Endlich erhört er die bettelnde Wally, das elfjährige, schon ein wenig verdorbene Pflegetöchterchen der proletarischen Hausfrau, und stellt aus Papierschnitzeln "det janze Leiden Jristi" auf dem Küchentisch wie auf einer Bühne zusammen, "'n Spielzeich" mit "Kreiz un dem Berg Joljatha" und allem, was dazugehört. Doch plötzlich drängt alles ans Fenster, unter dem sich unversehens Krakeel, Misshandlung und Verhaftung ereignen. Wally, blasphemisch gelangweilt, pustet "Die papierne Passion" - so der Titel der naturalistischen Erzählung von Arno Holz und Johannes Schlaf - auseinander: "Is jo man so'n Mumpitz"... Nürnberg 2015. Mit Aufführungen und Ausstellungen feiert Johannes Volkmanns "Papiertheater" von heute an seinen 20. Geburtstag. Ein Tisch als Schauplatz kann schon mal reichen; allerdings gibt eine acht Quadratmeter große Papierwand zwischen Publikum und Akteuren die bessere "Bühne" ab. Auf sie bringen die Spieler Farbe auf oder projizieren Bilder, sie reißen sie ein oder schneiden etwas aus, gestalten Formen faltend, knickend, knäulend. Den Platz, den die meist fehlende Sprache lässt, nehmen Tanz und Töne ein. Zwischen bildender und darstellender Kunst verortet der Prinzipal seine singuläre Kunstform, mit der er seit 1995 sechzehn Produktionen gestaltete; elf davon hält er noch im Spielplan. So gibt's für Erwachsene, zum Beispiel, Modest Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" als "Musik zum Sehen", "dargeboten von Pinsel und Schere". Kindern macht Volkmann etwa mit "Ferdinand dem Stier" oder "Kugelmenschen" Freude. Hinzu kommen "Projekte" zu politisch und gesellschaftlich aktuellen Fragen. All das darf beanspruchen, vielleicht nur "'n Spielzeich", aber jedenfalls mehr als "Mumpitz" zu sein. Und wenn schon keine Passion, so findet sich immerhin eine "Papieroper" im Repertoire.
Kunst und Kultur Mehr als Mumpitz
Von Michael Thumser 05.02.2015 - 00:00 Uhr