Auch die hygienischen Zustände seien furchtbar gewesen. "In Rom gab es nicht einmal Wasser. Frauen, die ihre Periode bekamen, haben sich schrecklich geschämt." Auf die Frage, warum sie geflüchtet sei, sagt Asrat, dass in Äthiopien nicht alles politisch in Ordnung sei, auch wenn das viele Europäer glaubten. "Wir hören auch, dass viele Menschen auf der Flucht sterben. Aber es ist so schlimm in der Heimat, dass wir uns trotzdem auf den Weg machen."
Eine große Diskrepanz zwischen Gesetz und Realität bei der Unterbringung von Asylbewerbern in Italien sieht Dr. Constantin Hruschka von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Seine Organisation habe besonders die Versorgung von Familien mit Kindern in Italien untersucht. Diese könnten oft nicht menschenwürdig untergebracht werden. Auch sei es sehr realistisch, dass Flüchtlinge keinen Zugang zum Gesundheitssystem hätten. "Nach einem halben Jahr fallen alle Asylbewerber aus der Hilfe, deshalb leben inzwischen zahlreiche Flüchtlinge in besetzten Häusern."
Das Verwaltungsgericht München habe in einem Urteil "systematische Mängel" des italienischen Asylsystems festgestellt. Hruschka bedauert, dass sich die europäischen Staaten beim Verteilsystem nicht gegenseitig vertrauen. "Dieses Misstrauen wird dann auf dem Rücken der Asylsuchenden ausgetragen." Das Dublin-Verfahren mache den Betroffenen große Angst. "Viele tauchen dann unter."
Das für die Verfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) widerspricht der Kritik. Die Dublin-Staaten hätten sich auf gemeinsame Mindeststandards bei Asylverfahren, Unterbringung, Verpflegung und medizinischer Versorgung verständigt, teilt ein Sprecher mit. "Diese Mindeststandards werden auch von Italien eingehalten." 2016 seien rund 3970 Menschen im Rahmen der
Dublin-Verordnung aus Deutschland in andere Mitgliedsstaaten überstellt worden. Italien war dabei mit 916 Fällen das häufigste "Übernahmeland."