Celestine Price ist Ende zwanzig und unterrichtet an einer Junior High School. Sie steht auf 14-jährige Jungs und will einen ihrer Schüler verführen. Das ist der Plot eines Romans, der von der New York Times als "mutiges und rundum gelungenes Debüt" vorgestellt wurde. Das Lob relativiert sich durch den Hinweis auf dem Buchumschlag der deutschen Ausgabe, dass die junge Autorin Alissa Nutting, Lehrerin für Englische Literatur und Kreatives Schreiben, journalistisch für ebendiese Zeitung tätig ist. Ihr bei Hoffmann und Campe erschienenes Buch (288 Seiten, 19,99 Euro) heißt "Tampa" - wie die Stadt in Florida, in der die Geschichte angesiedelt ist - und beginnt mit dem Satz: "In der Nacht vor meinem ersten Unterrichtstag lag ich in einer erregten Endlosschleife lautloser Selbstbefriedigung auf meiner Bettseite und fand keinen Schlaf." Der Auftakt zeigt an, worum es auf jeder Seite geht: um außerordentlich detailreich beschriebenen Sex. Weil dem so ist, hinkt auch der Vergleich mit Vladimir Nabokovs berühmter "Lolita". Zwar schildern beide Romane einen Fall von Pädophilie, und beide fiktive Ich-Erzähler beziehungsweise -Erzählerinnen führen ihre Besessenheit auf frühe Liebeserlebnisse zurück, als sie selbst und ihre Partner noch Kinder waren. Aber "Lolita" ist große Literatur, "Tampa" hingegen ist - man muss es so sagen - Schmutz und Schund. Dennoch hat nur eines der beiden Bücher für Aufregung und Skandal gesorgt: das von Nabokov. Seine Premiere erlebte es 1955 in dem auf Erotika spezialisierten Pariser Verlag Olympia Press. Nachdem der mehrmals für den Literaturnobelpreis nominierte Graham Greene den Roman gerühmt hatte, antwortete der Chefredakteur der Sunday Times mit einem wütenden Verriss: Es handle sich um das "dreckigste Buch", das er je gelesen habe, und um reine Pornografie - ein Fehlurteil erster Güte. Die Zensurmaßnahmen, von denen "Lolita" in der Folgezeit betroffen war, trugen dazu bei, dass ein Bestseller daraus wurde. Nach "Tampa" kräht glücklicherweise kein Hahn: So ändern sich die Zeiten.