem starken Schwankungen“, wie der Vorsitzende der Geschäftsführung, Thomas Stadelmann, am Dienstag in einer kurzfristig anberaumten Online-Pressekonferenz verdeutlicht. In der ganzen Branche geht es derzeit drunter und drüber. „Und wir hängen als Automobilzulieferer hinten dran“, sagt der CEO.

Darauf will, ja muss Dr. Schneider reagieren. Der weltweit tätige Automobilzulieferer, der am Hauptsitz im Kronacher Stadtteil Neuses 1400 Leute beschäftigt, hat viel „booked business“, also ordentlich Aufträge. Mittel- und langfristig hat die Unternehmensgruppe daher eine gute Perspektive – und einen exzellenten Ruf bei seinen Auftraggebern, wie Stadelmann betont.

„Viel Sprengstoff“

Doch kurzfristig sieht es eben nicht gut aus. Die Turbulenzen in der Branche, die Dr. Schneider im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben ein „signifikant negatives Ergebnis“ beschert haben, dürften so schnell nicht nachlassen: der Wandel der Automobilindustrie vom Verbrenner zum Elektro-Auto, ein rückläufiger Markt insbesondere in Europa und globaler Preisdruck – all das beeinträchtigt die Geschäftsentwicklung. Hinzu kommen drastisch gestiegene Rohstoff- und Energiepreise sowie die bereits erwähnten Schwankungen in der Produktion. „Das ist eine Gemengelage, die sehr viel Sprengstoff in sich trägt“, wird Thomas Stadelmann deutlich. Und er will auf jeden Fall verhindern, dass ihm der ganze Laden um die Ohren fliegt.

Den Erfolg bringen soll ein Veränderungs- und Transformationsprogramm mit dem Titel „Schneider 2025“. Es soll die Wettbewerbsfähigkeit der Gruppe sichern und gleichzeitig die Grundlage für künftiges Wachstum bilden. Entwickelt wurde es in den vergangenen drei Monaten gemeinsam mit der Unternehmensberatung Deloitte. Nun geht „Schneider 2025“ in die Umsetzungsphase.

Kronach bleibt Firmensitz

Und die dürfte es in sich haben. Um die genannten Ziele zu erreichen, „benötigen wir schlankere Strukturen, vereinfachte Prozesse und einen wesentlich effizienteren Wertefluss durch unsere weltweite Wertschöpfungskette. Wir müssen in allen Bereichen Kosten reduzieren und Fixkosten wo möglich flexibilisieren.“ Was Organisation und Struktur angeht, dürfte kaum ein Stein auf dem anderen bleiben. Wie Stadelmann sagt, wird der komplette Produktentwicklungsprozess grundlegend überarbeitet – mit dem Ziel, „am Ende weniger Unruhe in der Fertigung zu haben“. Soll heißen: Die Schwankungen, die bisher die bestehende Ordnung ins Wanken gebracht haben, sollen künftig von vorneherein einkalkulierbar sein – und das mit „weniger Personaleinsatz“, wie der CEO betont. Und ja, es wird „auch Personalanpassungen geben“, allerdings so sozialverträglich wie möglich. Denkbar sind unter anderem Vorruhestandsregelungen oder Freiwilligenprogramme. Wie viele Stellen konkret in Gefahr sind, dazu kann Stadelmann noch keine Angaben machen. Viel wichtiger ist ihm die Botschaft, dass Kronach weiterhin Firmensitz der Dr. Schneider Unternehmensgruppe bleibt.

Mehr Technologie wagen

Mehr noch: „Alles, was mit Design, Entwicklung und Zukunftstechnologie zu tun hat, wird hier vorangetrieben.“ So ist es das Ziel von Dr. Schneider, künftig vermehrt auf die technologischen Komponenten seiner Produkte zu setzen – weg von der Fokussierung auf reine Kunststoffteile. Diesen Kurs will man fortsetzen, wo immer möglich auch mit Kooperationspartnern. „Ich glaube, dass dies der Schlüssel zum Erfolg ist.“

Neue Produkte, schlankere Prozesse, womöglich andere Hierarchien und veränderte Zuständigkeiten: Stadelmann weiß, dass er seiner Belegschaft viel zumutet. „Da ist viel Überzeugungsarbeit nötig. Aber wir müssen jetzt die Basis dafür schaffen, unsere Produkte komplexer und anspruchsvoller zu machen“, ist er überzeugt. Anders wird man im eher gesättigten europäischen Markt nicht erfolgreich sein können. „Die Wachstumsmärkte unserer Kunden werden immer stärker in Nordamerika und in China liegen. Dieser Entwicklung müssen und werden wir folgen und die Standorte dort mittelfristig weiter ausbauen. Kurzfristig liegt auch Osteuropa, insbesondere Polen, im Investitionsfokus.“

Die Unternehmensgruppe

Die heutige Dr. Schneider Unternehmensgruppe ist im Jahr 1927 von Franz Schneider sen. als Zigarrenfabrik gegründet worden. Das mittlerweile in dritter Generation familiengeführte und zum weltweit agierenden Automobilzulieferer und EMS-Dienstleister aufgestiegene Unternehmen stellt unter anderem hochwertige Produkte für den Innenraum von Fahrzeugen her und beschäftigt mehr als 4000 Mitarbeiter in Deutschland, Polen, China, den USA und Spanien. Allein am Stammsitz in Kronach-Neuses sind 1400 Menschen beschäftigt. Der Umsatz pro Jahr betrug zuletzt zwischen 436 und 548 Millionen Euro.

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