Kulmbach Corona bringt Kirchenmusik (fast) zum Schweigen

Stephan Herbert Fuchs
Wegen Corona kann er derzeit nur Kirchenmusik auf Sparflamme betreiben: Stadt- und Dekanatskantor Christian Reitenspieß am Spieltisch der Rieger-Orgel in der Kulmbacher Petrikiche. Foto: Stephan Herbert Fuchs

Bachkantate statt Lobgesang: Wegen der Hygienevorschriften spricht der neue Dekanatskantor Christian Reitenspieß von einem heftigen Tritt auf die Bremse.

 
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Kulmbach - Kaum war er in sein neues Amt eingeführt, da kam auch schon der sogenannte Lockdown. Christian Reitenspieß konnte damit alle seine ehrgeizigen Pläne erst einmal vergessen. Jetzt, einige Monate später, blickt der neue Kulmbacher Stadt- und Dekanatskantor relativ optimistisch in die Zukunft.

Es sei schon ein heftiger Tritt auf die Bremse gewesen, sagt Reitenspieß. Nur einen Tag nach der letzten Probe für die Markuspassion von Johann Sebastian Bach musste man wegen der Corona-Maßnahmen alles absagen. Die Markuspassion, deren Musik als verschollen gilt und die lediglich in rekonstruierten Formen vorliegt, wäre schon etwas ganz besonderes zum Einstieg in seine Tätigkeit in Kulmbach gewesen.

Alles andere sei genauso geplatzt, ob das der Auftritt des Seniorenchors im Samstagabend-Gottesdienst oder das geplante Kindermusical "Daniel in der Löwengrube" gewesen sei. Nun wurde auch noch das große Herbstkonzert Anfang November gecancelt. Mit dem "Lobgesang", der sinfonischen Kantate von Felix Mendelssohn Bartholdy hätte nach Worten des Dekanatskantors auch hier ein nicht alltägliches Werk auf dem Programm gestanden. Zusammen mit dem Kammerorchester Musica Juventa aus Halle hätten sich bis zu 90 Personen im Chorraum aufgehalten, das wäre einfach zu viel gewesen, egal, wie sich die künftigen Entwicklungen auch gestalten, deshalb sei die Absage auch schon zu Pfingsten gekommen.

Trotzdem war Christian Reitenspieß nicht untätig. Per E-Mail habe er ständig Kontakt zu den Mitgliedern der Kantorei gehalten. Das sei durchaus hilfreich und auch Mut machend gewesen. Schließlich sei die Kantorei ein Chor mit großer Fluktuation, den es zusammenzuhalten gilt.

So entstand auch die Idee eines kleinen Kirchenchores, bestehend aus dem "harten Kern" der Kantorei mit bis zu 18 Sängerinnen und Sängern, der die sonntäglichen Gottesdienste natürlich unter Einhaltung sämtlicher Hygienebestimmungen und Abstandsregeln während der zurückliegenden Wochen immer wieder bereicherte. "Für den Gottesdienst war dies eher ein Gewinn", sagt Christian Reitenspieß. Alle Beteiligte hätten großen Spaß daran gehabt, freitags zu proben und gleich am Sonntag drauf zu singen.

Da nach derzeitigem Stand zwischen 160 und 190 Zuhörer in die Kulmbacher Petrikirche dürfen, plant Christian Reitenspieß für den 8. November eine Aufführung der frühen Bachkantate "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit" (BWV 106) in kleiner Besetzung und mit noch kleinerer instrumentalen Begleitung. Für den ersten Advent ist eine Aufführung von Benjamin Brittens Weihnachtskomposition "A Ceremony of carols" angesetzt. Dazu benötige man nur eine Harfenbegleitung, außerdem dauere das Stück gerade mal eine halbe Stunde. Bachs Markuspassion und Mendelssohns Lobgesang sollen dann im kommenden Jahr nachgeholt werden.

Was während der zurückliegenden Monate geblieben sei, war das Spiel der Orgel. "Das war das einzige Lebenszeichen der Kirche nach dem Lockdown", so Reitenspieß. Bis zu sechs Mal habe er pro Woche bei offener Kirchentür gespielt. Meist eher als öffentliches Üben. Mittlerweile hätten sich der Mittwochabend, 18.30 Uhr, in der Spitalkirche und der Sonntagmittag (11 Uhr) in der Petrikirche als "Musikalische Gebetszeiten" etabliert, auch während der Ferienzeit. Nicht nur die Kulmbacher selbst, auch viele Besucher der Stadt treten ein, lauschen ein wenig den Klängen und gehen wieder. Genauso sei das auch gewollt. "Man muss halt Fantasie mitbringen", stellt der Kantor fest.

Christian Reitenspieß wurde im mittelfränkischen Diespeck, bei Neustadt an der Aisch geboren. Im nahen Markt Erlbach spielte er zum ersten Mal die Orgel. Schon vorher, im Alter von neun Jahren, begann er mit dem Klavierspiel, mit zehn Jahren folgte die Posaune, ehe er sich mit elf für die Orgel entschied. Reitenspieß hat in Bayreuth Kirchenmusik studiert und in Hof sein Berufspraktikum absolviert. Nach 16 Jahren Tätigkeit wurde er im Oktober 2019 an seiner vorherigen Stelle in Melsungen, südlich von Kassel, in Nordhessen verabschiedet. Zuvor war er sechs Jahre lang im südhessischen Gelnhausen tätig. In Kulmbach ist er offiziell seit Anfang Dezember vergangenen Jahres tätig.

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