Wenn die Besatzung eines Frachters (wie dieser Tage geschehen) drei junge Leute, nach fünfzig hilflosen Tagen in einem Boot auf hoher See, gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser fischt und so vor dem sicheren Tod bewahrt, wird keiner von uns, der bei Verstand ist, dies in der Weltjahresbilanz negativ verbuchen. Wenn ein Großkonzern, wie allenthalben üblich, ein paar tausend Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit entlässt, wird dies in der Regel positiv vermerkt: an den Börsen; auch wenn wir alle wissen: Hier vernichtet eine soziale Katastrophe die Existenzgrundlage zahlloser Familien. Bei der Suche nach Synonymen (also nach Begriffen mit ungefähr gleicher Bedeutung) fallen uns für "positiv" in der Regel Wörter ein, die auf Erfreuliches verweisen: vorteilhaft, günstig, gedeihlich, empfehlenswert, anerkennend, wohlmeinend ... Umso erstaunter reagieren wir, wenn uns der Arzt nach der Biopsie mit einem positiven Bescheid konfrontiert: mit einem Untersuchungsergebnis also, das besagt, das Labor habe Krebszellen in unserem Gewebe entdeckt. Und wer positiv auf HIV getestet wurde, muss hinfort die Gewissheit verkraften, lebenslang den Aids-Erreger mit sich herumzutragen, der ihn, bei negativem Verlauf, dereinst töten wird. Solche Sprachverwirrung erwächst aus einem Missverständnis: Dem Ursinn nach bezeichnet "positiv" nämlich nichts, was unweigerlich Glück verspricht, sondern dient lediglich als Ausdruck der Bejahung. Positiv ist (in der Mathematik und überhaupt) ein Wert größer als Null, ist das Etwas im Gegensatz zum Nichts, ein Ding, das wir als wirklich vorhanden, eine Situation, die wir als Tatsache wahrnehmen. Folgerichtig erspart sich die philosophische Schule des Positivismus jede Überlegung über Jenseitiges, Übernatürliches, Überirdisches und beschränkt sich aufs Gegebene, unzweifelhaft Feststellbare. Das freilich sieht, in der Weltjahresbilanz, nicht immer glücklich aus. Manch einen mag das zu dem ziemlich pessimistischen, darum negativen Schluss verleiten: Das Gute ist das Schlechte, das uns erspart bleibt.