Landkreis Kulmbach Ukrainer lassen Arbeitslosenzahl steigen

Rund 2000 Geflüchtete aus der Ukraine suchen derzeit in der Region nach Arbeit. Bevor sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können, müssen zunächst viele Formalitäten geklärt werden. Foto: /Oliver Berg/dpa

Geflüchtete haben jetzt die Möglichkeit, sich bei den Jobcentern arbeitslos zu melden. Die Menschen in den Arbeitsmarkt im Kulmbacher Land zu integrieren, ist keine einfache Aufgabe.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Für gewöhnlich sinken die Arbeitslosenzahlen im Sommermonat Juni deutlich. Doch in diesem Jahr ist auch im Landkreis Kulmbach alles anders. Grund ist erneut der Krieg in der Ukraine, beziehungsweise die Flucht Hunderte Menschen vor Krieg, Elend und Vertreibung. Der Übergang der Geflüchteten aus der Ukraine zu den Jobcentern habe die Zahl der Arbeitslosen im Landkreis Kulmbach deutlich ansteigen lassen, meldet die Arbeitsagentur Bayreuth-Hof. Demnach gab es im Juni 152 arbeitslos gemeldete Personen mehr als im Mai. Das Niveau bleibe aber unter dem Vorjahreswert.

Nachfrage kann oft nicht gedeckt werden

Neben diesem Sondereffekt meldeten sich vor allem ältere oft langjährig Beschäftigte arbeitslos, die ihr Arbeitsverhältnis mit einem Aufhebungsvertrag beendet haben. Meist gab es dafür gesundheitliche Gründe, heißt es im jüngsten Arbeitsmarktbericht. Außerdem kamen Beschäftigte nach Erschöpfen des Anspruchs auf Krankengeld auf die Arbeitsagentur zu, weil sie ihre letzte Tätigkeit nicht mehr ausüben können. Weiterhin erfolgten Meldungen von Lagerhelfern und Kommissionierern, weil ihre Arbeitgeber sie wegen der bestehenden Materialengpässe derzeit nicht beschäftigen können. Immer wieder zu beobachten seien Abbrüche von Ausbildungsverhältnissen, weil die jungen Menschen die hohen theoretischen Anforderungen nicht erfüllen können. Befristete Verträge von Beschäftigten bei Personaldienstleistern seien nicht verlängert oder vorzeitig gekündigt worden .

Für Beschäftigte aus dem medizinischen Sektor müssen dagegen neue berufliche Ansätze gefunden werden, weil sie die Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz nicht erfüllen. Die Nachfrage nach Arbeitskräften blieb unvermindert hoch. 183 Vermittlungsaufträge gingen ein, drei weniger als im Mai und sechs mehr als im Vorjahr. Im ersten Halbjahr 2022 wurden damit bisher 1164 neue Stellen im Landkreis Kulmbach gemeldet, 98 mehr als in der ersten Jahreshälfte 2021. Industriebetriebe suchen aktuell nach Maschinen- und Anlagenführern, Fachlageristen und Produktionshelfern. Kleinere Unternehmen, insbesondere Betriebe des Baugewerbes, stellen gerne handwerkliche Fachkräfte ein. Diese Nachfrage kann oft nicht gedeckt werden, sodass auch an- und ungelernte Kräfte eingestellt werden. Diese müssten dann am Arbeitsplatz vertieft eingearbeitet werden.

Der kaufmännische Sektor fragt für die Finanzbuchhaltung, das Personalwesen, die Verwaltung und für den Zahlungsverkehr versierte Kaufleute nach. Weiterhin gesucht sind Kinderpfleger, Erzieher, sozialpädagogische Assistenten und Sozialpädagogen. Das Hotel- und Gaststättengewerbe benötigt Köche, Küchenhelfer, Servicekräfte und Reinigungspersonal. Dem medizinischen Sektor fehlen (Zahn-)Medizinische Fachangestellte, (Fach-)Ärzte, Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger und Physiotherapeuten. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betrug Ende Dezember vergangenen Jahres 29 001 im Kreis Kulmbach. Gegenüber dem Vorquartal gab es kaum Veränderung. Im Vergleich zum Vorjahresquartal sind das 791 Beschäftigte mehr. Dabei verzeichnete das Verarbeitenden Gewerbe die stärkste Zunahme mit einem Plus von 313 Arbeitnehmern. Der Bereich Heime und Sozialwesen war mit einem Rückgang um 65 Beschäftigte am stärksten rück-läufig.

Arbeitslosenzahl sinkt bereinigt

„Die aktuelle Entwicklung der Arbeitslosigkeit ist maßgeblich durch den Zugang von ukrainischen Staatsangehörigen beeinflusst. Ohne diesen Effekt hätte es einen Rückgang der Arbeitslosigkeit gegeben, wenn auch etwas schwächer als in den Vorjahren“, fasst der Chef der Agentur für Arbeit Bayreuth-Hof, Sebastian Peine, die Juni-Bilanz zusammen.

Seit Juni werden die Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, von den Jobcentern betreut und haben bei Hilfebedürftigkeit Anspruch auf Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

„Der Übergang von der kommunalen Betreuung in die Grundsicherung ist im Agenturbezirk gut gelungen, sodass insbesondere die Geldleistungen sichergestellt werden konnten. Insgesamt waren im Juni in der Region Bayreuth-Hof rund 2000 Ukrainer im erwerbsfähigen Alter registriert“, erklärt Peine.

Hierzu zählen auch Personen, die aktuell keine Arbeit suchen, zum Beispiel wegen Kinderbetreuung, Schulbesuch oder langfristiger Erkrankung. Bei rund 1200 dieser Personen konnten ergänzend bereits die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit in weiterführenden Beratungsgesprächen geklärt werden.

Agenturchef Sebastian Peine: „Alle für eine Vermittlung relevanten persönlichen Voraussetzungen, Wünsche und Qualifikationen der bereits registrierten und noch kommenden Geflüchteten zu ermitteln, wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Zudem ist häufig unklar, wie lange der Aufenthalt in der Region andauern wird.

Daneben steht für uns im Vordergrund, die Menschen ihrer Qualifikation entsprechend zu vermitteln. Das erfordert oft zuerst die Unterstützung beim Spracherwerb sowie bei der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen und ist besonders zeitintensiv.“

Autor

Bilder