Hof - Auf Seite 365 fragt sich der Autor, ob das alles nicht doch nur zu einer langweiligen Heimatgeschichte gerät. Nein, keine Sorge: Das zweibändige Werk "Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie: Die Buchdruckerei Mintzel und ihr Zeitungsverlag" ist deutlich mehr. Alf Mintzel, direkter Nachfahre der im Titel genannten Druckerfamilie, hat es geschrieben. Das Buchprojekt sei in Jahrzehnten entstanden und gewachsen, sagt der 1935 in Augsburg geborene Soziologe und Politologe. Nicht an die gängigen Muster einer Firmengeschichte wollte er sich halten. Als Ziel nennt Mintzel "ein wissenschaftlich erarbeitetes, quellengesättigtes Sachbuch mit Elementen eines dokumentarischen historischen Romans".

Das ist wunderbar gelungen. Der Leser lernt dazu und wird gut unterhalten. Es sei eine Illusion zu glauben, dass es ein objektives Bild der Vergangenheit gebe, betont der Autor und fügt hinzu, er habe versucht, die größtmögliche Annäherung zu erreichen. Das geschieht auf ungewöhnliche Weise: Einerseits holt Mintzel, der sich als hochbegabter Erzähler ausweist, Fundstücke aus literarischen Arsenalen, andererseits besucht er Erinnerungsorte, tritt ein und "lauscht". Und er scheut sich nicht, auch mal kleine Geschichten zu erfinden, nach dem Motto: So könnte es gewesen sein.

Zeitreisen und -sprünge

Seine Reportage- und Montagetechnik, die Zeitreisen und Zeitsprünge einschließt, weitet die Lebensbilder sogenannter kleiner Leute zu Panoramen von vier Jahrhunderten. Die Familiensaga der Druckerdynastie Mintzel/Hoermann und ihre Gewerbegeschichte - keine andere Druckerei in Deutschland war so lange in Familienbesitz - werden in den Rahmen und Kontext der europäischen Geschichte gestellt.

Angefangen hat alles 1642, als sich Johann Anton Mintzel, damals Drucker in Leipzig, mit Erfolg auf die vakante Buchdruckerstelle in Hof bewarb. Es war die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, und gefährlich war's, auf Reisen zu gehen: Marodierende Soldatenbanden machten die Wege unsicher. Auch Krankheiten wüteten auf furchtbare Weise: In Leipzig hatte der Drucker innerhalb von nur drei Wochen fünf Kinder verloren. Autor Mintzel reichert darum sein Buch um eines der "Kindertodtenlieder" von Friedrich Rückert an. Und vom Massaker in der Luther-Hochburg Magdeburg, bei dem 1631 etwa 25 000 der insgesamt 30 000 Bewohner starben, richtet er den Blick aufs Inferno der großen Städte, die im Zweiten Weltkrieg brannten. Auch persönliche Erinnerungen an Luftangriffe auf Nürnberg im Jahr 1942 fließen ein: "Wieder Alarm, wir eilen in den Keller."

In Hof hatte Johann Anton Mintzel Glück: Bis an sein Lebensende blieb er der einzige Drucker im damaligen Markgrafentum Brandenburg-Bayreuth. So konnte er es zu bescheidenem Wohlstand bringen. Sein Wohnsitz lag in der heutigen Ludwigstraße, die damals Erste Gasse hieß. Das dadurch suggerierte Bild der "erstklassigen Straße" nähert der Autor mit ein paar schmutzfarbenen Pinselstrichen der Wirklichkeit an. Überhaupt wirft er immer wieder einen Blick auf den Alltag: auf eine Sonnenfinsternis im Jahr 1654 und die Angst davor, auf hygienische Verhältnisse ("Der Ort der Reinigung war zugleich einer der Krankheitserreger") und in diesem Zusammenhang sogar auf Frauenunterwäsche.

"Hof war eine melancholische, langweilige Kleinstadt, in der behäbige Spießigkeit und Engstirnigkeit Urstände feierten", schreibt Mintzel. Ist das der Grund, dass die großen Söhne der Stadt, wie der Autor meint, "notorische Nestflüchter" waren? Die Mintzels jedenfalls blieben. Der Letzte der Druckerdynastie, Johann Heinrich Mintzel, war ein Zeitgenosse Jean Pauls. Beide gingen gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Hofer Gymnasium ein und aus - Mintzel als Lehrling in der Druckerei, die sich im Keller befand, der künftige Dichter besuchte im ersten Stock den Unterricht. Das damalige "Höfer Intelligenz Blatt", eine Zeitung, die so gut wie nichts aus dem Tagesgeschehen berichtete, hat er später im Roman "Siebenkäs" als "Kuhschnappelischen Anzeiger und Götterboten" verspottet.

Weil Johann Heinrich Mintzel erst in zweiter Ehe - er schloss sie mit 66 Jahren, die Frau war 19 - Kinder hatte, trat in der Druckerdynastie, die bis heute elf Generationen umfasst, im Jahr 1844 ein Wechsel der Linien zu den Hoermanns ein. Einen Drucker dieses Namens nämlich heiratete die Witwe. Unter seiner Führung wurde aus dem "Intelligenz Blatt", das zwischendurch eine "Höfer litterarische Zeitung zur Belehrung und Unterhaltung", aber auch ein "Hofer Wochen-Blatt" und ein "Hofer Tag-Blatt" mit einer Auflage von immerhin 4000 Exemplaren war, im Oktober 1867 der "Hofer Anzeiger. Tagblatt für Hof und Umgebung". Bis 1934 verbuchte er Erfolg als Wirtschafts- und Anzeigenblatt, danach überschattete das Unrechtsregime des Dritten Reichs die Lebensgeschichten der Drucker und Verleger. Ihre Karriereverläufe, schreibt Alf Mintzel, seien typisch, wenn nicht gar "mustergültig" gewesen für die anbrechende "neue Zeit". Als Scharfmacher schlug sich ihr politisch-ideologischer Vordenker, der Chefredakteur Karl Roeder, auf die Seite der Braunen. Gleichwohl wurde er im Entnazifizierungsverfahren 1947 als entlastet eingestuft - eine Farce, schreibt Alf Mintzel, der in einem Zwischentitel lakonisch feststellt: "Angeb-
lich war keiner Nazi."

Bissiger fiel ein Kommentar aus, der am Tag nach Roeders Entlastung in der neuen Hofer Zeitung Frankenpost erschien. Die hatte im Oktober 1945 die US-Besatzungsmacht lizensiert, dem Hofer Anzeiger wurde die Lizenz verweigert. Den Kommentar von Frankenpost-Chefredakteur Tibor Yost ergänzte eine Karikatur, auf der NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, in der Hölle sitzend, erklärt: "Ich habe mich umsonst umgebracht, die Spruchkammer hätte bestimmt auch mich entlastet."

Eine Vernunftehe

Als im September 1949 der Lizenzzwang für Zeitungen endete und der Hofer Anzeiger wieder erscheinen konnte, kehrte Roeder auf seinen früheren Posten zurück. Eine Zeit lang gab es vier Zeitungen in Hof - neben Frankenpost und Anzeiger noch die Oberfränkische Volkszeitung und die Fränkische Hofer Presse. Aber schließlich blieb nur eine: Pressepolitische und wirtschaftliche Zwänge führten dazu, dass die Frankenpost und der Hofer Anzeiger im Jahr 1967 eine "Vernunftehe" schlossen.

Als Hauptfigur einer der letzten Geschichten und Anekdoten, von denen das Buch voll ist, huscht Ende der 90er-Jahre der Verleger Karlheinz Hoermann auf nächtlichem Kontrollgang durch die Räume am Oberen Torplatz in Hof. Bei sich hat er eine Ledermappe, in der er einen geladenen Revolver verbirgt: Er will so eine "feindliche Übernahme" seiner Firma verhindern.

Nach seinem Tod übernahm Sohn Stephan die Geschäfte. Ihn stellt das Buch in einem seiner zahlreichen Abbildungen als "Hoffnungsträger der Firma" vor; allerdings ist er da noch ein Kind. Tatsächlich sollte, "was 1943/45 und in den Nachkriegsjahren mit letzter Kraft abgewendet werden konnte, der Untergang des Familienunternehmens Hoermann, 2008/09 als ein unabwendbares Ereignis eintreten". Tröstlich immerhin: Der Traditionsname der Druckerei - Mintzel-Druck - ist geblieben. Und der Zeitungsname Hofer Anzeiger wird im Verlag Frankenpost weiter bestehen.

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Alf Mintzel: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie: Die Buchdruckerei Mintzel und ihr Zeitungsverlag. Verlag Duncker & Humblot, Berlin, zwei Bände, 693 + XXII und 895 + XXV Seiten, gebunden im Schuber, 68 Euro.

Zur Person

Professor Dr. Johann Albrecht (Alf) Mintzel wurde 1935 in Augsburg geboren. Er studierte zuerst Freie Malerei und Grafik, dann Rechtswissenschaft und schließlich Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft. Er war Assistenzprofessor an der Freien Universität Berlin und hatte Lehrstuhlvertretungen in Bochum und Mannheim. Von 1981 bis 2000 war er Ordinarius für Soziologie an der Universität Passau. Unter seinen mehr als 140 Publikationen sind Beiträge zur Theorie und Empirie der Großparteien sowie zu kulturgeschichtlichen Themenbereichen wie Kunst und Religion. Mintzel ist verheiratet und hat drei Töchter.